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Sonntag, 10. Februar 2013
Neid, Missgunst, Niedertracht

Ein Grieche, ein Portugiese und ein Spanier gehen ins Bordell. Wer zahlt? Der Deutsche.

Timur Vermes Er ist wieder da ist Kalauer à la longue und abgefeimter Rhetorikkampf. Der künstlerische Trick, den ausgerechnet Hans Mentz von der Titanic entgegen sonstigem Gespür für das Komische nicht durchschaut (Was soll das?), besteht darin, die Eigenheiten unserer spätdemokratischen, neurotischen Zeit von einem längst untergegangen geglaubtem Medium (eben Ihm) wahrnehmen und aus dessen ungefilteter 1945er Perspektive kommentieren zu lassen. Das ist oft verstörend, meistens witzig. Zum Beispiel die leitmotivischen Spekulationen des Wiederkehrers über die Motive all der Parkwanderer, Exkremente von Hunden aufzuklauben. Die antizivilisatorische Perspektive des GröFaZ führt die Absurdität zwanghafter Anpassungen wie dieser in ihrer kompletten Lächerlichkeit vor Augen.
Das Lachen im Halse stecken bleibt mir, wenn die CSU erst als nationalsozialistische Nachfolgepartei gelobt, dann aber bloß ob ihrer hanebüchenen Tölpelei verspottet wird. Die vernichtende Kritik kommt von ganz weit rechts, von links kann das ja jeder, man hat es so oft gehört! Der Bayern-Bund aus Hitlers Sicht aber wird nicht wegen seines reaktionären Weltbildes attackiert, sondern, weil der offenkundig national-rassische Impetus nicht konsequent entwickelt wird. Wenn aber gar der Gottseibuns selbst urteilt: Nazis? Ja sicher, aber Amateure!, dann ist da wohl nicht mehr viel zu retten. Gegen eine solche Expertise helfen die routinierten Abwehrreflexe auf die alltäglichen Beschüsse der Konkurrenz in Sachen Deutungshoheit über die res republica jedenfalls nicht mehr. Wer solche Freunde hat, braucht eben keine Feinde.
Oder die BILD: Ein erstklassiges Hetzblatt befindet der Experte in Sachen erstklassige Hetzblätter, der dann auch gleich aus dem Stehgreif entwickelt, was andere Experten, Stürmer und Goebbels, hier zu lernen gehabt hätten. Die nämlich wären weitaus weniger subtil vorgegangen, hätten den BILD- Bordell-Witz etwa mit didaktischen Bildchen versehen, auf denen visuell untermalt gewesen wäre, wie der ehrliche, deutsche, schuftende Arbeiter für den verschwitzten, unrasierten, geifernden Südländer knechtet. Hätten diese erstklassige Pointe zu verstärken gesucht, anstatt sie, wie eben die BILD, geschickt platziert und präsentiert still ihre zersetzende Wirkung tun zu lassen. So nämlich sei das weitaus wirkungsvoller. In der Tat! Danach die seit jeher beste erhältliche Beschwichtigungsberichterstattung - der Sport. Insgesamt eine vollendete Symphonie von Neid, Missgunst und Niedertracht- kurzum: die perfekte Zeitung. Gegen solches Lob aus berufenem Mund ist wahrlich kein Kraut mehr gewachsen- die ultimative Abrechnung.
Ganz begeistert zeigt der radikale Medienkritiker sich auch von der RTL- Idee, die gemeinsten, plattesten Ausländerklischees abendfüllend als Witz zu präsentieren und zwar von wem? Von unverdächtigen... Ausländern. Ja, ja, die Propaganda!
Die Epoche findet aber auch sonst überraschend häufig des Kritikers Gefallen (Kritiker: Das ist Hitlers Rolle im Buch. Und die der Witzfigur natürlich. Die des größenwahnsinnigen Egomanen. Des Weltverbesserers. Alles so wie immer, also). Ganz ausgezeichnet dünkt ihm, dass große Teile der Schulabgänger über den Wortschatz und damit den Intellekt von 6-Jährigen verfügen, denn der deutsche Landser muss nicht denken oder reden, er muss marschieren und gehorchen. Und das deutsche Mädel? Nun, man weiß es ja... Die zugedachten Kernkompetenzen basieren sicherlich nicht auf Geist, Wort und Sinn. Dass da, trotz Bertelsmann-Stiftung und sonstiger Verschwörungs-Verdächtigter, (vielleicht? wahrscheinlich?) kein ausgeklügelter Plan zugrunde liegt... Um es mit Christoph Waltz zu sagen: Wer weiß, was noch passiert!

