Bin ich demnächst ein Mensch, dem seine heute noch so anhänglichen Kinder Giftpfeile hinterher schießen? Zielscheibe des Hasses, des Spotts, des Eifers? Gegenstand erbitterter Analyse, angestellt gemeinsam mit dem für ein Identifikationsthema dankbaren Lebenspartner, eifrig bestrebt, eigene kritische Perspektiven beizusteuern, um die Kluft zu vertiefen? Bin ich, der zu "Briefen an den Vater" inspiriert? Die Ursache psychischer Therapie, Quell von Lebensfrust- und unlust, Neurose, Pein und Misserfolg? Ist das mein trauriges Vaterschicksal? Oder geht´s banaler zu?
Johann König zeigt in seinem neusten Programm eine andere, nicht viel weniger ernüchternde Perspektive auf seinen Erzeuger: "Gestern sollte ich zu Verwandten. Wie erkläre ich das: Also, mein Bruder hat einen Vater. Und der hatte Geburtstag. Ja, und da sollte ich mit..." Und dann geht es nicht um Frust und Hass, sondern: Um Gleichgültigkeit. "Ach Gott, von der Couch hoch, zum Geburtstag des Vaters meines... ja, des Bruders. Na gut, wenn´s denn so sein muss."
Qua Amt, Ausbildung und Erfahrung sollte ich eigentlich wissen, wie es geht. Aber da kann natürlich mal wieder keine Rede von sein. Als Anhänger der These, dass das Schachspiel die mächtigste Metapher überhaupt ist, kenne ich aber die Gefahren des "Igelismus".
Schwarz: Ein schönes Igel-Beispiel
Das Feld kommt ohne meine schwarzen Steine aus. Bleibe ich
in domo, tummelten sich dort eben andere. Mein Haus steht unantastbar und bliebe es bis in alle Zeiten, müsste ich nicht ziehen, wenn ich das Spiel nicht verlieren will. Verweigerung geht also auf Dauer nicht und daher bequemt sich der a-Läufer mal ein wenig zwecks Warenaustausches mit dem weißen b-Springer. Ziehen aber heißt Bewegung und Bewegung Öffnung; Risiko. Öffnung!
Kurzdrama. Einheit von Ort, Zeit und Handlung. Aristotelischer Spannungsaufbau in 5 Akten, beinahe szenenlos. Ein Leitmotiv (kein Handschuh).
Akt 1: Der Fürst, ein Höfling, Erkergemach des mediterranen Schlosses, Meeresblick
Höfling: Hmmjaa, mein Fürst, dies Fleisch.
Fürst: Ja, was steht denn da?
Höfling: So weiß, so weich!
Fürst: So fest!
Akt 2, Szene 1: Verlobte allein, Rokokozimmer, ein Koffer auf dem Boden
Verlobte: Nur rasch. Es kann gelingen. Es wird, ja. Wohin nur mit dem Goldfischglas? Schnell, das Taxi wartet schon. Ach, was freu ich mich auf´s Tafelgebirg´.
Szene 2: Fahrer, Verlobte
Verlobte: Nur schnell, bitte, bitte.
Fahrer: Héliport? Aeroport Nice?
Verlobte: Ach, und wenn der Fisch nicht an Bord darf?
Akt 3: Fürst, Höfling, Verlobte- Hinterzimmer eines Taxiunternehmens, vis á vis des Palastes.
Fürst: Verrat
Verlobte: Mein Fürst.
Fürst: Wir Grimaldis haben schon für weniger als das vom Felsen gestürzt.
Höfling: Möge Sie doch nach Hause schwimmen, mein Fürst.
Fürst (zieht eine Pistole, zielt, schießt): Ha, Tod bring ich allen Feinden des Reiches. Es lebe meine Mutter.
Verlobte (schreit): Celine, Celine. Mein Fürst, wie grausam. (Goldfisch zuckt über den Boden, stirbt).
Akt 4: Palasthof, Menschenmasse, Musik, Presse
Fürst (flüsternd): Ein Kuss. Pronto.
Verlobte (Spitzt die Lippen. Berührt so die seinen.)
Fürst (laut): Liebe für meine Mutter, das Reich, meine Frau. Und Champagner für alle.
Akt 5: Höfling, Fürst
Höfling: Teilen? Euch? Niemals, mein Fürst.
Fürst: Nur die Wache ist´s, mein Freund, nur die Wache.
Höfling: Ich hab ihn im Auge.
