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Entropie ist die Zerstörung des Anfangzustandes. Das physikalische Prinzip, welches wirkt, wenn Sie versuchen, die herbeigedrückte Zahnpasta zurück in ihr Behältnis zu zwingen. Entropie lehrt, dass jedem Anfang ein Zauber inne liegt (H. Hesse), denn zu wiederholen ist er nicht, bestenfalls zu simulieren, wenn Sie mal wieder am Drogeriemarkt vorbeikommen.
Aber eigentlich stimmt das nicht so ganz, denn wohl nur dingfixierte Quantenmechaniker können auf die Idee kommen, eine geschlossene Zahnpastatube als Anfangzustand zu denken. Weit davor geht es aber schon los; bei der Produktion, der Grundsteinlegung des Hauses, in dem das Zeug zusammengeschmiert wird, seiner Planung usw.usf. Die Anfänge vor den Anfängen, die Rüdiger Safranski so am Herzen liegen, reichen zurück bis zum Anbeginn der Zeiten und auch der nimmt Ausgang, Bewegung, Ursache. Ein poetischer Gedanke, der sich in den physikalischen, mit Werten für eng umrissene Daseinsstadien operierenden Formeln schwerlich abbilden lässt. Aber doch ein wahrer.
Es ist also nicht so einfach mit den Anfängen. Ich neige mittlerweile bereits David Vanns radikaler Abkehr zu: Es gibt keine Anfänge. Vann reüssiert als Wildnisbewohner und Bärenbezwinger, Hüttenbauer und Jäger, Alaska- und Seefahrer, Ausreißer vor Frau und Familie, Mediävist und amerikanischer story-teller; kurzum- als jemand, der es wissen muss. Aristoteles´ Gleichung Anfänge sind die Hälfte von allem verträgt sich mit Vanns konstatierter Unermesslichkeit, wenn man bereit ist, für die Variabel von allem x=0 zu setzen. Ich bin es, irgendwie!
Und die Tage zerfließen. Entropie wird sein, sie nicht zurückholen zu können. Der Trauer um ein ungelebtes, in Zwischenwelten verbrachtes Leben gilt es vorzubeugen. Überhaupt: Seit jeher interessiert mich weit mehr das Ende. Das Ende birgt nicht bloß einen Zauber; unergründliches, schreckliches Geheimnis umweht es. Erfüllt mich mal mit freudiger Erregung, mal mit Grauen. Fordert und beflügelt. Lässt mich nie gleichgültig und ordnet meine Tage. Stellt mir Fragen von Tiefe (Was ist es? Wo ist es?) und alltäglicher Banalität (Wie lange noch?). Am Ende ist es da; die Zahnpastatube leer und es wird eine neue gekauft. Oder auch nicht!
Welcher Teufel nur ritt die sonst geschätzte Nachbarin, bei Wein und Käse den gemeinsam beobachteten Flug der Fledermäuse in der Dämmerung zu kommentieren mit: Und rubbeldiekatz is se verschwunden! Wir kennen uns ein Weilchen und auch sonst sehe ich nicht aus wie jemand, der in abendlicher Vertrautheit mit Zitaten aus dem Kleinkinderreservoir belegt werden möchte. So etwas verdirbt mir die gute Stimmung. Und das nicht nur wegen des Befremdens, welches mich rubbeldiekatz frösteln macht, wenn ich ohne jegliches Einvernehmen, bar jedes Einverständnisses auf bizarre Redensarten reagieren soll, sondern auch deshalb, weil ich zum Komplizen einer mittlerweile unerträglich um sich greifenden Infantilisierung einvernommen werden soll. Als würden die heute fähnchenschwenkend Corso hupenden und wegen eines Gegentores morgen flennenden Jungmänner allerorten nicht schon langen.
Erst wusste ich gar nicht so recht, was das heißen soll: rubbeldiekatz. Sprechpragmatischer Zusammenhang und semantische rubbel- Konnotation prägten aber dann umso nachdrücklicher die Intuition: Da muss es um ein neues Pflänzchen auf dem Wörterfeld der Zügigkeit gehen. Hier aber steht doch schon einiges herum? Bewährtes, Vernachlässigtes, Schönes. Es muss durchaus nicht immer schnell oder fix zugehen. Flugs und rasch wären ganz gut gegangen, wacker oder gar katapper hätten den Dialog um eine ironische Note bereichert, aber nein: Es musste ein Lehrstück geboten werden deutscher Biederkeit und Anpassungsbereitschaft an das allzu Forsch-Witzige, getarnt als Kinofilmtitel.