jagothello am 10. Februar 13  |  Permalink  |  1 Kommentar  |  kommentieren



Mittwoch, 21. November 2012
Vom Standpunkt absehen

Nicht weit weg von hier (in Saarbrücken, oder so) las ich kürzlich die beeindruckende Klage, die Menschen seien doch in der Mehrzahl mit erheblichen Mängeln behaftet; emotional schwach, abstrus, eitel usw. Der Kläger selbst sei zumeist froh, vor ihnen rasch entfleuchen zu können. Da auch ich unter einigem Egozentrismus leide, habe ich all das gleich mal auf mich bezogen und zwar unter zwei Aspekten: 1. Bin ich so? Ja, bin ich. Oft genug. 2. Teile ich die Ansicht des der Menschen überdrüssigen Nachbarn über die Spezies ganz im Allgemeinen? Ja, sicherlich. Der Kontakt zu ihnen ist mühsam, sie wollen, denken, meinen anders als ich. Mal zeigen sie kein Interesse, dann fehlt ihnen Herz, Witz, Verstand, Empfindung. Sie lähmen und langweilen, wenn sie, gefangen in frostigen Konventionen und beherrscht von einer oft genug fatalen Individualgeschichte ihren krankhaften Zwängen fröhnen. Töricht und tiefelos- ohne Schwingung, wie man so sagt.
Trost, auch darin stimme ich mit dem Nachbarn überein, hält vielleicht die Kunst bereit oder, möchte ich ergänzen, ihre Surrogate aus Film, Musik und Literatur. Das ist der Grund dafür, dass hierzulande so großer Wert auf eine gemütliche Heimstatt gelegt wird. Nicht nach innen geht der geheimnisvolle Weg, wie Goethe sagt, sondern in die Abgeschiedenheit, jedenfalls heutzutage nach zwei Weltkriegen und allgemeiner Depression sowie dem hieraus erwachsenen Drang, immer und überall am geilsten sein zu wollen. Und da gibt es auch keine großen Geheimnisse. Bei sich sein; das ist vor allem nicht bei anderen sein. Mir scheint das ein typisches Merkmal deutscher Wesensart. Die Melancholie: Hier treibt sie schönste Blüten.
Der Nachbar will all das (und alles andere) nicht kommentiert wissen. Damit bin ich ebenfalls sehr einverstanden, denn was soll das Zerreden und Wenden all dessen, das ja doch unabänderlich ist, empfunden und erlitten in Jahren. Und dennoch scheint mir all das noch nicht zuende empfunden, denn die Schwachheit: sie beschränkt doch wohl auch den, der so ohne Liebe und Verständnis ist, dem es an Einfühlung und Verständnis fehlt für all die Schwachheiten und der sich verschanzen mag vor der Welt- und komme sie auch noch so banal daher. Das Ich bezähmen! Vom Standpunkt absehen! Jedenfalls ab und an.

jagothello am 21. November 12  |  Permalink  |  0 Kommentare  |  kommentieren



Freitag, 27. April 2012
Texttexte und andere Texte

Der Plot des preisberegneten Blumenberg von Sibylle Lewitscharoff geht durchaus: Ein Löwe taucht aus dem Nichts im Arbeitszimmer des Philosophen auf und bindet jegliche Aufmerksamkeit, existentiell: die Blumenbergs und die des Lesers. Doch schon nach wenigen Seiten ermüdet auch der wohlwollende Leser, ermattet von tödlich dröger Prosa: Der Löwe ist zu mir gekommen, weil ich der letzte Philosoph bin, der ihn zu würdigen versteht, dachte Blumenberg. Deutsch-verkopfte Konzeptschreibe in Reinkultur ist das! Da wird gewürdigt, verstanden, gedacht und so geht das seitenlang weiter. Bekenntnishaft schrauben sich allerorten schwächste Verben teutonisch-protestantischer Innerlichkeit durcheinander anstatt es krachen zu lassen und der Situation Leben abzugewinnen. Gestelztes Perfekt, egozentrische Selbstverliebtheit, umständliche Verschachtelung, Texttext. Ein Roman wie ein Tatort vom Bodensee. Satzzeichen?
Satzzeichen fehlen. Natürlich, stelle ich fest. Natürlich fehlen die Satzzeichen, denn die Moderne modernisiert nun mal und das Gefällige, Konventionelle fällt da der Kastration anheim mit einer Radikalität, mit der sonst nur ARD-Politmagazine beschnitten werden.

