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E.ON baut im winzigen Datteln ein riesiges, ein gigantisches Steinkohlekraftwerk. Rechtsgrundlage ist ein Genehmigungsbescheid der zuständigen Bezirksregierung Münster, der im Verlaufe von fünf Jahren in allen wesentlichen Bereichen gefleddert wurde; von Eigentümern der betroffenen Parzellen, vom BUND, von den befassten Instanzen bis hinauf zum Bundesverwaltungsgericht.
Im Wesentlichen sind es drei Einspruchlinien. Der BUND bemängelt eine exorbitante Schadstoffemission einerseits sowie Nichtbeachtung der Auswirkungen auf das sogenannte Flora-Fauna-Habitat andererseits. Ich selbst habe vor einigen Jahren gegen ein Bauvorhaben in meiner Nachbarschaft geklagt, bei dem ein Bauernhof zu einem Gutshof i.e. exklusivem Wohnraum für Pendler an die Düsseldorfer Königsallee umgebaut werden sollte. Der dringende Rat des Rechtsanwaltes war, die Belange einer seltenen, bedrohten Fledermausart ins Feld zu führen sowie einer dort ansässigen Krötenfamilie und ein entsprechendes Gutachten einzuholen; ersatzweise Denkmalschutzgründe anzuführen. Belastungen, gar zu erwartende Gefährdungen, die sich aufgrund einer spezifischen Verkehrsführung vor allem für anwohnende Kinder ergaben, interessiere das Gericht nicht und seien nicht geeignet, Kompromisslösungen zu erzwingen. Eine Einschätzung, die sich als richtig erwies. Insofern macht sich der BUND durchaus nicht lächerlich, wenn er in Datteln ein Milliardenvorhaben unter Hinweis auf die Lurchpopulation vor Ort zu stoppen sucht; man tut eben mit, passt sich geschmeidig an die Spielregeln an, die überall dort gelten, wo keine Verwaltungsrichter, Bezirksregierungsdezernenten- und präsidenten oder Industriefürsten wohnen.
Und das ist im armen, provinziellen Datteln nicht der Fall. Hier wohnen viele Bauern und einer von denen kann mit dem Zollstock umgehen. E.ON, so ermittelte er bei Felduntersuchungen vor Ort, halte sich nicht an den genehmigten Bebauungsplan, sondern erweitere eigenmächtig das zu bebauende Gebiet und setze den Zaun auf seinem eigenen, also des Bauern, Land. Klage, jahrelanges Verfahren und eine Entscheidung: E.ON hält sich nicht an Recht und Gesetz, die Bezirksregierung vernachlässige das Öko-Habitat und insgesamt: Die Kläger haben Recht! 1.000.000.000 Stromkundengeld in der westfälischen Pampa versenkt. Fortgang: ungewiss
Köln-Süd: Die größte Erdöl-Raffinerie Deutschlands bei Shell leckt. 1.000.000 l Giftbrühe, extrem toxisches Kerosin, gelangt ins Erdreich und verseucht Hektar-weise Land. Man setzt einen Brunnen, um abzupumpen. Externe Gutachter werden nicht auf das Werksgelände gelassen, da es dafür keine rechtliche Grundlage gibt. Also gibt es auch keine unabhängige Expertise zu der Frage, ob das Machbare, das Ausreichende getan wird. Unterdessen breitet sich der unterirdische See weit über das Werksgelände aus und droht das Grundwasser privater Haushalte zu verseuchen, doch wie gesagt: auf Gedeih und Verderb sind hunderttausende Anwohner auf Kooperationsbereitschaft und Wohlwollen der chemischen Industrie angewiesen. Und an denen fehlt es, natürlich. Immerhin werden auf nachdrücklichem Drängen diverser Bürgerinitiativen weitere Brunnen gesetzt und eine Schätzung abgegeben: 100.000 l habe man wohl schon gesichert!
Alldieweil bereitet der Grüne Umweltminister ein Gesetz vor, das alle privaten Haushalte zu einem sogenannten Kanal-TÜV verpflichtet. Es handelt sich um eine unter Umständen sehr teure Prüfung des hauseigenen Abwassersystems, auf dass auch bloß kleinste Kondensmengen ungefilterten Hausabwassers nicht ins (private) Erdreich gelange. Das wird durchgesetzt. Knallhart. Die Umwelt ist schließlich grünes Kerngeschäft.
Eine bergische Kommune bekommt aus Bundesmitteln 5.000.000,-€ und hat sie zweckgebunden auszugeben. Diesmal sind keine Straßen zu bauen wie sonst immer (und drücke der Schuh anderswo auch noch so sehr), sondern eine Schule. Eine Sekundarschule soll´s sein, entscheidet der Stadtrat, also dieses SchulGeL- Ding, wie die Bezirksregierungen sie nennen; Schule des gemeinsamen Lernens, NRW- Schlagetod von Haupt- und Realschule. Doch dann... die Kundschaft bleibt aus. Das Volk verweigert der grünen Avantgarde die Gefolgschaft. Es besteht auf Selektion nach Klasse 4 in Haupt- und Realschule. Vorzeitiges Abwickeln des schmucken Neubaus aber bedeutet Rückzahlverpflichtung der verbuddelten Mittel. Was nun?
