Januar 2025 |
||||||
Mo |
Di |
Mi |
Do |
Fr |
Sa |
So |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
||
6 |
7 |
8 |
9 |
10 |
11 |
12 |
13 |
14 |
15 |
16 |
17 |
18 |
19 |
20 |
21 |
22 |
23 |
24 |
25 |
26 |
27 |
28 |
29 |
30 |
31 |
||
wenn er sparsam und edel gelayoutet von den FAZ- Grafik-Designern eine Fabiennè Florentina Marie de la Fontaine ereilt, diskret beklagt von Emilienne, Ferdinand, Elsbeth, Frederic und Mira; und dann auch noch zu Weihnachten.
Es verschied des weiteren Edelmarie (Enne) Freifrau v. Bodenhausen, geb. Gräfin v. Bassewitz. Um sie trauert stilvollst Irene Freiherr v. Bodenhausen geb. Freiin v. Buttlar-Ziegenberg, Dr. Almut, Linus, Jasper, Oskar usw. usf.
Der akademische Stand beklagt das Ableben des höchst geehrten Univ.-Prof. Dr. Andreas Al- Laham sowie des Professors Dr. h.c. Heinrich Beisse - Träger des großen Bundesverdienstkreuzes sowie Bundesfinanzhofrichter a.D.. Sie alle hinterlassen eine offenbar fest in humanistisch- christlichen Traditionen verankerte, distinguierte Trauergemeinde, die den Vorangegangenen einigermaßen abseitige Römerbrief-Passagen zueignet oder abstrakt-artifizielle Hölderlin-Verse.
Und die Unterschicht? Wer beklagt den Tod Kevin Schüsslers, Chantal Heps' oder Jacqueline Matyczeks? Erstmal niemand, Gott sei Dank. Denn die sind alle erst 1990 geboren und erfreuen sich allerbester, jugendlicher Gesundheit. Für Hetti Esser (Die hät det Hätz em räschte Fläck jehäbt) und Josef Schmitz (Jupp, mach et joot) ist der Express zuständig.
Albrecht Müller ist ein Sozialdemokrat reinen Wassers. Als idealistischer kleine- und unterdrückte-Leute-Freund und leidenschaftlicher Kämpfer für die gerechte Willy-Brandt- Sache wendet er sich mit Grausen ab von der Mainstream-Agenda der Gernegroße und Kanzleramts-Zaun-Rüttler. Sympathisch ist mir das. Da steht jemand fest und aufrecht wie der berühmte Fels und kann nicht anders. Mit all den Machttechnokraten und Talkshow-Schönrednern will er nichts zu tun haben und hätten sie auch noch so sehr Enkelstatus. Enkel nämlich ist er selbst, sogar einstmals beratender. Auf seinen NachDenkSeiten liefert er heute mit Unterstützung eines kleinen, erlauchten Teams tagesaktuelle Analysen zu den Schändlichkeiten der Zeit (Wulff-Krisen-Gewinnler). Die werden ab und an zusammengefasst in Printform und über besagte Seite vertrieben. So finanziert sich zumindest im Ansatz der aufwändige Redakteursbetrieb.
Tiefe Verwurzelung im Glauben treibt aber nicht nur im Kosmos von Steinzeit-Islamisten und Fundamental-Katholiken seltsame Blüten. Nicht jede Wahrheit schließlich ist ewig und Ideen von der Beschaffenheit der Welt schon gar nicht. Die Griechisch- Goethesche Tyche als ein Wandelndes, das mit und um uns wandelt und so die Menschen und ihre Umgebung fortbildet- das fehlt jenen Dogmatikern ganz und auch die ehrwürdige deutsche Eiche, denken wir uns sie für diesmal sozialdemokratisch, leidet ganz fürchterlich unter ihrer unumstößlichen Unbeweglichkeit, auch wenn sie sich selbstgefällig selbst gefällt.
Tyche beobachtet heutzutage natürlich kein Mensch mehr. Man sagt vielleicht eher unpragmatisch, weil das Griechische ja ganz aus der Mode gekommen ist (und das Goethesche sowieso), meint aber letztenendes dasselbe.