Derart matt klänge das alles sicherlich auch, wenn ich es zu schreiben gehabt hätte und deshalb lasse ich das mit dem Schreiben auch künftig. Ich führe stattdessen hier meine verdrehten, garantiert preislosen Selbstgespräche, wenn auch so halbwegs öffentlich. Frau Lewitscharoff aber hat wohl kein Internet.
Seit jeher empfinde ich es als kapriziös, peinlich, geradezu indiskret von Lieblingsbüchern zu sprechen. Ganz offensichtlich ist dieser Affekt dem spießigen Vergnügen an der pubertären Kategorisierung von Empfindungen geschuldet. Wenn ich nachdenke oder spreche über wichtige Bücher fällt das Resümee daher immer relativierend aus: In den letzten Monaten hat mich Rafael Yglesias Glückliche Ehe berührt, Oskar Roehlers Herkunft aufgewühlt, Siddhartha Mukherjees Der König aller Krankheiten fasziniert (eine recht morbide Auswahl, wie mir da auffällt!) - aber ein Lieblingsbuch? Da wiegele ich ab: Mal so, dann so- heute jenes und morgen dieses. Wer liest einen Roman schon zweimal?! Das wäre vielleicht ein Kriterium. Henry Miller seine Books in my life (selbst ein Buch übrigens, dem ich weit vor der Amazon/Internet- Ära bis nach London gefolgt bin!) ja angeblich gar einige dutzend Male... vor allem seine Dostojewskis.
Immer aber fällt mir in solchen Zusammenhängen (und die gibt es ja) T.C.Boyle´s Drop City ein; einem wahrhaften Naturereignis, einem fulminanten Anti- Lewitscharoff, das sich zum Blumenberg verhält wie der Bodensee-Tatort zum Paten oder der FC Köln zu Bayern München: Sicher, es gibt da eine innere Verwandtschaft. Man tut dasselbe, irgendwie. Aber dann doch wieder etwas ganz, ganz anderes.
Drop City; das ist glänzend geschriebenes Pathos. All die Verkorkstheit, der Glaube, die Hoffnung, die Verzweiflung in einer Metapher- in einem Satz: Er war unterwegs nach Hause, er stand auf den Schlittenkufen und atmete ganz ruhig, ein Mann im warmen Pelz, vor sich ein Hundegespann, in einer rauen, wilden Gegend, und er war unterwegs nach Hause zu seiner Frau. Danach kann nichts mehr kommen und daher kommt danach... nichts mehr! Take breath, baby!

jagothello am 27. April 12  |  Permalink  |  1 Kommentar  |  kommentieren



Donnerstag, 24. November 2011
Charlotte Schwering-Overath

auf seinem neusten Friedhof richtet Umberto Eco, Simon Simonini, oder wie immer der Identitätengräber beliebt, sich zu nennen, mal wieder einigen Schaden an. Grandios raunt die Presse dennoch reflexhaft, wie immer, wenn il professore sich regt. Mich hingegen langweilt´s, wenn auch nicht auf völlig indiskutablem Niveau. Autistisch selbstverliebte Reflexionen lasse ich nicht als Literatur gelten- schon gar nicht als anregende. Viel zu selten greift er mal dorthin, wo das Leben pulst und wo es interessant (Goethe) zu werden verspricht.
Die Deutschen, das habe ich mir aber -zutiefst beleidigt- sehr wohl gemerkt, rühmten sich angeberisch einer gedanklich-spirituell-melancholischen Tiefe, die sie doch bloß verwechselten mit der Unfähigkeit, in ihrem platten, vagen Kauderwelsch überhaupt irgendetwas Treffendes sagen zu können. Dieses Defizit nun wieder, so der Turiner Zeichenpapst (na ja, sein Protagonist), empfänden sie, also die Deutschen, als Ausweis dafür, dass immer noch etwas mitschwänge, da sei. Dass es also neben, in oder hinter dem Gesagten eine tiefere Schicht und Substanz gäbe oder gebe und auch geben würde!
Wer weiß, was der Herr so rezipiert und mit wem er spricht. Vielleicht liest er meine Zeilen. Vielleicht aber auch den Kölner-Stadt-Anzeiger. Den dort fabulierenden, hier schon mehrfach geehrten Markus Schwering etwa oder auch diese wirren Beobachtungen aus dem Sportteil: Wolfgang Overath besitzt die Gabe, unheimlich emotional werden zu können. Unter solchen Eindrücken ist geschockte Sprachkritik sicherlich am Platze. Andererseits gibt es sie doch durchaus auch; deutsche, schöne, tiefe Tiefe- sogar in durchaus doppeldeutigem Wortsinne. Man muss, wie es sich für einen Literaturiotiker an und für sich ziemte, nur einmal genauer umsehen, um dann ganz, ganz schnell auf Megaseller Charlotte Roche und ihre erstklassigen Bedeutungsspielereien zu stoßen: Wenn ich mit jemandem ficke, trage ich doch mit Stolz sein Sperma in allen Körperritzen, an den Schenkeln, am Bauch oder wo der mich sonst noch vollgespritzt hat. Nein, Signore Eco, Oce oder Ceo- seien Sie nicht gar zu streng mit dem Deutschen und seinen Sprechern: da ist gehöriges Potential an Klarheit, Bedeutung und Wohlgestalt.

