Skandal: Prekarierinnen verweigern den Gottesbeweis!
Der Berliner Theologe Friedrich Wilhelm Graf beklagt die zunehmende Feminisierung seiner Disziplin. Der protestantischen, selbstredend. (Ganz unrecht hat er auch objektiv nicht, denn es gibt ja in Deutschland eine Landesbischöfin. Man vergesse das nicht!) In seinen Seminaren, so verkündet es der Sprecher von Gott, säßen in allererster Linie Frauen aus kleinbürgerlichem Milieu, die einen kitschigen Kuschelgott anbeteten und liebten. Graf mokiert sich über die fehlende "Intellektualität" dieser sicherlich durch und durch verabscheuungswürdigen Klientel.
Was er im Grunde meint ist natürlich, dass da ein paar Ökoschreckschrauben nach ihrem Hausfrauenabitur "Bremen" light nicht so recht wussten, was sie mal studieren sollten und da bei Sozialpädagogik alles voll und bei Psychologie der NC zu hoch war, diese unterbelichteten Trübtassen nun in der einstmals doch so hochmögenden Gotteskunde zu reüssieren gedächten. Also ehrlich: Elite ist das wirklich nicht!
Da scheint mir aber andererseits ein eklatantes Missverständnis vorzuliegen! Zunächst einmal könnte man natürlich fragen, wie sich fühlende Bibelrezeption und authentische Glaubenserfahrung mit selbstgesteuertem Verstandesgebrauch, wie ein anderer berühmter Preuße vor 230 Jahren definierte, vertragen? Auch wäre natürlich, in Abwandlung eines berühmten Ei- Henne-Problems, darüber nachzudenken, warum der Allmächtige eigentlich derartige Arroganz auf einem ihm doch selbst gewidmeten und geweihten Lehrstuhl zulässt?
Von dem durchaus problematischen Frauenbild einmal abgesehen: Wären dem Herrn Kirchenmagister schlaue Kerle in seinen Seminarstuben lieber, die zwar keinen Deut glauben, dafür aber mit allen Wassern hermeneutischer Exegese gewaschen sind, die die hebräischen und griechischen Originaltexte auswendig rezitieren können? Die nix als Bischof werden wollen? Die einen neuen Gottesbeweis finden? Den er selbst dann flugs in seine rhetorisch-historischen Einzelteile zerlegen und ad absurdum führen kann? Damit ihm Bedeutung verleihen werde? Würde? Bedeutung? Würde? Das wird´s wohl sein, denn siehe; die Eitelkeit währet unter uns immerdar!
jagothello am 05. Juni 11
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Spontannummern in der Nachbarschaft
Ich muss mal was über Sex machen. Das interessiert die Leute nunmal.
Gleich nebenan macht eine ein wenig Liederliche es auf das Schönste vor. Sie zieht sich ein durchsichtiges Kleid an, einen hübschen Slip, lässt den BH weg und guckt in den Spiegel. Was sie dort sieht, ist "oberhammergeil", auch wenn sie, wie sie selbst sagt, sehkrank ist. Sonst trägt sie gerne Matrosenpullis, diesmal aber nicht. Das ist Leserlenkung par excellence. Wer riskierte denn da nicht gerne mal einen Seitenblick?
Bei besagter Dame passiert aber auch echt Werbespotmäßiges im Leben. Während ich bärbeißig darüber nachdenke, ob man "Werbespotmäßiges" besser klein- oder großschreibt, "großschreibt" zusammen oder getrennt und solch ein Zeug, öffnet sie dem flotten Nachbarn die Wohnungstür mit
sexy Haarschampoo auf dem Kopf, sendet männerfreundliche Botschaften ("Stehe eigentlich gerade unter der Dusche... Nein, unter dem Handtuch trage ich sonst nichts..."), quakt ein bisschen und führt, anders als die Geschirrspülfritzen im Business-TV, die Geschichte konsequent zu Ende: Man "vögelt" mal fix (das ist dann wieder der Link oben...), oder nein, "macht" gar "Liebe".
Das ist geil. Wirklich geil. Reiß dich zusammen! Lerne von solchen Lebenskünstlern! Ich erinnere mich, halbwegs zur Besinnung gekommen, an ein verlockendes Angebot, das ich gerade heute per E-mail bekam und das mich nun doch noch hinter´m Ofen hervorlockt. Meine Nachbarinnen kann ich mir in durchsichtigen Kleidern mit hübschen Slips zwar nicht so recht vorstellen, aber wer weiß. Vielleicht geht da was?