Und dann: Ideen haben! Reizend, doch was sind Ideen anderes als unfertige, ungeprüfte Eingebungen? An denen hat es der Sozialdemokratie in Deutschland nie gemangelt. Sie weiß in Gestalt ihrer wechselnden Gesundbeter und Bescheidsager stets, was sein sollte und müsste- um alles weitere kümmert sich dann ein Riesenheer subalterner, weniger phantasiebegabter Verwaltungsbeamte (oder der Koalitionspartner). Also um solch prosaische Angelegenheiten wie Finanzierungen oder die verwaltungstechnische Implementation eines Vorhabens in eigens dafür geschaffenen Gremien. Kurz: Eine lebensfremde Realitätsverkürzung findet da immer wieder statt auf dem schmalen Grat zwischen Ideologie und Idealismus, die beinahe zur Atomisierung einer einstmals so mächtigen gesellschaftlichen Strömung geführt hätte. Und auch für eine solch irrationale Verleugnung dessen, was ist, steht Albrecht Müller hier und da; leider. Ein Beispiel:
Im FAZ- Streitgespräch mit dem (sicherlich kälteren) Volkswirt, Mathematiker und Demographen Herwig Birg leugnet Müller schlankweg den statistisch- rechnerisch belegten, eklatanten Schrumpfungsprozess der deutschen Bevölkerung bzw. wesentliche Implikationen. Die aktuelle Geburtenrate von 1,4 wird bis spätestens 2050 zu dramatischen Verteilungskämpfen führen und vor allem dazu, dass das Umlageverfahren der sozialen Sicherungssysteme implodiert. Keine statistisch-technischen Details an dieser Stelle, doch das weit gefürchtete demographische Momentum sorgt mit der Gewissheit des kurzfristig erfolgenden Rücktritts des Bundespräsidenten dafür, dass auch bei einem Anstieg der Rate auf 2,0 pro Frau die autochthone Bevölkerung weiterhin stark schrumpfen wird, bevor sich dieser Vorgang abbremsen und umkehren kann. Politische Gegensteuerung (und die gibt es wie die USA und Frankreich vormachen) käme, würde sie morgen verkündet und eingeführt, weit nach 12.00 Uhr.
Hinzu kommt, dass Frauen aus der Mittel- und Oberschicht weitaus weniger Kinder bekommen, als sozialtransferabhängige Frauen, was die Bildungsproblematik aller Voraussicht nach weiter verschärfen wird und zwar mit apokalyptischen Auswirkungen, wenn die Projektionen nur halbwegs stimmen, die Sarrazin ins Felde führt.
Und Albrecht Müller? Wittert Verschwörung hinter dem kalt-abstrakten Zahlenwerk und sinnt auf die älteste aller politisch- intellektuellen Untugenden: die Umdeutung! Und zwar eine im Zeichen des eigenen, hart umkämpften Weltbildes!
Richtig ist ja auch, dass die private Versicherungswirtschaft mit all ihr Raffelhüschens, Riesters und Maschmeyers profitiert von einem sich abzeichnenden, beispiellosen Zusammenbruch der staatlich organisierten Umlage- und zwar in einem gigantischen Ausmaße. Dass aber ein Ansteigen des durchschnittlichen Lebensalters auf über 60 bei weniger zu verteilender Arbeit günstig sein soll, dass der Altenlast eine Jugendlast gegenzurechnen sei und dass mehr Alleinstehende auf die Dauer volkswirtschaftlich neutraler zu finanzieren sind, ist wohl einzig und alleine dem Dogma geschuldet, dass das Versorgungsparadies eine sozialdemokratisch gestaltbare kleine Welt in der großen Welt ist. Eine Welt, die stehen bleibt; die sich nicht mit und um uns wandelt.
Siddhartha Gautama reüssierte vor etwa 2500 Jahren unter dem Namen Buddha zum Erleuchteten. Und erleuchtet scheint nicht übertrieben, jedenfalls dann nicht, wenn man der Legende Glauben schenkt, was ich in diesem und eigentlich auch in allen anderen Fällen immer sehr gerne tue: Buddha stellte sich die allerkleinsten Teilchen als Vielfaches von 7 bzw. als siebenten Teil von etwas vor. Von Atomen ahnte kein Mensch etwas, schon gar nicht von deren weitaus kleinerer Verwandtschaft. Buddha aber scheint geahnt zu haben, dass Materie aus Stoffen besteht, deren Ballung und Aufbau letztenendes erst für die sichtbare Form der Dinge verantwortlich sind. Er beschrieb sie.