Zwischen zwei Alternativen war nun zu wählen: Rubbeldiekatziger Aufbruch oder fesseln der Nachbarin, füttern mit einer Handvoll Kieselsteinen und Stigmatisierung mittels eines Westerwellschen Pferdebrandstempels. In Ermangelung des Letzteren tat ich dann ersteres; meinen Wein trank ich aber doch noch aus. Der war gar nicht schlecht.
Zwei Tage später stellte sich dann exakt dasselbe Problem und zwar nach einem Gespräch mit dem Erzieher der Körper der Kinder meiner Klasse 7; Rubbeldiekatz waren die vom Schauplatz der regengepeitschten Bundesjugendstätten entwichen, hatten also Reißaus vor hiobmäßigem Unwetter genommen, weswegen nun klärende Hintergrundgespräche zu führen waren, denn so geht es ja nicht! Keinen Sportsgeist, die verweichlichten Zuckerschlecker.
Doch wie beraten mit einem Akademiker, der sich intellektuell an putzigen Wortspielereien für Vierjährige orientiert? Da kann er sich ja gleich in Micky-Mouse-Unterhose vor mich stellen und um ein Gespräch bitten. Schlimm genug, dass der Kindsgeist mir auch noch kräftemäßig überlegen ist, weshalb ich an grausame Züchtigungsmaßnahmen in diesem Fall nicht ernsthaft denken konnte. Meine Rache fiel entsprechend mau aus: Gesprächswünsche wegen Termindrucks nur in meinem Dienstzimmer nach vorheriger Vereinbarung mit der Sekretärin. Von wegen rubbeldiekatz mal eben so!
Mir erscheint es durchaus stimmig, das anstehende Viertelfinalspiel gegen Griechenland (gegen...; damit fängt es schon an! mit heißt es doch? Spielen mit...) als eine Stellvertreterauseinandersetzung zu betrachten, bei der mit Bandagen gekämpft wird, die den Milliardenjongleuren auf dem finanzpolitischen Parkett nicht zur Verfügung stehen und den verarmten Massen und BILD- infizierten Wut-Schnaubern schon gar nicht. Dafür fiebern sie ja so mit. Ich bin ein Anhänger der Theorie, dass Groß-Sportereignisse in erster Linie dazu dienen, Projektionsflächen zu bieten zwecks Aggressions- und Frustbewältigung, Triebabfuhr sowie Sublimierung gewalttätig-hetzerischer Impulse. Die Stellungnahmen der Trainer, auch wenn sie schon mal die Stahlhelme aufsetzen wollen, und Spieler belegen, dass sie sich dieser kultur-hygienischen Funktion ihres Tuns gar nicht bewusst sind. Letztenendes werden sie aber für nichts anderes bezahlt. Man lese nur einmal Javier Marias großartiges Schlachtenbuch.
Der Fußball repräsentiert aber auch sonst, teils auf das Subtilste, national- ja sogar regional- spezifische, mentale Charakteristika. Bayern München und Borussia Dortmund haben jüngst noch den Systemkampf geführt zwischen - ich scheu mich nicht, es offen auszusprechen - neoliberaler Denkungsart, der das Vertrauen in die Fähigkeiten des Einzelnen über alles geht, und quasi sozialistischem, bertimäßigem Korpsgeist (Ähhh, ich hab das ja, ähhh immer gesagt. Der Star ist die Mannschaft. Also die Mannschaft ist der Star und erst dann der Trainer!). Die Individualisten jedenfalls haben verloren. Man weiß es ja und ich denke, die meisten freut das recht herzlich! In Deutschland haben die Menschen nun einmal Probleme mit dem Gedanken, dass es begnadete Götter gibt und das wiederum ist irgendwie eine sympathische Aversion.