Fürst: Einen neuen Fisch für Madame, heute noch. Hörst du? Im Glas.
So neu ist die iCloud ja gar nicht. Ich habe schon vor 3 Jahren mit der Jobschen Wolke unter mobile me experimentiert. Das erschien mir damals alles wenig hilfreich. Größere Datenmengen hochzuladen scheiterte ganz schnell am Physischen, nämlich an einer zu lahmen Uploadgeschwindigkeit (
Datei-Upload beendet in: 4 Stunden 44 Min). Und richtig frustrierend wurde es, wenn der Server ungefragt begann, statt von der einen in die andere Richtung zu synchronisieren, wie Apple das Vernichten von bestehenden Daten nennt.
Sicher und ja, man kann das steuern, man kann das kontrollieren. Den Endgeräten kann der findige
user anbefehlen, die Daten auf dem Heimrechner zu belassen und nur die auf dem Server anzupassen. Nur:
Wer kann das steuern?
Wer kann das befehlen? Ich jedenfalls wackele da immer.
Falscher Mausklick, fatale Konfiguration bei Itunes und schon löst sich die Musikbibliothek des Töchterchens synchronisierenderweise in 10 hoch 41 Atome auf (übrigens höchst interessant dieser Aspekt: Wohin verschwindet, was verschwindet? Der interdisziplinäre Lehrstuhl
theologische Informatik wäre ein zu gründender), oder, noch schlimmer, wird ersetzt durch jene des Nerd-Papas. Wie ich die Tränchen des Mädchens trockne? Das ist Steve gleichgültig aber wer weiß, vielleicht ja gibt´s bald eine App dafür. Man empfehle aber bitte keine Taschentücher; das wäre gar zu zynisch.
Hier könnte mein Beitrag zuende sein, müsste vielleicht sogar, um doch endlich mal knapp und lesbar zu sein. Immer diese Schwadroniererei. Das ist furchtbar! Es geht aber um die Zukunft und da kann ich es mir so einfach nun einmal nicht machen. Die Zukunft jedenfalls, so die Apologeten der digitalen Träume, liegt definitiv in jener Wolke und diesmal nicht wegen irgendeines technischen Firlefanzes oder eleganten
Neu-Gadgets. Diesmal geht es um Höheres; um nichts weniger nämlich als um die Neuerfindung des Ich.
Das Ich definiert sich bei den Wolkenbewohnern neobuddhistischerweise über Objektlosigkeit des Besitzes einerseits. Und andererseits über die Vorstellung, dass alles, was des Besitzes überhaupt lohnt, Platz findet in jener imaginären Wolke (die prosaischere Menschen auch ruhig "Server" nennen dürfen). Ironischerweise also, wenn auch ex negativa, über den Besitz. Seltsam genug. Aber mit Seltsamkeiten hat man es ja allerorten zu tun und warum sollte das ausgerechnet anders sein, wenn es um die Neuerschaffung menschlicher Identität geht.
Hergezogen: Das Ich
Was findet nun also in solch einem Wölkchen Platz!? Alles, natürlich! Und nichts weniger. Was uns eben so ausmacht. Musik natürlich, Bücher, Ideen, Bilder, Gedanken. Aber auch soziale Kontakte organisieren die Anhänger dieser neuen Ich-Idee als Schwebegut in virtueller Wolke und nennen das dann
facebook oder
twitter.
Leo Babauta (
How to minimalism in steps) reitet der Bewegung als einer ihrer Zeremonienmeister im Wolkenkuckucksheim gewissermaßen vor, hoch zu Ross- natürlich. Ein
Zen-Minimalist, der sich seines irdisch-schnöden Besitzes weitgehend entledigt hat. Auf kritische Einwände findet er umstandslos metaphysische Entgegnungen; Kernkompetenz eines jeden Sektenführers!
Ärgerlicherweise bedarf aber auch Zen-Leo ultramoderner High-End-Geräte, denn so ganz wird Steve Job sich selbst nicht virtualisieren. Bekanntermaßen bleibt bei Apple auch die wolkigste Geschäftsidee immer hübsch der Produktfamilie verhaftet: Kein
star star star der Stones aus der Wolke ohne Ipad, Iphone, Ipod, Imac, Istar, Iweiß-nicht-was. Denn trotz aller Bekenntnisse: Die Welt verändern will die Apfel-Philosophie nicht und ohne stoffliche Gebundenheit gibt´s nun mal keine materiellen Status-Symbole, von und mit denen es sich so prima leben lässt.