7 erste Teilchen (paramanu raja) passen auf ein unmerkliches Stäubchen (renu); 7 des Letzteren auf 1 winziges Staubkorn. 7 von denen auf 1 vom Wind getragenes Staubflöckchen und 7 von jenen auf 1 Staubflocke auf dem Fell eines Hasen. 7 von diesen nun auf 1 Staubflocke auf dem Fell des Widders und 7 von diesen gehen auf 1 Staubflocke auf dem Fell einer Kuh. 7 von jenen auf 1 Mohnkorn, 7 Mohnkörner auf 1 Senfkorn und 7 Senfkörner auf 1 Gerstenkorn. 7 Gerstenkörner passen auf 1 Fingerglied. Soweit die erleuchtete Physik. Wenn 1 Fingerglied veranschlagt wird mit 4 cm, hat jenes erste Teilchen den Durchmesser von 0,04m : 7 : 7 : 7 : 7 : 7 : 7 : 7 : 7 : 7 : 7 = 0,0000000001416 m oder 1,416 x 10 hoch -10 m. Das sind 141,6 Pikometer oder 1,416 Angström. Eine Chiffre, die so ziemlich genau für die Größe eines Kohlenstoffatoms steht.
Eine erstaunliche Rechnung ist das und vor allem ein erstaunliches Bezugssystem. Ein Fingerglied! Ich bin mir nicht ganz im Klaren darüber, ob solcherart Erleuchtung heutzutage eher Intuition oder schon Mathematik genannt würde. Buddha ahnte aber wohl nicht, dass die von ihm so seltsam genau angegebene Größe eine geradezu ozeanhafte ist im Verhältnis zu den sogenannten Strings, deren winzig-filigranen Saitenschlägen die Cerner derzeit mit 35 km großen Ohren nachlauschen. Ihr vorläufig geschätzter Durchmesser von 10 hoch -35 Metern verhält sich zu den Kohlenstoffatomen wie ein Staubflöckchen zum Durchmesser der Sonne.
Intuitionen habe und hatte auch ich. Den Menschen und seine dinglich-stoffliche Umgebung stelle ich mir hinsichtlich der Größenverhältnisse schon lange vor als mittelmäßig beschaffen und einzuordnen recht genau zwischen den kleinsten Dimensionen der String-Welt und den kosmischen, nur noch in aberwitzigen Lichtjahren zu bemessenen. Ein durch und durch naives Weltbild zimmerte ich mir da zurecht, gespeist womöglich aus kindlichen Träumen und halb-verstandenen Assoziationsfetzen Stephen the brain Hawkings, gestützt aber sonst durch nichts und niemanden. Hier beichte ich es, weil ich trotz allem offenbar gar nicht so falsch lag.
Galaxy © David Lynch
Die Fondation Cartier sperrte kürzlich Mathematiker und Künstler für einige Wochen zusammen. Auftrag war es bei Brot und Wasser, die tote Mathematik, also eine Wissenschaft, die ihren Gegenstand nicht entwirft, sondern bestehendes entdeckt und beschreibt, zu beleben mit kreativer Gestaltung. Die suggestiven Ergebnisse dieser gegenseitigen Befruchtung sind bis März 2012 in Paris zu sehen.
David Lynchs Arbeit nun verbildlicht, na, nicht meine Intuition, aber doch den Anthropozentrismus, wie ich ihn erspürte (und dennoch gibt es keine Ambitionen, eine Religion zu gründen. Nicht einmal das Meditieren werde ich revolutionieren!) und wie er mittlerweile durchaus auch berechnet wird.
Intuition trifft Wissenschaft trifft Kunst und alle drei sind sich einig über den Menschen im Zentrum der Dinge. Ein schönes Versprechen für 2012, vielleicht das Schönste!
Ich empfinde Weihnachten als eine substanzielle Zeit im Jahr: geistig, kulturell, emotionell, materiell, kulinarisch sowieso. Das Hamsterrädchen dreht sich merklich langsamer, die beschwörend-suggestiven Besinnlichkeitsformeln entfalten ihre sedierende Wirkung spätestens am ersten Ferientag. Zeit, Ruhe und Muße kehren ein, um Dinge zu tun, die aufgeschoben waren aber doch fest verankert in der Jahresplanung; ja, sogar durchaus einer gewissen Tradition entspringen. Überhaupt hat meine so deutlich spürbare jährliche Weihnachtskontemplation mit frühkindlicher Prägung und tief verwurzelten Ansprüchen zu tun. Mit dem Anspruch auch, alles richtig zu machen, damit es gelingt, denn: Weihnachten ist die Zeit der Zeit, des Miteinanders, der Ein- und Abkehr, des freundlichen Sprechens, der Zuwendung.