Auch die Holländer haben ja verloren. Leon de Winter meint, das läge an einem typisch niederländischen Wesenszug: Dem Egoismus. Schon kleine Kinder nämlich würden in den einschlägigen Bildungsanstalten zwischen Käserei und Tulpenbeet darauf getrimmt, stets den eigenen Vorteil zu suchen und sei es auch auf Kosten des Nachbarn. Wer Robben beim Fußball spielen zusieht, weiß, wovon der Mann redet. Der Hinweis auf die Erziehungseinrichtungen jedoch motivierte mich zu einem ganz anderen Gedanken: Fällt nicht auf, dass mit Spanien, Italien, Brasilien, Argentinien, Mexiko und Portugal sich Nationalmannschaften in der Weltspitze tummeln, die bei PISA allesamt zu den grandiosen Verlierern zählen? Während die Siegerstaaten um den so wichtigen Bildungsrohstoff - also Finnland, Südkorea, China, Kanada (und ja, auch Holland!)- diesbezüglich kaum eine Rolle spielen? Man will ja ermittelt haben, dass da nicht nur Bildungssysteme miteinander verglichen werden, sondern dass die Ergebnisse eng mit den Intelligenzquotienten der Bevölkerung korrelieren. Schadet also Denkvermögen beim Kicken? Vielleicht aber verhält es sich auch gerade andersherum: Erfolgreiche Fußballer benötigen geistig-mentale Ressourcen, die bei PISA schlicht und einfach unter den Teppich fallen. Insofern es sich dabei um Kreativität handelt, um Inspiration und Intuition... schade eigentlich. Sehr schade.
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.
Eigentlich ist da gar kein Sonnenaufgang. Eher ein Sonnenuntergang. Die Moderne dräut und droht, doch die Menschen paddeln noch in ihrer Jolle umher. Ein Bild Europas. Ein Bild des Umbruchs. Der Krise. Vielleicht des Aufbruchs, wer weiß das schon. Der Fahrensmann sicher nicht. Bevor er in seinem sicheren Hafen ankommt, gilt es nicht nur, die Globalisierung zu meistern, ökonomisch und sozial, sondern auch, ein, zwei Kriege zu überstehen, den moralischen Bankrott eines Kontinents zu meistern.
Die Sprache wiederzufinden!
Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.
Ja, der Zynismus. Gott ist tot. Schon lange. Und auch sonst ist nichts Heiliges mehr. Verspätetes fin de siecle. Aus dem Mythos wurde das Humane und aus ihm eine blasse Erinnerung. Die Freudsche Erzählung vom Menschen... ersetzt durch die experimentelle Studie! Introspektion, Projektion, Identität, im Labor als Mumpitz enttarnt. Zergliedert, zerredet, zermahlen: Jegliche Idee. Keine Berge mehr, nur noch Steine. Die aber überall.
Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um. (Rainer Maria Rilke, 1899)
Und müsst es wohl tun. Einfach, weil ihr es könnt. Es sei, was auf einen iPad passt. Die Vernetzung im Netz bleibt virtuell, folgenlos, im Kopf absent. Die Dinge: tot.
Der Mensch ist des Menschen Freund- vielleicht nicht immer, aber doch der wichtigste und zumeist der beste. Kern des Weimarer Anlasses wäre dieses, wenn ich einen herausschälen sollte. Tieferer Grund. Auch der prosaischen Reflektionen (Wissenschaft war´s ja doch nicht) über Gestein, Farben und Anatomie.
Doch wozu dieses manische Rückbesinnen auf griechische Helden, Frauen, Inseln, Familien, Stoffe, Küsten, Form? Edel, hilfreich, gut; sicher, sicher- doch wenig edel und gut ging es oft genug zu bei den Urworte sprechenden und Geometrie erfindenden Antiken, wenn Prometheus in Kaukasischer Einöde festgekettet sich täglich die Leber hat herauspicken lassen müssen vom hungrigen Federviech oder Achill im Tempelbezirk des Apoll raubt und vergewaltigt?
Und auch Iphigenie hatte es ja durchaus nicht schön im Tempelhain der Jagdgöttin Diane auf Tauris, beladen mit verfluchter Familiengeschichte, verschleppt in die Fremde, begehrt von geilen Kriegerhorden, ausgeliefert dem königlichen Jungmann, einsam und fragil beschützt bloß von einer imaginären, durch und durch imaginären Chimäre, eben Diane. Das Göttliche... ach Gott, ja sicher, aber Gott? Nicht bei Goethe.
