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Ich war nie so recht ein Freund des Martin Walser. Mir kommen seine Prosa-Predigten immer arg gestelzt daher, konventionell im Erzählstil und dröge im Plot. Ich sympathisiere mit der Einschätzung Reich-Ranickis, das sei eigentlich gar keine Literatur, was der Bäckerssohn da verzapfe. Eher konzeptionelle Reflektionen über dies und das, gerne ja auch einmal mit Anleihen in naturwissenschaftlicher Sphäre.
Umso anregender für mich nun ein Interview, welches der Bodensee-Priester anlässlich des herbstlichen, mehr und mehr seltsamen Literaturtreibens in Frankfurt dem lokalen Werbe-Blättchen (Top Medium im Bereich regional print) gewährte. Walser bezeichnet sich selbst dort als Muttersohn. Das sei seine treffliche Charakterisierung. Er verwahrt sich gegen Muttersöhnchen und konstatiert, dass es nur Deutschen einfalle, die enge Bindung an die Mutter mit hämisch-höhnischer Verniedlichung zu belegen. Mir gefällt der Gedanke, dass ein Wortsetzer tagelang über solch semantische Details sinniert.
In seinem nächsten Buch, so erfährt der devote Fragenmensch, wird Gott gesucht und... nicht gefunden- was sonst! Würde er gefunden... ja, das wäre mal was. Ich sehe ein: das brächte so einen Autor natürlich in schier unüberwindliche dramaturgische Schwierigkeiten. Trotzdem, ich bleibe dabei: Man läse solches einmal gerne: Wir standen nebeneinander an der Sandwich-Theke und ich erklärte IHM umständlich, wie ein Sub bestellt wird. Entgeistert besah ER sich die schmierige Zutaten und bröseligen Brotfragmente. So in der Art.
Nach Lektüre Karl Barths und Augustinus´ fühlt jedenfalls M.W. sich inspiriert zu einem theologischen Stoff, weil deren Theologie der Hoffnungslosigkeit geeignet sei, Trost zu spenden und spirituelle Bedürfnisse aufgeklärter Menschen zu befriedigen. An Gott glauben, aber jede Hoffnung fahren lassen: Das klingt vielversprechend. Vielleicht doch noch mal Zeit, sich predigen zu lassen.
Ein paar Wochen ist es her (FAS vom 15.08.2011), dass Frank Schirrmacher die perversen Geldmarkt- Kapriolen der globalisierten Finanzgeier als wirkungsmächtiges Resoziali-sierungsprogramm für die Linke bezeichnete. Haben die Linken doch Recht gehabt? stellte er damals sein sicherlich mühevoll erkämpftes und lange Zeit gegen alle möglichen Anfechtungen verteidigtes Weltbild infrage und mit ihm zugleich die in Generationen gewachsene bürgerliche Ideologie. Suggerierte Antwort: Ja, haben sie. Erstaunlich genug für das Resümee eines FAZ-Herausgebers.
Erst recht bemerkenswert an Schirrmachers Injurien ist, dass er bei den Klagen über die ungezügelte Gier einer hemmungslosen Abzocker-Kaste mitsamt dienstfertiger Polit- Akteure nicht stehen bleibt. Er konstatiert vielmehr einen einhergehenden Verfall bürgerlich- sittlicher Grundwerte: Der Banker als ungebildeter, unmanierlicher, roher Geselle, der zum Selbstzweck erst das Gemeinwesen in seinen Grundfesten erschüttert und dann, wenn er scheitert und der Rettung bedarf, nicht einmal den Anstand (als klassischer Bürgertugend schlechthin) aufbringt, sich zu entschuldigen, Demut zu zeigen- von Dank ganz zu schweigen. Dann die Politikerin (gemeint ist in erster Linie die Kanzlerin), die weder Kraft noch Willen zeigt, moralische Verantwortung einzufordern- vielleicht sogar als notwendige Vorbedingung für jedwede Hilfe. Die also auch die psychologischen Befindlichkeiten ihrer Wählerklientel kaum kennt, kaum einschätzen kann- offenbar: Kein Wort, nichts, niemand!