Der Inspiration. Und so lass ich mich inspirieren. Ich streife stundenlang durch mal virtuelle, mal reale, immer bunt-lockende, phantastische Konsumlandschaften. Ich besuche Ausstellungen. Ich erhalte Post von Menschen, an die ich sonst nicht denke. Ich gehe ins Kino (Gott des Gemetzels) und ins Theater (Gott des Gemetzels). Dort treffe ich weitere Menschen, die ich jahrelang kaum treffe aber doch zu gut kenne, um nur höflich nickend vorbeizuziehen. Es reichte vielleicht sogar einst zu einem zärtlich-vertrauten Begrüßungsküsschen. Das ist zwar lange her aber doch hüben wie drüben präsent, was die steif-zähe Hi-wie-geht´s-denn-so-Routine umso peinlicher werden lässt. Inspirierend aber auch das, irgendwie.
Und dann: Ich bekomme Bücher von Umberto Eco geschenkt und lese sie. Mir gefällt der Gedanke ungemein, Umberto Eco- Leser, -Freund und -Bewunderer zu sein. Vielleicht sogar ein verstehender. Ich bin es nicht, tue aber seit Jahren mein bestes. Ich lese überhaupt viel: Gott des Gemetzels und Charles Dickens´ Weihnachtsgeschichten. Sie sind mein same procedure as every year, denn zu Weihnachten, so lautet der Beschluss, braucht´s stabile Baum-Gans-Lied-Buch- Traditionen. Ein schöner Gedanke ja auch, dass es einmal heißen wird: In diesem Band las einst euer..., nicht wahr?
Ich lasse mich desweiteren überreden, am 32. ARD-Terroranschlag auf den guten Geschmack hintereinander Der kleine Lord teilzuhaben und verdamme mich für meine zum 32. Male empfundene Rührung ob der Herzerweichung des alten Knackers angesichts des herzenslieb-freundlichen Enkelsohns. Und überhaupt: Der Selbsthass! Ich verdamme auch meinen nihilistisch-ätzenden Impuls, selbst in diesen Momenten der harmonischen Eintracht, der stillen Zufriedenheit und des geteilten Glücks die Dinge einer kritisch-rationalen (das heißt im Falle eines Hollywood-Elaborats: durch und durch unsinnigen) Würdigung unterziehen zu wollen; ergo, am Drehbuch herumzumäkeln, über die nichtswürdige Drogenexistenz des Lord-Darstellers zu geifern und so weiter und so weiter und so weiter; meiner überaus liebenswerten Familie also die Laune zu vermiesen.
Weihnachten ist, ach was, Geschenkezeit. An sich spricht sicherlich überhaupt nichts dagegen, einen Gutteil des kommerziell-materiellen Familien- Gesamtvolumens am Jahresende zu bestreiten. Der familiäre Diskurs wird dabei ganz beiläufig auf das Erfreulichste beflügelt z.B. in dialektischen Debatten über Sinn und Nutzen der eingeforderten Dinge. Ich bin schließlich von Haus aus Protestant. Ein protestantischer Weihnachtsfeierer mit Anspruch auf Besinnung auf die christlichen Wurzeln des Festes bei gleichzeitiger Verweigerung eines Besuchs der christlichen Hochamtsstätten aus pragmatischen Gründen. Pragmatisch sein; das ist ja neben spießig sein (zur Spießerei bekennen sich alle oder doch viele Menschen. Kleinbürgerlich nennen darf man sie aber nicht!) der Kodex unserer postkatholischen, postprotestantischen Epoche, dem auch ich bedingungslos anhänge!
Es bieten sich also, um den gesponnenen Faden endlich wieder aufzunehmen (gut, dass ich mich nicht vom Schreiben nähren muss), herrliche Anlässe, allerlei Streitereien vom Zaun zu brechen über das geänderte Freizeitverhalten der heutigen Jugend oder auch über die Bildungsferne selbst zukünftiger akademischer Eliten zu schwadronieren. Oder zu lesen: Gemeinsam mit dem Sprössling bei Kerzenlicht seitenlange Bedienungsanleitungen (6pt) für den schicken Modellhubschrauber in einem Gemisch aus Koreanisch und (na ja) deutsch zu durchforsten nach der Ursache ewigen Absturzes. Authentische Leseanlässe nennt das die Didaktik und meint damit: Hier macht´s wirklich einmal Sinn, das Lesen!
Und so könnte ich weiter und weiter und weiter vor mich hin brabbeln und täte das auch sehr gerne noch zumindest über kulinarische und, insbesondere, partnerschaftliche Aspekte des Festes unterm und am und vom Baum. Doch der Zaunpfahl winkt überdeutlich in Gestalt der Turmuhr, die gerade Weihnachts- Kehraus schlägt. So lass ich es denn für´s Erste und freue mich auf nächstes Jahr, denn: Siehe oben!