Eine determinierte Iphigenie. Keine
Goethesche
Denken, Erziehen, Befreien. So schon eher. Iphigenie lässt sich nicht begrenzen, weder emotional noch intellektuell noch in ihrer Menschenfreundlichkeit. Nicht wegen ihrer traumatischen Familiengeschichte zerbricht sie, sondern trotz ihrer Familiengeschichte entwirft sie ein pädagogisches Therapieprogramm für Traumatisierte, seelisch Verwundete und emotional Verkrüppelte; wird heilsam für andere, erst für Bruder Orest, dann für König Thoas. Eine moderne Ärztin und Didaktikerin. Utopische Projektion? Sicher. Aber eine, die den Mythos belebt. Und eine, die ihm widersteht.
Die Feuerbach-Iphigenie: Trauer, Sehn-
sucht? Ja, aber keine Mauern!
Neben Iphigenie ist es die zweite großartige Frauenfigur im Oeuvre G.s, Makarie aus den Meister-Romanen, deren vordringliches Talent und Interesse der Erziehung eines neuen, eines besseren Menschengeschlechtes gilt. Eine späte Schwester der Iphigenie. Ideal, nicht idealisiert!
Auch Kassandra etwas weiter nordöstlich kämpft und leidet nicht weniger leidenschaftlich. Sie hat aber dennoch das Interesse Goethes nicht wecken können, oder nur wenig. Obgleich auch ihr Schicksal urtypisch wurde für das Schicksal und den Auftrag des modernen Menschen: Es besser zu machen, sich zu behaupten ohne Loyalität einzubüßen. Doch Kassandras Umfeld, ihre Bedingungen werden übermächtig. Ein Mythos daher wenig geschaffen für Weimar, eher für die Postrevolutionäre der Büchner-Zeit und Sozialapokalyptiker der Heißen und Kalten Kriege des 20. Jahrhunderts. Christa Wolfs Iphigenie-Cousine zerbricht an den Troja- Intrigen der Herrscherclique; Objekt gewordener Spielball in den Händen ihrer Feinde innerhalb und außerhalb der so geliebten Heimat. Determiniert durch und durch, ohne Hoffnung. Eine Anti-Iphigenie, mit deren Schicksal die Auseinandersetzung sich wieder mehr und mehr lohnt. Leider!
Wenn jeder überschüssige Euro, den die Krankenkassen einnehmen, auf Geheiß ihres obersten Kämmerers weder an die Beitragszahler zurückgezahlt noch für Ausgaben zum Zwecke gesundheitlicher Prävention, Behandlung oder Nachsorge eingesetzt wird, Grund ist, der FDP auch künftig eine Existenz im 2%- Bereich zu wünschen, gibt es tatsächlich 20.000.000.000 Gründe eben dafür. Diese Summe nämlich liegt auf der hohen Kante der gesetzlich-sozialistischen Kassenwarte des ach so chronisch unterfinanzierten, maroden Umlagesystems.
In Wirklichkeit gibt es natürlich noch viel mehr, also... Gründe, die Apotheker-Alimentierungstruppe in die staatliche Frühverrentung zu schicken. Zum Beispiel: Daniel Bahr.
Daniel Bahr heißt einer der Entscheidungsträger jener Sekte in Sachen Diskreditierung gesetzlicher Umlagesysteme . Daniel reüssiert als Gesundheitsminister sowie, hört, hört, als Marathonläufer, Skifahrer, Kletterer, Hobbykoch und Akteur weiterer zielgruppenaffiner Wow- Hobbys.
Ein duftendes Essen mit einem trockenen Wein, so verlautbart der Jungspund gimpelhaft auf seiner Webseite, stellt den denkbar höchsten Genuss dar. Na bitte. Natürlich selbstgekocht und im Kreise guter Freunde. Hinterher dann via apple-TV 14 oder 15 ausgewählte jpgs vom Paragliding-Wochenendtrip in die Dolomiten. Gell, Daniel?