jagothello am 24. November 11  |  Permalink  |  0 Kommentare  |  kommentieren



Donnerstag, 13. Oktober 2011
Ein Gott suchender, hoffnungsloser Muttersohn

Ich war nie so recht ein Freund des Martin Walser. Mir kommen seine Prosa-Predigten immer arg gestelzt daher, konventionell im Erzählstil und dröge im Plot. Ich sympathisiere mit der Einschätzung Reich-Ranickis, das sei eigentlich gar keine Literatur, was der Bäckerssohn da verzapfe. Eher konzeptionelle Reflektionen über dies und das, gerne ja auch einmal mit Anleihen in naturwissenschaftlicher Sphäre.
Umso anregender für mich nun ein Interview, welches der Bodensee-Priester anlässlich des herbstlichen, mehr und mehr seltsamen Literaturtreibens in Frankfurt dem lokalen Werbe-Blättchen (Top Medium im Bereich regional print) gewährte. Walser bezeichnet sich selbst dort als Muttersohn. Das sei seine treffliche Charakterisierung. Er verwahrt sich gegen Muttersöhnchen und konstatiert, dass es nur Deutschen einfalle, die enge Bindung an die Mutter mit hämisch-höhnischer Verniedlichung zu belegen. Mir gefällt der Gedanke, dass ein Wortsetzer tagelang über solch semantische Details sinniert.
In seinem nächsten Buch, so erfährt der devote Fragenmensch, wird Gott gesucht und... nicht gefunden- was sonst! Würde er gefunden... ja, das wäre mal was. Ich sehe ein: das brächte so einen Autor natürlich in schier unüberwindliche dramaturgische Schwierigkeiten. Trotzdem, ich bleibe dabei: Man läse solches einmal gerne: Wir standen nebeneinander an der Sandwich-Theke und ich erklärte IHM umständlich, wie ein Sub bestellt wird. Entgeistert besah ER sich die schmierige Zutaten und bröseligen Brotfragmente. So in der Art.
Nach Lektüre Karl Barths und Augustinus´ fühlt jedenfalls M.W. sich inspiriert zu einem theologischen Stoff, weil deren Theologie der Hoffnungslosigkeit geeignet sei, Trost zu spenden und spirituelle Bedürfnisse aufgeklärter Menschen zu befriedigen. An Gott glauben, aber jede Hoffnung fahren lassen: Das klingt vielversprechend. Vielleicht doch noch mal Zeit, sich predigen zu lassen.