Im Kölner Norden existiert eine Wald- Kulturlandschaft, die mir perfekt zu symbolisieren scheint, wie es so zugeht in diesem rheinisch-sumpfigen Städtechaos. Es handelt sich um einen sogenannten "Bruch", was wohl so viel bedeutet wie "Brach"; also ein Areal, in dem konzeptionell verbrämt alles liegen gelassen wird, wie es gerade fällt, ganz so wie ja auch im Asphaltdschungel etwas rheinaufwärts. Wenn also wieder einmal ein Kyrill lospustet und alles umstürzt, was nicht 5 Meter im Erdreich verankert steht, gibt es keine Försterei, die hinterher aufräumt und sei es auch nur, damit Besucher dieser merkwürdig-vorzeitlichen Flora sicher hindurch kommen. Man sagt: So war es früher auch. Naturnah ist, wenn der Mensch nicht hineinpfuscht in Gottes Sturmplanungen.
Ein zutiefst Kölscher Gedanke! Wer da Indolenz wittert, hat nicht 25 Jahre seines Lebens (oder noch länger) hier verbracht. Der Kölner, der dörfliche zumal (also der ursprünglich-typische), pflegt intensive, archaische Emotionen, die ihn beispielsweise zu Karneval an der alten Tradition festhalten lassen, Hühner zu hängen und zu peitschen. Manchmal nennt er solche Gelüste Katholizismus. Ähnliche Impulse steuern auch die hiesigen Verwaltungsbeamten, wenn sie sich weigern, den wichtigsten Panoramaweg der Stadt vis á vis des Doms zu pflastern, auf dass die Überseebesucher (es gibt sie!) nicht im Morast stecken bleiben auf ihrer tour through europe oder durch winzige bauliche Maßnahmen Autofahrer an Rheinfähranlegern vor dem todbringenden Sturz in das reißende Gewässer zu schützen. Jürgen Becker greift solche Karnevalisierungen des Alltags in seinem neuen Programm auf. Wenn Sie also mal im Rheinischen sind... Schauen Sie vorbei bei ihm. Er macht Schnittchen und zapft ein Kölsch dazu.
Der Bruch stellt alldieweil einen durchaus authentischen Kontrast dar zu der hektarweiten Zuckerrüben- Monokulturlandschaft insbesondere der nördlichen Nachbarschaft. Geographisch genauso nah (und daher gab´s vor 650 Jahren ja auch eine Berserkerschlacht) ist die Luxus- Kö, doch emotional: so weit weg wie Karlsruhe.
Diese Fauna: Wo kann man schon Nachtigallen trällern hören, Pirole pirolen oder Grünspechte und aus den Tropen umgesiedelte Sittichvögel beim Nisten ausspähen? Störche gibt es hier, Bibergetier, Erdkröten und Blindschleichen. Im letzten Januarschnee, ich schwöre es, stand ich plötzlich in der Abenddämmerung einem Fuchs gegenüber, Aug in Aug. Das war ein perfekter Moment, magisch- wäre das kein Klischee. Kurz nur, aber intensiv. Selbst das Blättersäuseln ebbte ab für diesen Augenblick, als heilige er sich selbst.
Mein Weg durch den Bruch, neuerdings gern auch
mit Hund
Ich habe schon einen Moment gewartet beim Fotografieren, um die Laubstimmung einzufangen und Passanten passieren zu lassen. Aber nicht besonders lange! Es ist wirklich ruhig hier, still und einladend. Trotz allem nämlich und seltsamerweise hat die landschaftliche und soziale Umgebung eine kontemplative, besinnliche, manchmal inspirierende Wirkung. Hier hecke ich Schülerattentate aus, wehrhafte Schreiben gegen die Horden der mich bedrängenden Internetgangster von PayPal, mydownload.de usw. oder gerne auch Steuererklärungen. Zu meinem sprunghaften, unsteten Charakter, der mich rasch abschweifen lässt, passt dabei ganz vortrefflich, dass bei all dem eigentlich immer wenig herauskommt. Außer vielleicht dem wolkigen, dumpfen Gefühl, dass es doch mal wieder gut war. Oder alternativ dazu, dass alles gut wird. Was nun wieder sich vorzüglich verträgt mit der Mentalität des Milieus, das mich hier umgibt. Das ich bilde.