Für die Münsteraner Yuppie-Idylle und damit gegen Restaurant und Kneipe sprechen aber weitere Gründe als fehlender Zugriff auf die heimische Mediathek. Es darf nämlich dort nicht mehr geraucht werden.
Die rot-grünen Gesinnungsstalinisten haben diese Kernräume deutscher Gemütlichkeit bekanntlich unter ihre Fuchtel gebracht und bangen seither um ihr Leben. Denn: Verbote sind erlassen worden, die fürderhin das freiheitliche Aushandeln von Regeln von Fall zu Fall ersetzen. Keine Orte sind das mehr, an denen sich liberal denkende, tolerante Bürger im Geiste zugewandter Dialogvernunft einigen dürfen. Würden Sie bitte die Zigarette ausmachen? Mich stört der Qualm und meine Frau krepiert gleich an Asthma. Oh, das ist tragisch. Ich schlage Ihnen sehr gerne folgenden Kompromiss vor...
Daniel Bahr (rechts im Bild) verrichtet Überzeugungsarbeit. Der frei-
heitlich-demokratische Geist erleuchtet die Szene!
Die Realität ist natürlich eine ganz andere. Ich habe zwecks Schließung der Lücke zwischen Ideologie und Wirklichkeit Daniel Bahr eingeladen, mit mir die Probe auf das Exempel zu machen und in Köln- Nord (damit ich nicht so weit fahren muss) das nämliche Bittgespräch in der theoretisch rauchfreien, praktisch aber blausäure- und teergeschwängerten Gastronomie zu suchen. Er hat sich dann aber von meiner Prognose des Teiles zwei des Gesprächs abschrecken lassen: Wenn´s dir nicht passt, verpiss dich, du Arsch! Und das wäre schließlich erst Raucher 1 gewesen. Mit 14 weiteren hätte der kommunikationsfreudige Gesellschaftsoptimist in ähnlich unfreundlichen Austausch treten müssen. Und das war selbst für den an den Umgang mit Niebel und Westerwelle gewohnten Fraktionär keine akzeptable Abendperspektive.
Nun denn: Ich habe unseren freiheitsliebenden Gebirgskater nicht nur aufgefordert, künftig dem Glauben abzuschwören und da alle Hoffnungen fahren zu lassen. Inständig bekniet habe ich ihn als sorgender Vater und Volkserzieher auch, er möge einmal einen kurzen Blick werfen auf den Briefkopf der Behörde, der er vorsteht und sich von einem seiner B-14- Staatssekretäre ein knappes Impulsreferat halten zu lassen zum kritischen Zusammenhang von Gesundheit und Drogenkonsum. Zur Not würde ich gerne mit Personal aushelfen: Aus dem Ärmel schüttle ich ihm 6 oder 7 Acht-Klässler, die aufgrund ihres projektunterricht-gestählten Wissens(!) geeignete politische Perspektiven aus dem Stehgreif entwerfen. Aber so weit reicht die Dialogbereitschaft dann natürlich doch wieder nicht!
Heute ist der Tag von die Muttersprache. Ich finde, das ist eine sehr ausgezeichnet Wettbewerb. Wenn alle Menschen wieder stolz werden für die Sprache, wird sie stark gestärkt. Sie rückt wieder in den Focus und das ist so gut. Wir müssen sehr bewusst performen mit unsere Sprache und da mehr abilities kreieren. Nur so könne wir auch Vorbild bekommen für die jungen. Oder willst du sale? Also ich sicher nie. Ruhig mal sagen Et hätt noch immer jut jegange statt Da passiert schon nix. Make it! Ciao. ce ya!