jagothello am 13. Oktober 11  |  Permalink  |  8 Kommentare  |  kommentieren



Freitag, 30. September 2011
Veto-Player

Ein paar Wochen ist es her (FAS vom 15.08.2011), dass Frank Schirrmacher die perversen Geldmarkt- Kapriolen der globalisierten Finanzgeier als wirkungsmächtiges Resoziali-sierungsprogramm für die Linke bezeichnete. Haben die Linken doch Recht gehabt? stellte er damals sein sicherlich mühevoll erkämpftes und lange Zeit gegen alle möglichen Anfechtungen verteidigtes Weltbild infrage und mit ihm zugleich die in Generationen gewachsene bürgerliche Ideologie. Suggerierte Antwort: Ja, haben sie. Erstaunlich genug für das Resümee eines FAZ-Herausgebers.
Erst recht bemerkenswert an Schirrmachers Injurien ist, dass er bei den Klagen über die ungezügelte Gier einer hemmungslosen Abzocker-Kaste mitsamt dienstfertiger Polit- Akteure nicht stehen bleibt. Er konstatiert vielmehr einen einhergehenden Verfall bürgerlich- sittlicher Grundwerte: Der Banker als ungebildeter, unmanierlicher, roher Geselle, der zum Selbstzweck erst das Gemeinwesen in seinen Grundfesten erschüttert und dann, wenn er scheitert und der Rettung bedarf, nicht einmal den Anstand (als klassischer Bürgertugend schlechthin) aufbringt, sich zu entschuldigen, Demut zu zeigen- von Dank ganz zu schweigen. Dann die Politikerin (gemeint ist in erster Linie die Kanzlerin), die weder Kraft noch Willen zeigt, moralische Verantwortung einzufordern- vielleicht sogar als notwendige Vorbedingung für jedwede Hilfe. Die also auch die psychologischen Befindlichkeiten ihrer Wählerklientel kaum kennt, kaum einschätzen kann- offenbar: Kein Wort, nichts, niemand!
Gerade diese gewissermaßen ästhetische Dimension hatte ich in der Tat in all den Kommentaren und Talks zum Thema seltsam unberücksichtigt gefunden, auch wenn ich zu eben jener angesprochenen Klientel nicht unbedingt zähle.
Ein fulminanter Text ist das jedenfalls, eine Sternstunde für die Zunft politischer Korrespondenten. Klug und ehrlich in der Analyse, Mitleid erregend im durchschimmernden Leid am Zustand einer großen Idee (meinetwegen einer Ideologie), der der Autor jahrzehntelang leidenschaftlich anhing und der die FAZ gewissermaßen ihre Existenz verdankt. Mich hat´s damals beinahe von der Sonnenliege gekegelt...
Im Schwesterblatt (FAZ am 29.09.2011; Archivartikel Die sanfte Steuerung der Bildung leider kostenpflichtig) nun aktuell eine vergleichbare linke Systemkritik und zwar in Form einer unumstößlichen, radikalen Analyse der Bedingungen, unter denen die sogenannten Reformen des Bildungswesens in den vergangenen 11 Jahren vorgenommen wurden. Jochen Krautz, Fachhochschullehrer am Fachbereich Bildungswesen der Alanus-Hochschule/Bonn, legt dar, wie unter Federführung der Bertelsmann-Stiftung Verbände und Politik die diversen Schulleistungsstudien für ihre Zwecke deuten und aus diesen Interpretationen einen utilitaristischen, auf ökonomische Verwertbarkeit gerichteten Bildungsbegriff ableiten, den sie dann mithilfe professioneller Lobbyarbeit in Politik und Verwaltung verankern. So wird, anstatt sich kritisch und konstruktiv mit den Ergebnissen der Studien zu befassen und ggf. geeignete Konsequenzen zu entwickeln, eine "neue" Wirklichkeit geschaffen, ein neues Paradigma der Bildung- umrissen mit den Begriffen Kompetenz und Flexibilität. Eine demokratische Legitimation oder auch "nur" pädagogische Notwendigkeit dafür besteht nicht.
Das geht soweit, dass Arbeitsgruppen der Stiftung Kommunikationsstrategien für den Umgang mit sogenannten Veto-Playern, also potentiellen Protestlern, ersinnen. Die Spaltung der Opposition wird zu diesem Zwecke strategisch betrieben, indem hier diffamiert und dort umschmeichelt wird. Propaganda at it´s best! Anpassung, insbesondere der Universitäten, an arbeitgeberfreundliche Bildungsstandards ist das höchste Ziel.
Die Konsequenzen eines solchen Paradigmenwechsels in der Bildung liegen offen zutage- die PISA- Reformen an den Schulen fruchten nicht, weil bloßer Kompetenzerwerb fehlendes Wissen nicht ersetzt und Verwaltung keine Pädagogik. Die Bologna-Reformen an den Universitäten können nach nur ein paar Jahren getrost als gescheitert gelten; nicht nur die Ingenieure wenden sich mit Grausen ab und verlangen ihr Prädikat "Dipl-Ing" zurück. Auch Lehrer und Juristen wehren sich gegen ein Schmalspurstudium, in dem reine Gedächtnisakrobatik betrieben wird und kein Platz mehr bleibt für argumentative Entfaltung, Dissenz und Rhetorik.
Veto-Player also allerorten. Ganz so tot wie oftmals behauptet scheint die Kulturkämpfergeneration der 60er- und 70er- Geister noch nicht zu sein. Dass ihr Zentralorgan die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist; das ist allerdings neu!