Die alten Landkarten zählen nicht mehr, ruft Eric Hobsbawm aus, der bald hundertjährige Marxist, Berlin-Ägypt-Amerikaner, Philosoph und Historiker. Er beschwört eine fundamentale Krise der Gegenwart, beklagt den Verlust verbindlicher Orientierungen. Gott? Tatsächlich tot. Religion und Kirchen geben keine Antworten auf die Fragen unserer postmoralischen Epoche. Kapitalismus? Wachstum? Die Konsumgesellschaft? In exakt jener katastrophalen Verfassung, die Marx vorhersagte, unwillig, sich zu erneuern, getrieben von immanenten, scheinbar geisterhaften Kräften. Die Sozialdemokratie? Immerhin ein marxistischer Verwandter? Kannibalisiert sich selbst. Wirkte erst mit an der Abschaffung der Arbeiterklasse, um heute zusehen zu müssen, dass es andere Wähler nicht gibt. Bildung? Bloß noch eine vage Idee der PISA- Globalisten und Identitätsverkäufer der Bertelsmann-Stiftung, losgelöst von jeglichem verbindlichen, humanistischen Menschenbild. Und es geht weiter!
Im Deutschland meiner Aufwachszeit gab es ein weiteres, wirkungsmächtiges Regulativ, eine moralische Richtschnur, ein Maßstab, an dem sich Denken, Handeln und Sprechen zu orientieren hatte: Das Postulat Adornos nämlich, dass Auschwitz nie mehr sei. Dies bedeutete, dass sich zum heute diffamierten Gutmenschen ausbildete, wer unter Hitler im Gepäck litt, was hieß: Militarismus ablehnen, interkulturell denken, sich also dem Fremden gegenüber offen und freundlich gegenüberstellen, moralische und menschenfreundliche Standards als Richtschnur für Politik und Ökonomie zu entwickeln und einzufordern, Kritik und Widerspruch.
Verwandt mit all dem war natürlich die geistige Regsamkeit, ohne welche das gute Menschensein nun einmal nicht zu haben war. Eine Mentalität bildete sich aus, die intellektuell befähigte und forderte. Bildung! Bildung bildete sich da.
Bildungserlebnisse in diesem Sinne, selten angenehme, übrigens, wurden mir gerne wochentags gegen 13.30 Uhr am heimischen Mittagstisch zuteil, wenn sich der Frust (und der saß tief) der elterlichen Wutbürger Bahn brach in hitzigen Debatten zwischen den Kaltkriegspolen Ost versus West und sie mich Nachwuchsdialektiker hineinzerrten in die oft genug verheerenden ideologischen Grabenkämpfe, zu denen sich unscheinbare Zeitungsimpulse zur Gesamtschuldebatte, dem THTR oder dem sogenannten NATO-Doppelbeschluss rasch auswachsen konnten. Das schärft. Den Verstand. Mittun, Eifern war heilige Kampfespflicht, denn steinig und schwer, das spürten wir Beladenen, war der Weg zum Adornodikt.
Auch diese Landkarte heute: Ausgelöscht. Zur Fußnote zerflossen unter dem herrischen Schlussstrich. An dem pinseln neoliberale Globalisten und Bequemlinge schon seit Jahren herum, vollendet haben ihn die Hedonisten; endgültig wahrscheinlich im Sommer 2006 anlässlich des märchenhaft-nationalen Kicker-Taumels. Beladen wird nicht mehr, höchstens geladen; gebrütet vorrangig über den iPhone- Support- Sites, gerungen, gezwitschert, wie man ja nun sagt, im 140-Zeichen-Takt via Twitter. Ausländer findet man vor allem dann wieder gut, wenn sie 80.000,-€ p.A. verdienen oder wenigstens Kalifornier sind. Dass C&A nun H&M heißt und weltweit operiert und jeder nach Belieben geil sagen darf, fällt da kaum noch ins Gewicht. Warum so bärbeißig? Es muss irgendwann einfach auch mal gut sein!
Die Gesundheitsreform 2009 (Sie wissen schon- die allerletzte!) machte alles teurer, um alles am Laufen zu halten. Ein Loch von griechischen Ausmaßen wurde gebaggert oder wenigstens angedroht von denen, die von solchen Rufen der Kassandra (noch so eine Katastrophen-Griechin) leben. 7, 8. 9 Milliarden sollten in ihm versenkt werden. Zeit also mal wieder für die Systemfrage, darunter macht es ja niemand mehr! Die Versorgung der Bevölkerung mit Ärzten, Pflege und Medikamenten wurde generell in Frage gestellt.
Nun aber, siehe da: Politiker, Referenten, Wirtschaftsweise, Versicherungsfritzen und Mathematiker haben sich verrechnet. Und zwar gründlich. Statt 9 Milliarden minus sind´s nun 16 Milliarden plus. Man kommt schon mal aus dem Rhythmus bei all der Jongliererei mit den Milliarden. Und 25 davon... also ehrlich!