Wer weiß, wie Schulpolitik in diesem von Dilettanten und Krämerseelen verwalteten Bindestrichland simuliert wird, ist nicht überrascht: Die Konkurrenz, also die Realschule, wird dicht gemacht! Einfach so. Quasi über Nacht. In schlechtester Planwirtschaftsmanier zwingt die Bürokratie ins unbelebte Biotop. Vielleicht hilft die Episode ja wenigstens, den jährlichen Steuerbescheid besser zu verstehen.
Gestern trafen sich Kölner Verlage und Buchhändler im Literaturhaus, um cora publica über die Zukunft ihrer Zunft zu sprechen. Es gibt gemeinsame Anliegen, denn das Gewerbe ändert sich insgesamt, was in erster Linie mit veränderten Lesegewohnheiten der Kundschaft zu tun hat.
Vor 10 Jahren hielten es die rheinischen Platzhirsche Thalia, Gonski und vor allem die Mayer´sche noch für strategisch unverzichtbar, auf möglichst großen Innenstadtflächen anzubieten, einige Zeit sogar jeweils in zwei benachbarten Häusern. Mittlerweile sind 50% dieser Geschäfte abgewickelt und zwar auffälligerweise gerade am Schnittpunkt Schildergasse - Hohe Straße; einer der am stärksten frequentierten Innenstadtlagen überhaupt.
Kleinere Buchhandlungen hingegen halten sich ganz gut, so wie die traditionsreiche Lengenfeld´sche, oder entstehen sogar gleich ganz neu, wenn auch nicht unbedingt im Kern der Stadt, sondern um einen Radius von einigen hundert Metern um ihn herum. Sie zählen auf einen treuen, feinen Kundenstamm. Es handelt sich beispielsweise um so originell spezialisierte Häuser wie ein ausschließlich Kartenwerke anbietendes am Zülpicher Platz, die berühmten Kunst-DuMonts auf der Ehrenstraße oder diverse Krimibuchhandlungen im Belgischen Viertel. Eines von ihnen, betrieben von Thilo Sarrazins Bruder Manfred, schließt leider in diesen Tagen; dies aber krankheitsbedingt oder besser: sterbensbedingt. Eine traurig-schöne Geschichte übrigens, aber auch eine ganz andere.
Man ahnt es, das E-book setzt dem Markt zu. Stoffloses Dateizeugs, wegen dem niemand mehr ein Geschäft betreten muss, um Gewicht und Form auszuwählen. Amazons Idee ist einfach (gut): Bei uns gibt es alles. Also nicht nur alles mögliche, sondern buchstäblich alles. Und alles andere im Buchladen am Neumarkt. Schwierig also, da mitzuhalten, zumal Amazon künftig auch noch ins Verlagsgeschäft einsteigt, also die Kernkompetenz so stolzer Häuser wie Taschen, Hoffmann & Campe oder Kiepenheuer & Witsch, nämlich Auswahl und Lektorat, angreift. Taschenbuchverlage werden künftig kaum noch existieren können, weil ältere Texte online schon heute wesentlich preiswerter angeboten werden und klassische vielfach sogar kostenfrei, nämlich dann, wenn es sich um mindestens 80 Jahre alte Werke handelt. Ein Taschenbuch kauft aber auch heute kaum noch jemand, wenn mehr als 9,80,-€ zu bezahlen sind. Platzersparnis im Bücherregal, Suchfunktionen und Lesekomfort tun ein Übriges, um sich für das digitale Gerät zu entscheiden.
Die Verkaufsflächen schmelzen also dahin und die Verlage reagieren auf die Verschiebung in der Mediennutzung. Bastei-Lübbe wird künftig kostenpflichtige Kurzweiltexte im Internet anbieten, versehen mit Cliffhangern am Schluss und dem Versprechen einer zeitigen Fortsetzung. Wie mir scheint, eine stimmige TV-Serien-Adaption. Helge Malchow, die KiWi-Chef, experimentiert bereits mit Testballons im Netz. Online-Resonanz statt Redakteurs-Kompetenz: Abstimmung über die Erstellung einer Analog-Fassung der User-Leser mit den Füßen. Diktat des Marktes, neoliberale Notwendigkeit.
Denn tatsächlich müssen sich die Häuser etwas einfallen lassen, wollen sie sich nicht überrennen lassen wie einst Apple von Microsoft und später dann Microsoft von Apple, Google und Facebook. Die Entwicklung ist nämlich nicht zu leugnen; das E-book gewinnt mit einem immer breiteren Angebot, vor allem auch an praktischen, eleganten und bezahlbaren Lesegeräten, weiter an Boden. Attraktive Ergänzungsangebote wie Bertelsmanns E-book-Verleihportal skoobe erhöhen die Akzeptanz beträchtlich.
Die Amazonisierung des Buchmarktes schreitet also voran, doch Vorsicht! Für die Leser bedeutet das nur solange nicht gleichzeitig auch einen enormen Texte-Qualitätsverlust, wie es auch kompetente, gewachsene Verlagshäuser gibt, die für den Content sorgen. Was, bitte schön, sollte ich mir auf den Kindle laden, hätte es das jahrzehntelange Ringen der Familie Mann mit dem Verlagshaus Fischer nicht gegeben? Die Vertriebswege ändern sich, dürfen sich ändern. Leser werden aber auch zukünftig auf Verlagsarbeit angewiesen bleiben. Sie sollte ihnen wert sein und wert bleiben.
Layout by ichichich.