jagothello am 30. September 11  |  Permalink  |  6 Kommentare  |  kommentieren



Freitag, 3. Juni 2011
Besserwisser-Post
Ich habe zwei Zeitungen abonniert; eine spießiger als die andere. Zum einen den Kölner Stadt-Anzeiger, der sicherlich in Kürze Kölner Werbe- und Service-Anzeiger heißt. Ich finde in meinem Kram einfach den Abo-Vertrag nicht mehr, auf den ich meine Kündigung beziehen müsste. Geht halt immer so weiter.
Zum anderen die FAZ, die einfach hinreißend schön daherkommt. Ich liebe dieses ausgeklügelte Spiel der Linien, der Schriften, der Spalten- diesen Teint, dieses dezidiert Schwarz-Weiße. Sehr, sehr elegant, keine Frage. Alles, was dort Meinung ist, reizt mich und viel mehr kann ich über eine gute Zeitung schon gar nicht sagen- jedenfalls nichts, was ja nicht auch schon so hinlänglich bekannt ist!
Warum spießig? Weil sie natürlich auch nicht aus ihrer Haut kann und immer und immer wieder die Klischees von Wille & Leistung bedient; das ein wenig schüttere, grau melierte Haar fein nach hinten gestriegelt, ein Einstecktüchlein im dunkelblauen Sakko mit den goldenen Knöpflein, fein braun gegerbte Haut, der Sylter Typ ohne Körperschmuck (vom Siegelring mal abgesehen), E- noch lieber S- Klasse (nicht BMW!). Ein Herr, ein Mann. Ein Mann mit Vergangenheit. Ein Herr, der sich um die Zukunft nicht mehr scheren muss. Oder kennt jemand eine "weibliche" Seite der FAZ? Oder wenigstens eine Frau, die sie liest?
Doch warum auch nicht so? Seit Herausgeber Schirrmacher öffentlich vermeinte, dem entschlüsselten menschlichen Genom komme mehr Relevanz (und damit: mehr Raum) zu in seiner Zeitung als dem neusten Grass-Roman, zeigt sich hell und klar ein ganz anderes Dilemma, an dem man sich in den Redaktionsstuben zwischen Kuala Lumpur, Los Angeles und der "einzigen deutschen urban city" -FFM- abarbeitet: Zu echter Wissenschaft nicht berufen rechnet man wenigstens ab mit dem, was früher identitätsbildend wurde doch nunmehr Schmerz bereitet; der Leidenschaft zum Spielerischen, zum Hermeneutischen, zum Literarischen, zum Unklaren. Mit all dem, weshalb man vor Äonen Journalist geworden ist und nicht etwas anderes. Das ureigene Sujet wird dazu verächtlich gemacht, genussvoll beiseite gedrängt, diffamiert. Seriös der Realitätsmensch, nicht der Möglichkeitsmensch. Gestartet ist so sicherlich niemand, aber Biographie ist ja häufig schmerzlich. Ich mag diese leidenden, klugen Weltbildverkäufer, doch ich ärgere sie ab und an auch ganz gerne. Zum Beispiel so:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Heike Schmolls Leitartikel ("Der schulische Wildwuchs", FAZ v. 3. Juni 2011) bedient das weit verbreitete Klischee, die Abiturleistungen in den Bundesländern seien auch nach flächendeckender Einführung zentraler Prüfungen nicht vergleichbar und impliziert darüber hinaus, namentlich in Bayern wären die Prüfungen schwieriger zu meistern als in NRW. Leider belegt Frau Schmoll diese doch recht folgenreiche These nicht einmal im Ansatz. Auf eine vergleichende Evaluation der Prüfungen jedenfalls kann Sie sich nicht beziehen, da es eine solche Untersuchung (noch) nicht gibt. Aus diesem Grunde habe ich als erfahrener Deutsch-Fachprüfer und Entwickler zentraler Abituraufgaben in NRW den Artikel zum Anlass genommen, die Anforderungen beider Länder im Fach Deutsch (Schuljahr 2009/2010) miteinander zu vergleichen.
Die Stichprobe weist zunächst einmal weitgehende Parallelen auf, was Umfang, Stoff und erwartete Methoden- bzw. Fachkenntnisse betrifft. Anders als offenbar in Bayern aber ist es in NRW üblich, zusätzlich zu den Anforderungsbereichen "Darstellung" und "Transfer" ausdrücklich eine vertiefende Reorganisation der dargelegten Ergebnisse vorzunehmen und zwar im Sinne einer weiterführenden Kritik bzw. Reflexion. Insofern kann für das Unterrichtsfach "Deutsch" im genannten Zeitraum getrost von einem intellektuell gar höherem fachlichen Anspruch in NRW ausgegangen werden. Differenziertere Ergebnisse zu den tatsächlichen Leistungsansprüchen müsste aber ein detaillierter Vergleich der Erwartungshorizonte für die Lehrerhand erbringen; bevor der nicht vorliegt, sollte weniger suggestiv formuliert werden.