Wohin nun mit dem unerwarteten und ergo unwillkommenen Überschuss? Unter welchen Vorgang ihn abheften? Rücklagen bilden ist gesetzlich verhindert. Verzweiflung macht sich daher breit im zuständigen Ressort. Ich kann sie förmlich riechen, die qualmenden Köpfchen im wilden Osten. Und dabei gibt es eine Lösung. Ich stelle sie anheim ganz unentgeltlich: Bezahlt doch von dem vielen schönen Geld einfach einmal die Arzt- und Krankenhausrechnungen der Versicherten! Ohne Trickserei und Pfennigfuchserei: Tut, wozu ihr da seid, oder zumindest einmal da wart! Vielleicht sogar reicht´s auch noch für ein paar Brillengläser und Kopfschmerztabletten und die Abschaffung all der stacheligen IGEL außerhalb des Waldes. Das wäre doch schön. Oder ist auch das letztendlich verb... gar gesetzlich? Geht das also gar nicht? Ich hätte es mir denken können. Weiterqualmen!
Ich frag´ schon gar nicht mehr... Warum kickende Hauptschüler 5 Millionen mehr im Jahr kassieren als Studiendirektoren. Warum Puten erst gequält werden, bevor sie in die Schlachtung entweichen dürfen. Warum es statt drei dreihundert Krankenkassen in Deutschland gibt mit dreihundert Palästen. Warum die dreihundert Vorstände sich von der Industrie Mondpreise für Medikamente diktieren lassen. Warum es Hunger auf der Welt gibt, obgleich 50% der Lebensmittelproduktion jährlich vernichtet werden. Wie es angeht, dass dieselben Banken, die sich von Staaten retten lassen, eben jenen Staaten hinterher kein Geld mehr leihen wollen mit der Begründung, diese hätten zu viele Banken gerettet und seien nun nicht mehr kreditwürdig. Warum eben examinierte Augenärzte mit solchen Fragestellungen befasst sind. Warum die Demokratie par ordre de Mufti per Videokonferenz zwischen Brüssel und Berlin abgeschafft wird unter Hinweis darauf, ein 5-Nasen-Ausschuss ("Ist ein Arzt anwesend?") müsse umgehend ohne Befragung des Parlamentes 300 Milliarden € weggeben dürfen. Ob solche Ausschüsse in früheren Zeiten nicht einmal ZKs geheißen haben. Warum Deutschland Krieg in Asien führt. Warum ein Geistlicher Reden im Parlament hält. Warum jenes bis auf den letzten Platz gefüllt ist zu diesem Anlass, nicht aber dann, wenn Entscheidungen zu Bildung, Umwelt oder Familie anstehen.
Wer solches fragt, kommt ja recht naiv rüber- wenigstens. Er setzt sich dem Verdacht aus, die Mechanismen des großen Ganzen nicht zu durchdringen, ein Wohlstandsspinner zu sein und arger Gutmensch. Dies ist es, was ihm hinterhergerufen wird, seitdem das bündige "Dann geh doch nach drüben" der Globalisierung zum Opfer gefallen ist. Darum lass ich es, das Fragen. Melde mich aber sicherlich, wenn ich Antworten erfahre!
Wer, sagen wir einmal, Romanistik studiert hat, vergleichende Kulturanthropologie oder Philosophie, schiebt nicht unbedingt sofort den Taxischein hinterher! Zuerst versucht man es als Redaktionsgehilfe im Diesterweg-Verlag, im Eine-Welt-Laden oder als Assistent der Geschäftsleitung bei Gala. Schließlich ist man jung, nicht ganz ungebildet und glaubt an den Artikel eins des GG. Es muss doch da irgendwo ein Leben geben zwischen dem 8. Praktikum und der Diagnose: Rente? So lautete jedenfalls einmal die Abmachung!
Rasch realisiert die 1,0- Absolventin dann aber, dass es merkwürdigerweise Händevoll anderer geisteswissenschaftlicher 1,0- Absolventen in dieselben Warteschlangen drängt, an denen dann dieselbe Anzahl weiterer Geisteswissenschaftler, nämlich all die 3,25- Juristen und Volkswirte fröhlich winkend vorbeidefiliert (versuchen Sie mal einen 2,0- Juristen zu finden oder eine Theater- Film- und Fernsehwissenschaftlerin schlechter als 1,3!). Auf der Abiturfeier lächelte man doch noch gönnerhaft über die frühvergreisten, pickeligen Technik-Nerds, Latein-Versteher und Mathematik-LK-Langeweiler. Was ist da falsch gelaufen? Hochfahrend trat man an, für die Tradierung kultureller Werte einzustehen und sie vielleicht gar selbst ein wenig zu bereichern im Geiste Afrikas, Südeuropas, Taboris- was auch immer. Vielleicht auch spürte der ein oder andere leise, dass diese Richtungsentscheidung nicht wenig zu tun hatte mit der Notwendigkeit, eine tiefe, schmerzlich empfundene Orientierungslosigkeit zu sublimieren?
