Warum Pipi Langstrumpf kein Gras raucht (und auch sonst nichts)
"Resilienz" nennt man es, wenn Menschen seelisch widerstandsfähig sind. Eine erstaunliche Eigenschaft ist das. Sie bewirkt Frustrationstoleranz und impft Kinder gegen Suchtverhalten jeglicher Art, zu der sicherlich auch ungezügeltes Fressen gehört- von Weingummi, Kinder-Pingui und vor allem diesen so unmittelbar Freude spendenden und deshalb so teuflischen Mac-Doof-Produkten. Nicht einmal elementare Kulturtechniken muss beherrschen, wer ins "Restaurant" geht und sich das reinzieht. Eine gesunde Hand reicht völlig und so erwirbt der kindliche Kunde neben dem sinnlichen Erlebnis (und das ist es!) auch noch eine sympathische, weil wenig anspruchsvolle Lebensart. Mit der er sich identifiziert. Die er LERNT. Mac-Donald-Strategen in die Lehrerausbildungsseminare! (Aber das ist nun endgültig etwas ganz anderes).
Neben Leberschäden, Diabetes und Adipositas versprechen, nein garantieren Hamburger, Mc-Chicken, crossed-bacon-wrap & co mentale Bedürfnisbefriedigung via eines unverzüglich ansteigenden Blutzuckerspiegels und entsprechender Serotonin-Ausschüttung. Ein einzelner Royal TS deckt ja schon, wie man weiß, den täglichen Kalorienbedarf eines 15-Jährigen und da nimmt es beim fortgesetzten Sprießen der Filialen an allen möglichen und unmöglichen Orten kein Wunder, dass die Menschen verfetten. Lust statt Frust. 6% jener Alterskohorte gelten bereits als adipös, mindestens 21% als übergewichtig.
Von denen waren gestern geschätzte 90% im Erlebnisbad meines Vertrauens, das ich zwecks Kinderbespaßung hin und wieder aufsuche. Schon Vierjährige watscheln mit Hängebrüsten und Fettröllchen am Bauch auf die Rutsche. Immerhin: Sie sind selten tätowiert und die steile Wendeltreppe nehmen sie noch recht souverän. Das Schwimmerbecken 10 m weiter bleibt selbstredend leer, man ist ja zum Vergnügen hier. Die Kinderlein könnten sicherlich die ein oder andere Strategie gebrauchen, die sie wappnet gegen die Anfechtungen des Trieb- Es gegen das so schwach geformte, hungrige Selbst-Ich. Pipi-Langstrumpf-Lektüre zum Beispiel. Na ja. Familienausflüge ins Funbad sind auch nicht zu verachten- ich will nicht ungerecht sein.
Die "Süddeutsche" widmet sich jedenfalls aktuell dem Thema. "Bindung" heiße das Zauberwort. Wer "gebunden" sei als Kind, bilde Resilienz aus, die für das Leben bzw. gegen seine Fährnisse schütze. Eine Studie aus Hawaii habe das gezeigt. Auch hier wieder sind Pipi-Langstrumpf-Leser klar im Vorteil: Sie müssen sich für solche Erkenntnisse nicht durch quälende Psychologen-Prosa quälen; können statt dessen essen gehen oder schwimmen.
Alle Kreter sind Lügner...
soll der Kreter Epimendis behauptet haben, womit er sich natürlich selbst dementierte, denn die Aussage stimmte ja nur dann, wenn er selbst die Ausnahme gewesen wäre. Dann aber wären nicht "alle" Kreter Lügner gewesen.
Ich finde, ich denke, ich glaube, dass der antike Grieche durchaus kein Paradoxling und Antilogiker war, sondern auf ein schon vor Jahrtausenden virulentes Phänomen aufmerksam machen wollte- illustriert meisterhaft von Escher:

M.C. Escher: Drawing hands (1948)
Solche Selbstreferenz ist es, der jedenfalls auch ich heutiger auf Schritt und Tritt begegne. Die Menschen nehmen die Dinge des Lebens offenbar nicht anders wahr, als in Abhängigkeit zu ihrem eigenen Denken, Fühlen, Sein. Meinungsstark und selbstsicher werden allerhand Ansichten kundgetan zu den Aspekten des Lebens: Sonnenuntergänge, Integration, Stuttgart 21, PISA, Mac oder PC? Bezug und Rückbezug im ewigen Kreislauf. Gibt es eigentlich noch Menschen mit dem Mut zu keiner Meinung? Menschen, die nicht ewig "finden", "glauben" und "denken"? Vielleicht mal einen Politiker, einen Funktionär oder einen Kulturschaffenden im Plapper-Salon bei Will/Illner/Beckmann, der von seiner eigenen bourgeoisen Biografie abzusehen vermag? Möglichst radikal? Nirgends- Epimendis ist ja lang nicht mehr. Und auch ich ertappe mich dabei, in die eigene Falle getappt zu sein, denn das ist ja das Problem: Zu behaupten, es besser anders machen zu sollen ohne es dann anders zu machen!
jagothello am 27. Oktober 10
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Eine Chiffre für das Leben
Bedrängnis - Lösung; Gefahr - Rettung; Stillstand - Öffnung; Angriff - Verteidigung; Beharren - Ungeduld; Chaos - Strategie; Angst - Freude; Idiotie - Intelligenz; Analyse - Unverständnis. Schach ist all das und fordert das Nämliche: die Strategie, den Plan, die Ordnung, das Verständnis, den Überblick, das Konzept, die Geduld, die Schläue.
Manchmal ist es aber auch einfach zu spät für all das und das im Brunnen liegende Kind kann nicht mehr gerettet werden, wie dieses Beispiel zeigt:
Der schwarze Springer migrierte zuletzt von D7 nach B6, um endlich etwas Raum und Luft zu schaffen für die seinen, um dem eisernen Griff zu entfliehen - ein verzweifelter Akt der Befreiung, geradezu rührend in seiner Naivität allerdings, droht doch nun endgültig das fragile Verteidigungsgerüst auf dem Gegenflügel zusammenzubrechen. Aber: wie sich anders verteidigen? Wie den Feind zurückdrängen? Wie überleben? Er schickt sich an, Stellung für Stellung zu nehmen, versteht dabei keinen Spaß und ist er einmal hinter die Ummauerung in das Palastinnere gelangt, folgt Ungemach auf Ungemach. Vielleicht gibt`s noch den ein oder anderen Funken der Hoffnung, doch Rettung? Keine mehr! Da bleibt eigentlich nur die Frage: Wer ist er eigentlich, dieser unerbittliche Feind?
Katastrophal für die weitere Lebensplanung des schwarzen Herrscherhauses nun jedenfalls sein lässiges Sf6+, wobei "+" schon äußerst Unerfreuliches bedeutet, nämlich: "Schach!" Bzw. in diesem Fall: "Gleich bist du erledigt. Ein wenig darfst du noch lamentieren (nämlich meinen Springer zurückschlagen, den ich auf f6 platziere, um dir jedes Friedensangebot auszuschlagen- den Damentausch also verweigere!) aber nur, um meiner Dominanz danach noch gnadenloser ausgeliefert zu sein!" "+" heißt natürlich auch: "Es ist Zahltag. Die Fehler sind gemacht. Du hast sie gemacht und nun kommt die Quittung. Keine Ausflüchte mehr." Gut, wer da weiß hat...
Kleiner Nachtrag 2 oder 3 Tage später: Schwarz ist untergegangen wie befürchtet. Ein grausiges Gemetzel war´s!
jagothello am 22. Oktober 10
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