Angela Merkel tat und sagte in jünger Vergangenheit zwei ausgesprochen merkwürdige Dinge. Zum einen, dass der eben noch bis aufs Blut befeindete Joachim Gauck nun doch kurzfristig Bundespräsident spielen solle. Wahrscheinlich ist das eine ganz gute Wahl aber die Entscheidung und wie sie zustande kam- schon seltsam. Es wird da gar nicht mehr der Versuch gemacht, so zu tun, als gebe es wenigstens noch ansatzweise freie Wahlen, Pluralität oder sonst irgendwie geartete demokratische Strukturen bei der Besetzung dieses Amtes, innerhalb derer einmal gemeinsam gedacht, diskutiert und abgestimmt werde. Denn noch während CDU- Fürsten landauf landab ebenjenen Gauck ausschlossen mit der nicht ganz von der Hand zu weisenden Begründung, das sei nach der Vorgeschichte demütigend für die Partei und im Übrigen sei Gauck ein Grün- oder noch schlimmer: FDP- Mann, hockte die Krisen-Lady im Kanzleramt und rief den verdutzten Ex-Pfarrer an, der seine ersten Gespräche in dieser Angelegenheit nach eigener Aussage ungewaschen, sprich: völlig unvorbereitet führte. Der Hintze-Kopf (noch so ein Pfarrer... Gibt´s denn keine Lehrer mehr im Parlament?) war noch gar nicht abgekühlt von all den wulffigen Schlachten in den Berliner TV- Studios.
Das Votum ebenjener CDU-Granden jedenfalls, geschweige denn jenes der Parlamentarier scheint da wirklich niemanden mehr zu interessieren; jedenfalls niemanden, der etwas zu sagen hat, also A.M. Hintze... na gut- aber ich hätte doch gedacht, dass es schon noch irgendwo das eine oder andere Schwergewicht geben würde. Wie man sich täuscht... Ganze Arbeit gemacht, Madame!
Etwas länger zurück liegen eigenartige Verlautbarungen Merkels zu dem innerparteilichen Vorstoß, demzufolge Kinderlose eine Abgabe zahlen sollten, da sie in überproportionaler Art und Weise von Sozialtransfers profitierten ohne aber selbst für entsprechende Einnahmen zu sorgen. Merkel war sogleich zur Stelle und hielt es für wenig zielführend, Menschen einzuteilen in kinderlose und Kinder habende. Interessant, interessant- impliziert diese Formulierung doch, dass es ein nämliches Ziel gibt (also offenbar jenes, Familien mit Kindern besser zu stellen), der aktuelle Vorschlag aber die geeignete Methodik zu seiner Erreichung noch nicht darstelle. Interessant aber auch, weil ich beispielsweise es mein Leben lang gewohnt bin, entweder als Kind oder als Vater taxiert zu werden. Und zwar spätestens immer dann, wenn der Staat mit mir in Kontakt zu treten wünscht, etwa als steuereintreibende Behörde.
Mütter wären sicherlich erfreut, wenn der Staat als Arbeitgeber im Sinne des Kanzlerinnenwortes auf derlei Differenzierungen künftig verzichten könnte und Karrierewege nach Kinderzeiten offen hielte und solches auch von anderen Arbeitgebern verlangte. Wenn der Behördenleiter oder die Personale sagten: Ja, Sie haben nun zwar neun Jahre wegen Ihrer Kinder in Elternzeit verbracht aber es ist nicht zielführend, Sie deshalb nicht mit erweiterten Aufgaben zu betrauen und Sie mit einer höheren Besoldungsgruppe zu belegen.
Die besagte Unterscheidung ist also gewissermaßen die normalste, die sich nur denken lässt und fest verankert in unserem Gemeinwesen. Wer das als Kinderloser nicht glaubt, führe einen einfachen Selbsttest durch: 3-jähriges Kind ausleihen und um 19.30 Uhr für zwei Stunden beim Italiener einkehren. Da bekommt man rasch praktischen Anschauungsunterricht in Sachen Zielführung. Mitgäste und Angelo werden auf Gezappel und Ich-will-Cola!- Geplärre sicherlich nicht gutmütig mit einem Es ist nicht zielführend...- Verständnis reagieren (jedenfalls, wenn man nicht gerade Bundeskanzlerin ist). Dafür garantiere ich. Wie gesagt: eigenartige Dinge spricht die Frau. Das empfinden nicht nur griechische Premierminister so.
In der Folge des Merkel-Diktums dann sofort eine Flut von Kommentaren und Leserbriefen der Wut-Bürger; heilige Entrüstung, wo man las. Man vergesse ja wohl herzlos all die Millionen von ungewollt Kinderlosen, die nun durch Zwangsabgaben auch noch bestraft würden! Dies der Tenor. Eine solche Überinterpretation muss die Kanzlerin nicht auf die Narrenkappe nehmen. Von Strafe hat sie nicht gesprochen. Sie nicht.