Gerade diese gewissermaßen ästhetische Dimension hatte ich in der Tat in all den Kommentaren und Talks zum Thema seltsam unberücksichtigt gefunden, auch wenn ich zu eben jener angesprochenen Klientel nicht unbedingt zähle.
Ein fulminanter Text ist das jedenfalls, eine Sternstunde für die Zunft politischer Korrespondenten. Klug und ehrlich in der Analyse, Mitleid erregend im durchschimmernden Leid am Zustand einer großen Idee (meinetwegen einer Ideologie), der der Autor jahrzehntelang leidenschaftlich anhing und der die FAZ gewissermaßen ihre Existenz verdankt. Mich hat´s damals beinahe von der Sonnenliege gekegelt...
Im Schwesterblatt (FAZ am 29.09.2011; Archivartikel Die sanfte Steuerung der Bildung leider kostenpflichtig) nun aktuell eine vergleichbare linke Systemkritik und zwar in Form einer unumstößlichen, radikalen Analyse der Bedingungen, unter denen die sogenannten Reformen des Bildungswesens in den vergangenen 11 Jahren vorgenommen wurden. Jochen Krautz, Fachhochschullehrer am Fachbereich Bildungswesen der Alanus-Hochschule/Bonn, legt dar, wie unter Federführung der Bertelsmann-Stiftung Verbände und Politik die diversen Schulleistungsstudien für ihre Zwecke deuten und aus diesen Interpretationen einen utilitaristischen, auf ökonomische Verwertbarkeit gerichteten Bildungsbegriff ableiten, den sie dann mithilfe professioneller Lobbyarbeit in Politik und Verwaltung verankern. So wird, anstatt sich kritisch und konstruktiv mit den Ergebnissen der Studien zu befassen und ggf. geeignete Konsequenzen zu entwickeln, eine "neue" Wirklichkeit geschaffen, ein neues Paradigma der Bildung- umrissen mit den Begriffen Kompetenz und Flexibilität. Eine demokratische Legitimation oder auch "nur" pädagogische Notwendigkeit dafür besteht nicht.
Das geht soweit, dass Arbeitsgruppen der Stiftung Kommunikationsstrategien für den Umgang mit sogenannten Veto-Playern, also potentiellen Protestlern, ersinnen. Die Spaltung der Opposition wird zu diesem Zwecke strategisch betrieben, indem hier diffamiert und dort umschmeichelt wird. Propaganda at it´s best! Anpassung, insbesondere der Universitäten, an arbeitgeberfreundliche Bildungsstandards ist das höchste Ziel.
Die Konsequenzen eines solchen Paradigmenwechsels in der Bildung liegen offen zutage- die PISA- Reformen an den Schulen fruchten nicht, weil bloßer Kompetenzerwerb fehlendes Wissen nicht ersetzt und Verwaltung keine Pädagogik. Die Bologna-Reformen an den Universitäten können nach nur ein paar Jahren getrost als gescheitert gelten; nicht nur die Ingenieure wenden sich mit Grausen ab und verlangen ihr Prädikat "Dipl-Ing" zurück. Auch Lehrer und Juristen wehren sich gegen ein Schmalspurstudium, in dem reine Gedächtnisakrobatik betrieben wird und kein Platz mehr bleibt für argumentative Entfaltung, Dissenz und Rhetorik.
Veto-Player also allerorten. Ganz so tot wie oftmals behauptet scheint die Kulturkämpfergeneration der 60er- und 70er- Geister noch nicht zu sein. Dass ihr Zentralorgan die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist; das ist allerdings neu!