Ich öffne also meine elektronische Post, in der steht, ich sei impotent (wer erzählt sowas eigentlich? Und wem?)- es bestehe aber Hoffnung. Ich zitiere gerne mal etwas ausführlicher, wenn´s recht ist:
Hi, present to the girlfriend unforgettable night! Charge by sexual energy! Be always at height! Klingt doch gut! Rasch also geklickt, bezahlt wird per Über- oder Unterseeleitung, was weiß ich, jedenfalls alles ganz
easy. Doch dann, was ist das? Ein seltsamer Hinweis, eine ärgerliche Hürde vor meinem Start in ein erfüllteres, interessanteres, geileres Leben; eine Fehlermeldung beim Bezahlvorgang. Prosaischer Müll. Bitte lassen Sie mich ein letztes Mal für heute zitieren, es muss sein:
"Hallo (!) Ihre Kreditkarte wurde ausgesetzt, weil wir ein Problem festgestellt, auf Ihrem Konto. Wir haben zu bestimmen, dass jemand Ihre Karte ohne Ihre Erlaubnis verwendet haben. Für Ihren Schutz haben wir Ihre Kreditkarte aufgehangen. Um diese Suspension aufzuheben Klicken Sie hier und folgen Sie den Staat zur Aktualisierung der Informationen in Ihrer Kreditkarte. Vermerk: Wenn diese nicht vollständig ist, werden wir gezwungen sein, Ihre Karte aussetzen. Wir bedanken uns fur Ihre Zusammenarbeit in dieser Angelegenheit.
Also folge ich "den Staat zur Aktualisierung" um die Suspension aufzuheben und erfahre 4 Stunden später per elektronischem Kontoauszug, dass mein Kreditvolumen nun voll und ganz ausgeschöpft ist, dass keine weiteren Belastungen bis zur nächsten Abrechnung mehr möglich sind usw.usf. Darum kümmere ich mich später. Die gute Nachricht: Ich habe bestellt.
Erste Experimente vor dem Spiegel verliefen durchaus zufriedenstellend und ist die "Pills"- Sendung aus Übersee erstmal eingetroffen, geht es an´s Eierleihen in der Nachbarschaft. Die Spontannummer mit dem Shampoo im Haar á la "Nur mal eben so ganz quick" hat mich schwer beeindruckt, doch ich denke, mir steht das nicht so. Dazu braucht´s einfach eine sexy Türmchenfrisur. Ich werde demnächst aber auch etwas anzubieten haben, da seid´s mal sicher.
Weg damit!
Vidiadhar Surajprasad Naipaul bereichert seit 1989 den Adelsstand und darf schlicht Sir Vidia angeredet werden. Das ist wahrscheinlich ganz gut so für Journalisten, denen schummrig wird bei gleich 12 Vokalen in einem Namen.
Illustration: Burkhard Neie
Sir Vidia schreibt keine Romane mehr. Das ist für einen weltberühmten Romancier und Literaturnobelpreisträger ungewöhnlich genug aber aufgefallen ist er mir aus einem anderen Grund und zwar, weil er einigermaßen schonungslos mit dem Kino, genauer, dem Film abrechnet: "Was heute vom Kino übrig geblieben ist, ist meines Erachtens ein Witz. Ohne Substanz, ohne Anspruch an die Phantasie, ohne Nährwert." Kurz bevor ich das las, sah ich einen in der Karibik (wahrscheinlich war es aber doch nur das Ijsselmeer) angesiedelten Piratenfilm in "3D". Die besten 3D-Effekte gab es vorher in der Haribo-Werbung aber die 12,-€ Eintritt wollen ja irgendwie gerechtfertigt sein. In dem Film selbst passierte auch nicht viel, bemerkenswert lahm stolperten die sonst so sportlichen Piraten durch die Kulissen, pieksten sich zwischendurch mal mit dem Degen- man kennt das seit Jahrzehnten. Gääähn! Parken 5,-€, Popcorn 4,-€!