Und um Strafe geht es auch nicht. Es geht in volkswirtschaftlichen Fragen in erster Linie um leidenschaftslose Mathematik. Hier um die Frage, ob der Saldo der Kinderlosen günstiger ist im beschriebenen Sinne. Keineswegs geht es um Sanktionen oder um die Bewertung von Lebensentwürfen.
Es mag sich dann bei einer solchen Betrachtung ergeben, dass der Vorschlag ungerecht ist (obwohl auch dies so ein seltsames Kriterium ist im Politischen, denn Gerechtigkeit ist doch wohl nur in egalitären Systemen realistisch, die aus anderen weltanschaulichen Gründen niemand will!); doch all das aus Leidenschaft und impulsiver Empörung schon vorab wissen zu wollen, erscheint mir geradezu merkelmäßig merkwürdig.
Der Karnevalist ist ein Täter. Einer, der im Sinne seiner Bezeichnung Fleisch wegnimmt. Was immer das bedeuten soll. Er ist jedenfalls ein enger Verwandter des Pfarrers, auch wenn der Fleisch gibt. Jedenfalls manchmal und jedenfalls im übertragenen Sinne.
Der Pfarrer ist nicht nur Verwandter, sondern sogar der Bruder des Karnevalisten und zwar im Geiste des Hintersinns. In Köln weiß das jeder und bis in die Spitzen der jeweiligen Ständevertretungen würde niemand das ernstlich bestreiten. Denn siehe:
Da gibt es den Hang zum Verkleiden. Der Jeck findet Distanz zu sich und seinen lästigen Alltagsrollen, indem er sich fremde, meist lächerliche Identitäten schafft, zum Beispiel die Bart Simpsons, einer Whiskeyflasche oder eines Straußes. Auch der Geistliche tut nämliches oder doch ähnliches: Das feminine Sakralgewand versteckt den Menschen und kreiert eine Botschaft. Bei all dem lächerlichen Aufputz sticht ins Auge das Bärbeißige. Ach, wie sicher ist man sich seines Tuns und wie unnachgiebig gegenüber denen, die da nicht mit wollen. Die Toleranz hört hier ganz schnell auf und dort die Freude am Menschen.
Die Räume, in denen man agiert und wirkt. Sicherlich- da gibt es den freien Himmel der Umzüge und der Straßenanarchie. Aber auch die kirchlich-festlichen Sakralsäle der rituellen, karnevalistischen Liturgie. Vorne die Prominenz, hinten das Fußvolk. Den Vertretungsanspruch. Seine, des Volkes, Stimme ist tatsächlich die Stimme Gottes behauptete Prä-Jeck Rousseau und meinte sicherlich so ungefähr dasselbe.
Das Wissen um den Rausch. Um die Magie, die Indoktrination, das Kreatürliche. Ein Hosianna, ein Kölsch, das Oratorium, die Sambatrommel, Weihrauch, das Röggelchen, das Glöckchenspiel, die Bekenntnisse, der Tambourchor, der Hofstaat, die Messdiener, die Büttenrede, die Predigt, die Kamelle, die Hostie. Die Faszination des Massenerlebnisses. Zusammen erfahren wir Gott (denn um anderes geht es nie) - Amen. Alaaf.
Kapitäne, Minister und Präsidenten müssen erklären, warum sie nicht ins Wasser, sondern praktischerweise gleich ins Rettungsboot fielen, warum dutzende Neubeamte mit FDP-Parteibuch besser geeignet für die Aktenverwalterei sein sollten als ohne oder warum verbilligte Hauskredite und geschenkte Luxusreisen keine Vorteilsannahme darstellen. Sie winden sich allerliebst, das Publikum buuuht pflichtschuldig und fühlt sich im Übrigen irgendwie berührt, jedenfalls unterhalten.
Wer verrichtet aber in der Zwischenzeit eigentlich die doch sicherlich recht anständig dotierte Tätigkeit? Bleibt Zeit bei all dem Lamentieren, Erläutern und Verteidigen, um zu arbeiten? Ich vermute, das ist nicht so und ich vermute auch, dass das nicht weiter schlimm ist.