Deutschland, so heißt es immer, mag seine Immigranten nicht so gerne. Zumindest dann nicht, wenn sie dunkler Hautfarbe sind, türkisch sprechen oder dem Koran anhängen. Dass das aber ganz anders aussieht, zeigt der Fall eines jungen Brasilianers in München. An ihm lässt sich zeigen, dass wir Deutsche im Grunde doch gastfreundliche Leute sind, hilfsbereit, empathisch und großzügig.
Es fängt schon damit an, dass alle Welt besagten Migranten mit Kosenamen nennt: Breno. Breno darf im teuersten Vorort der teuersten Stadt unserer Wohlstandsrepublik leben- in Grunewald/München, obwohl er als 21-jähriger Gastarbeiter per se nicht das allerhöchste Sozialprestige genießen sollte- meint man... aber: siehe oben!
Hier im schönen Reichenquartier also bewohnt der Fremdarbeiter eine Villa. Finanziert wird ihm das von seinem Arbeitgeber, der ihm für recht ordinäre Ausputzerdienste eine jährliche Apanage in mehrfacher Millionenhöhe zahlt- von wegen Mindestlohn und so! Um Breno das Arbeiten überhaupt erst hier bei uns zu ermöglichen, setzte man Himmel und Hölle in Bewegung, beschaffte in Rekordtempo eine Arbeitserlaubnis für nicht EU- Ausländer und quartierte ihn samt familiären Anhang für die Zeit des Bewerbungsverfahrens in einem teuren Hotel ein.
Ich meine, ist das vielleicht ausländerfeindlich? Diskriminierend? Breno steht ja sogar ein eigens für ihn abgestellter Dolmetscher zur Verfügung, damit er die dienstlichen Anweisungen seiner holländischen, französischen, belgischen und deutschen Abteilungsleiter versteht. Nicht mal Deutsch können muss er!
Sicher, straffällig gewordene Migranten gehören bei uns nun einmal in den Knast und auch Freund Breno fuhr kürzlich ein, nachdem er unter ungeklärten Umständen seine hübsche Villa (zugegeben: In Köln-Seeberg würde man einfach "Haus" sagen!) abfackelte. Wie aber reagiert das ach so ausländerfeindliche Deutschland? Gibt es einen Sarrazin- Hetzbeitrag in der Welt? Fordern die aufrechten Demokraten und Sportlehrer von PI oder wenigstens Henrik M(oral) Broder härtere Strafen für Gesindel? Ausweisung, vermehrte Bereitschaft zur Integration in die rechtstreue Aufnahmegesellschaft? Nein, nichts dergleichen. Stattdessen: Brenos Chef kratzt und beißt für ihn im Fernseh- Gespräch, macht die Legislative nieder für den gemeinen Rechtsmissbrauch!
Fachliche Expertise entfaltet der vorgesetzte Würstchenbaron allerdings eher, wenn es um das Runde geht, das ins Eckige muss. Besonders überzeugend wirkt der gute Mensch also leider nicht. Sogleich aber springen ihm alle möglichen Kapazitäten bei aus den juristischen und medizinischen Fächern und zwar nicht irgendwelche! Der Direktor eines Max-Planck-Instituts höchstselbst sucht Breno im Gefängnis auf, um ihn zu untersuchen und dienstfertig zu bescheinigen: Der gehört nicht hierhin, der arme Mensch, sondern nach draußen. Am besten auf´s Fußballfeld, wo er bei viel Bewegung Gutes tut, anstatt im muffigen Kittchen vor "die Hunde zu gehen". Eine leibhafte Rechtsprofessorin aus dem 1000 km entfernten Kiel hilft ebenfalls: "Unhaltbar, skandalös, Missbrauch."
Worüber, so frage ich als neutraler Bürger und zahlender Zeitungskunde, beschweren sich die Einwanderer eigentlich? Mehr Solidarität mit den Geknechteten, mehr Zuspruch gibt´s gewiss auch in Afrika oder Südamerika nicht, liebe Leute. Also, läuft doch gut?
Layout by ichichich.