Mit freundlichen Grüßen

ja, mit freundlichen Grüßen.
jagothello am 03. Juni 11  |  Permalink  |  2 Kommentare  |  kommentieren



Mittwoch, 1. Juni 2011
Lehrer nich nur faul sondern, auch doff?
Die BILD investigierte vor zwei Jahren gewohnt schonungslos: Schlechte Abiturienten werden Lehrerinnen! V.a. aber Lehrer. Das deckte sich damals durchaus mit meinen eigenen Erfahrungen: Die sehr guten Abiturienten gingen zu meiner Zeit ohne verblendendes Studium direkt in die BILD- Redaktionen der Republik und lernten dort die diffizile Kunst der Demagogie von "der Pike" auf oder mussten Medizin studieren in der Hoffnung, doch noch irgendwie an die Mädchen heranzukommen. Wer keine Zeit für Oberstufenquatsch und Fächersalat hatte, der wusste: Lehramt oder Jura geht dann später mit irgendwie zusammen gestöpseltem Abitur immer noch. Und so viel blöder als Gärtner oder Tierpfleger sind Oberstudienräte und Rechtsanwälte auch nicht! Man befand sich schließlich noch in der Prä-Lehrer-sind-faule-Säcke-Ära, die später Premiumkanzler Gerdchen Schröder, altes Arbeitspferd, ausrief- kurzum: Alles war gut.

Nun aber soll, wie die SZ meldet, all das gar nicht mehr stimmen! Lehrer nämlich hätten statistisch gesehen ein besseres Abitur als Sozialwissenschaftler, BWLer, Psychologen. Das gelte v.a. für den häufig ausgelaugten Lehrkörper am Gymnasium. Ja, lieber Hauptschulkämpe, werte Grundschul-Klassen-Mutti: Sie lesen ganz richtig. Was Sie immer geahnt haben, liegt nun schwarz auf weiß im durchgenormten Forschungsformat auf dem Redaktionstisch; wahrscheinlich sogar von Ihnen selbst steuerfinanziert: Ihre eigenen Schulleistungen SCHON prädestinieren Sie nicht für die heiligen Weihen der erlauchten Turnhallenwelt. Ihr minderwertiges PH- Studium hat damit nicht mal etwas zu tun. Nein, das Stigma leuchtet schrill und bunt in vertrockneter Tinte ganz woanders: nämlich auf dem wahrscheinlich nur einsprachigen Hausfrauenabitur, ganz unten neben "Durchschnittsnote". (2,8, oder so!)
Aber trösten Sie sich: Auch Sie Primar- oder Sekundarstufen 1-Kraft sind doch ein wenig schlauer, als die BILD- Zeitung wahrhaben will. Das ist nun verbrieft. Und selbst der Studienrat des Vertrauens Ihrer Tochter (Religion/Geschichte- hört, hört) reüssiert auf intellektuellem Felde nun auch nicht gleich derart hammermäßig wie die Veterinärin im Duisburger Zoo oder der chirurgische Schlachtesel im Krankenhaus und schon überhaupt mal gar nicht wie der Rechenknecht in Ihrer privaten Krankenkasse. Das ist Ihnen alles zu hoch? Da sehen Sie´s!
Aber ich schweife ab. Es fehlt eigentlich nur noch, dass demnächst in irgendeinem akademikeraffinen Kampfblatt behauptet wird, Lehrer jedweder Coleur würden länger als 4 Stunden am Tag arbeiten und hätten weniger als 60 Tage Urlaubsanspruch pro Jahr! Aber so weit wird ja wohl niemand gehen wollen.
jagothello am 01. Juni 11  |  Permalink  |  0 Kommentare  |  kommentieren