Eine Reiseindustrie, die auf Jet-Set- Kähne setzt, von denen allein die deutsche AIDA-Flotte 10 unterhält, die gemeinsam einen jährlichen Dieselausstoß im Gesamtumfang aller deutschen PKW fabrizieren, wird schon noch irgendwo einen Beau finden, der rasch umschult auf Kapitän. Und Entwicklungsministerium sowie Bundespräsidialamt können von einer Auszeit ihrer Hausherren eigentlich auch nur profitieren.
Insbesondere im Zusammenhang mit den beiden letztgenannten frage ich mich aber wieder einmal: Wie sieht´s denn eigentlich aus mit Opposition? Ich vermisse jeglichen Versuch, diesen ungeheuerlich dilettantischen Materialisten einmal etwas Substanzielles entgegenzusetzen. Also etwas, das hinausgeht über Rücktrittsdiskussionen oder die Erbsenzählerei weiterer Details und immer neuer Unappetitlichkeiten. Das Grundmuster ist nun wirklich hinlänglich bekannt: Niebel ist nicht nur ein arger Unsympath, sondern ein übler Vetternwirt, der, bevor auch sein Schiff kentert, seine Auslese trifft. Und Wulff ließ und lässt sich teuer dafür bezahlen, dass seine Günstlinge in seinem Lichte baden dürfen. Neue Pointen sehe ich da nicht.
Was ist links? fragte Wolfgang Koeppen. Mit der Antwort tat er sich schwer aber immerhin stellte er sein Schreiben in den Dienst einer unterprivilegierten Klasse (die das im Zweifel 1950 genauso wenig zu goutieren wusste wie heute!) und wandte sich ausdrücklich gegen Intoleranz und Raffgier. Koeppen war hellsichtig genug, um das Grunddilemma einer links-progressiven Haltung im Rahmen einer prosperierenden, bürgerlichen Umgebung deutlich zu erkennen: Das Auskommen ist und bleibt wesentliche Triebfeder des täglichen Tuns, also im Falle des Schriftstellers die Schriftstellerei- und sei sie noch so ambitioniert. Wasser predigen, Wein trinken. Die Verlockungen sind da stärker als die Überzeugungen, jedenfalls- im günstigen Fall- ein bisschen.
Links sein aber bedeute, so Koeppen, doch vor allem auch die bewusste und konkrete Integration in umgebende Beziehungszusammenhänge. Sozialismus ist, sich (und nicht nur Kapital oder neuerdings: Schulden): zu sozialisieren. Didaktischen Ideen in der Schule von der Organisation eines partnerschaftlichen Miteinanders brachte das daher immer reflexhaft Ideologievorwürfe ein.
Koeppen sieht den Linken links im unmittelbaren Lebensvollzug und da hapert es natürlich hinten und vorne. Wer ist, außer den Nazis oder der Porsche-Fan-Clubs, schon noch bereit, im Geiste einer Idee sich gemeinsam zu sammeln und zu arbeiten (welch garstiges Wort!). Bin ich es? Ganz sicher...
Nun gut- Koeppen hinzufügen könnte man da sicherlich so einiges, zum Beispiel, dass linke Positionen sich speisen aus historischen Zusammenhängen. Der SPIEGEL will ja ganz offenbar nicht mehr als links gelten, früher war das aber sicherlich anders und das Bekenntnis zur Historizität gibt es auch heute noch überdeutlich.
Links sein heißt in der Summe also sicherlich sehr viel mehr, als den Links-Klick auf den itunes-Store zu unterlassen. Eine linke Kritik müsste eine öffentliche Debatte anstoßen, ob politische Spitzenämter tatsächlich mit Menschen besetzt werden sollen, die weitgehend ahistorisch- antiintellektuell, dafür offensichtlich weder in festen politischen, religiösen oder sonstigen Mentalitäten verankert sind? Ob pragmatische Manager ihrer selbst nicht besser in der Deutschen Bank oder im Dschungelcamp aufgehoben sind? Ob das Politische nicht immer auch das Geistige fordert?
Wer nun aber mit links sein in allererster Linie eine Position auf der Autobahn assoziiert, wird wohl auch in Zukunft die falschen Fragen stellen.
Layout by ichichich.