Wie auch immer: Optimistisch und idealistisch ist es vor dem Hintergrund, dass Wert und Schuldigkeit des vergeistigten Tuns immerhin die letzten 2600 Jahre überdauerten, nicht abwegig zu glauben, dass dieses auch in 5 noch so sein könnte. Dem ist, wie man sieht und weiß, nicht mehr so.
Die geistige Sphäre nämlich, und erst recht die wissenschaftlich-geistige, fristet heute eine traurige Nischenexistenz. Ihre ökonomische Relevanz hat sie nie so recht nachweisen können und musste sich jahrelang auch nicht weiter um sie scheren. Irgendwie, irgendwo gab es immer Cross-Finanzierungen, Lehrstühle, Quereinstieg, Bedarf an Generalisten. Dies ist vorbei.
Es ist keine Zeit mehr da für die emotionalen, spirituellen, kulturellen Aspekte des Seins und schon gar nicht für das Sprechen oder Forschen über sie. Stattdessen heißt es nach radikal vollzogenem Paradigmenwechsel bei Top-Twitterin und Trash- Lady Sybille Berg im 140- Zeichen- Rhythmus: "Bleibe ungefickt." Das geht dann als Tabubruch durch, signifikantes Merkmal des heutzutage akzeptierten Kulturverständnisses.
Das Diktum des FAZ- Schirrmachers, nach dem entschlüsselte Gen-Sequenzen des Menschen in ihrer endlosen c - a - g - t- Schleife relevanter für seine Zeitung seien als der aktuelle Grass- Roman, legt weiteres Zeugnis ab. Und auch sonst verschiebt sich rasendschnell schleichend die Relevanzgrenze, fernab der "Richtigkeit" all der sozial-ökonomisch-politischen Entscheidungen dieser Tage, über die kein Mensch mehr vernünftig sprechen kann: Wichtig ist, was reich macht: Eine Bank retten oder einen Staat oder ein System. Clowns toben sich bei Twitter aus, promovieren oder stellen sich, wenn sie partout nichts anderes können, eben gleich in die Warteschlange. Im Kern war das vielleicht immer schon so; heute aber in einer radikalen Ausschließlichkeit, die keine Nuancen mehr zulässt. Das Subjekt, sofern es weniger (oder mehr) ist als chemisch- materielles DNA- Forschungsfeld, stört. Wozu also noch kulturelles Sinnen? Dies spricht doch vom Menschen, meint ihn doch?
Mein klägliches Gutmenschen-Gejammere ist inspiriert von Bertolt Brechts Dreigroschenroman, in dem es um eben dasselbe geht; Werte- und Moralverlust vor dem Hintergrund des demokratisch nicht legitimierten Primats der Ökonomie. 1933 von Brecht verfasst als Bestandsaufnahme der Zeit; wahrscheinlich spürend, wohin das hinausläuft- ich nehme es jedenfalls an.
Doch zurück in die Warteschlange. Die Chance für all die bewegungslosen Über- und Fehlqualifizierten auf einen 2.200,-€- Job, so hört man immer wieder, heißt bestenfalls noch Schlüsselkompetenz. Die fragen alle nach- vom Bäckermeister bis zum Chemie-Konzern. Wer flexibel und freundlich ist, andere begeistern und motivieren kann, sich schnell und effizient einarbeitet, der findet vielleicht sogar trotz Top-Sonderpädagogik-Examens ein bescheidenes Arbeitsstellchen.
Selbst 2-Millionen-Jobs wie der Roland Kochs werden aber mittlerweile auch in allererster Linie auf der Grundlage der benannten Fähigkeiten vergeben und setzen auf gar keinen Fall zum Beispiel voraus, früher einmal einen Flughafenausbau politisch vorbereitet zu haben, den der neue Arbeitgeber nun gewinnträchtig durchführen darf. Als Vorstandschef beim Baumulti ist etwas ganz anderes gefragt: "Entscheidungsfreude, Führungsstärke..." Tja, die Misere erfasst eben so langsam auch unsere Eliten.
Layout by ichichich.