Dienstag, 17. Mai 2011
Putz-Luder in Opas Dusche
Verwundert registriert die Presse den Sturz Berlusconis. Nur noch 30% Zustimmung verbucht der liebestolle VIAGRA- Senior und rüstige Verehrer großbusiger Teenager. Ich staune auch: 30%, wovon? Aller Italiener? Das sind ja Millionen, die einen Sittenstrolch und Sexgangster als politisch-repräsentative Leitfigur wollen? Das ist wirklich erstaunlich. Obwohl: Träfe sich unsere Angela mit 19-jährigen Lustknaben in privaten Schlössern zwecks Abfeierns dekadenter (neurömischer) Orgien- vielleicht würde ich meine politische Ausrichtung doch auch noch einmal ändern!
Strauss-Kahn dagegen... das ist doch etwas ganz anderes. Der ist immerhin Franzose und verschleudert als IWF-Sozi keine Millionen für Champagner-Partys. Am liebsten bleibt DSK alleine mit Frau und Tochter, außer mal... na ja, das 32-jährige "Zimmermädchen" wollte es schließlich gar nicht anders. Sie gab nur vor, das 3.000,-$ - Gemach des Sozialistenbeaus reinigen zu wollen. In Wahrheit aber war das ein gemeiner Vorwand, denn niedrige Instinkte, tierische Geilheit trieben das scharfe Putz-Luder in Opas Dusche. Seine Rechtsanwälte haben ganz recht: so muss es gewesen sein.
jagothello am 17. Mai 11  |  Permalink  |  0 Kommentare  |  kommentieren



Sonntag, 1. Mai 2011
Weiche Eier (statt eines Beitrags zu Ostern)
Nach einigen Tagen österlicher Entspannung fielen mir heute die gesammelten Tageszeitungen aus dem Briefkasten direkt auf die Füße. Ich lese selten "yesterday´s papers", mit einer gewichtigen Ausnahme: Die Leserbriefe! Leserbriefe sind zeitlos und repräsentieren dort, wo meine Zeitung sich ganz klar jedem klaren Bekenntnis entzieht (also quasi: überall!), die alibimäßige, klare Kante. Hannemann, du Musterleser, geh´ du voran. Sag an, was wir längst nicht mehr sagen dürfen zwischen all den Marketingkampagnen in unserem Blättchen, nach und vor den zahllosen Charity-Veranstaltungen mit den Spitzen der überregionalen celebrities; zum Bundestrainer, zu Willy & Kate, zu Atomkraft, Gutti, Libyen, Inflation, Gebührenverschwendung, Krankenkassenkosten und und und.
Die Leserbriefe diesmal befassten sich, wie seit 20 Jahren regelmäßig, mit dem örtlichen Fußballverein bzw. seinen Kapriolen und mit der Fragestellung, wie ein derart amateurhaft geführtes Provinzunternehmen eigentlich desweiteren bestehen will im Haifischbecken Bundesliga. Tenor: Gar nicht. Das wäre sicherlich eine begrüßenswerte Lösung der seit Jahrzehnten aufgestauten Probleme: Einfach verschwinden. In die 2. oder 3. Liga und vielleicht eines Tages geläutert auferstehen- oder auch nicht. In diesem Sinne wollte ich mich zufrieden (Leserbriefe dienen in erster Linie ja der Satisfaktion!) und beipflichtend nickend schon dem ebenfalls topaktuellem Briefe- Thema widmen - dem geplanten Ausbau eines lokalen Rheinhafens - als ich über die quasi krönende Formulierung eines ob der stümperhaften FC- Darbietungen arg Erbosten stolperte, die Bundesliga sei eben ein "knallhartes" Geschäft und für Schlappschwänze wie den gerade geschassten Trainer gebe es "andere Weicheiberufe".
Hmmmm, nun überlege ich seit Stunden, welche schönen Berufe dem erzürnten Lebensberater da vorschweben mögen? Meint er auf weichen Kissen auszuübende Tätigkeiten, die jemand auf Tränen, Schweiß, Blut sich beziehenden natürlich nicht so recht ernst nehmen kann? Vielleicht zielt die Injurie aber auch sehr speziell auf all die weichmuskulären Loser, die von der kulturellen Produktion sich nähren, wie also Redakteure, Schauspieler, Musiker? Meint er gar diejenigen, die sich in Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit geistige Weichköpfigkeit leisten könn(t)en wie Betonmischer, Fließbandabfüller, Müllleute? Oder diejenigen, die sich statt mit knallharten Fakten wie der Bundesligatabelle befassen mit anderer Leute Weichbirnigkeit; also die Therapeuten, Lehrer, Alten- und Kinderpfleger? Ich bin noch kein Stück weiter, das Ausschlussverfahren hat einzig sicher ergeben: Fußballtrainer ist nicht gemeint.
jagothello am 01. Mai 11  |  Permalink  |  6 Kommentare  |  kommentieren



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