In diesem Sinne beschwerte ich mich bei der Kinoleitung und wie ich schon mal so schön dabei war, gab ich meinen Unmut über die Seichtigkeit des Programms im Allgemeinen zu Gehör- in einem UCI-Ketten- Kino, übrigens.
Das ist ja ungefähr so, als würde man sich beim Katholischen Priester beschweren, dass die Messe zu textlastig wäre und umso erstaunter war ich, dass man mir unumwunden Recht gab! Ja, alles viel zu teuer und der Qualitätsfilm habe es ob des großstädtischen, mehr und mehr bildungsfernen Banausenpublikums sehr schwer. Das tat gut- wie immer, wenn die eigene Wahrnehmung bestätigt wird. Wahrscheinlich ist ja auch wenigstens in München wieder einmal alles viel besser und vielleicht ziehe ich endlich einmal um. Und demnächst versuche ich´s mal bei dem steifen Kirchenmann.
Sir Vidias Generalabrechnung ist mir jedenfalls sehr sympathisch, wie er da von seinem irischen Cottage aus die westlichen Kulturtraditionen zerfetzt, inspiriert von der Weisheit des tanzenden Gottes Shiva mit dem Feuer der Zerstörung in der Flosse. Da liegt es tatsächlich nahe, der Kreativität abzuschwören und nur noch Sachbücher zu schreiben- vielleicht legt Shiva dereinst sein Feuerchen noch einmal woanders, jedenfalls aus der Hand, um sie frei zu haben für eine kleine Session mit dem Trömmelchen der Schöpfung, das derzeit noch stumm in seiner anderen Hand ruht.
jagothello am 24. Mai 11
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Bilder lügen nicht. Manchmal!
Die Berliner Kunsthistorikerin Charlotte Klonk
argumentiert sehr klug, dass es richtig ist, die Bilder des toten Bin Ladens nicht zu zeigen. Denn einmal emotionalisieren Konterfeis des Niedergestreckten möglicherweise viele Menschen, die im Geromino keinen Terroristen und schon gar keinen Massenmörder sahen, sondern einen Revolutionsführer, einen Freiheitskämpfer. Der Bildung eines Märtyrerkults würde auf diese Art und Weise perfekt Vorschub geleistet und im Interesse der USA ist das ganz sicherlich nicht. Zudem, und darauf machte Obama ja ausdrücklich aufmerksam, wolle man auch nicht protzen und einen Toten der Weltgemeinschaft als Trophäe darbieten. Das ist nachvollziehbar, wie ich finde.
Klonk räumt nebenbei mit dem kulturpessimistischen Vorurteil auf, Fotos seien ob ihrer technischen Manipulierbarkeit via Photoshop keine geeigneten Informationsträger. In der Tat können ja auch Texte verfälschen und in betrügerischer Absicht den Leser hinter´s Licht führen.
Aber auch davon abgesehen vermag selbst ein mit gewissen Intentionen "versehenes" Bild Subtexte zu transportieren, die höchst aufschlussreiche Informationen in sich tragen. Klonk verweist auf Details wie die Schlipslosigkeit des Präsidenten beim
Anschauen der CIA- Mission, die Pappbecher auf seinem Tisch oder eben auch die bräsig wirkende Eitelkeit Bin-Ladens, mit der er sich in seinem Unterschlupf der Wirkung seiner selbst auf CNN vergewissert.
Das Mitschwingende, das Implizite ist die eigentliche Botschaft und so empfinde ich es auch beim Bilderverbots-Erlass des neuen FDP- Bosses. Rösler ließ alle zum Parteitag sich akkreditierenden Journalisten eine Erklärung unterschreiben, seine beiden minderjährigen Töchter nicht zu fotographieren, die, anstatt mit ihren Freundinnen Waveboard zu fahren, an den für sie sicherlich sturzlangweiligen Debattentagen teilzunehmen hatten. Der zunächst als Bitte verkleideten Forderung wurde Nachdruck verliehen durch die Androhung rechtlicher Schritte im Falle der Missachtung. Natürlich fragt man sich nun: Wozu der Umstand? Hat die KiTa geschlossen? Haben auch die Rösler-Kinder keine Freunde? Reicht das Gehalt nicht aus, um eine Betreuung zu organisieren, so wie es hunderte von Delegierten, Berichterstatter und Abgeordnete getan haben dürften?
Vielleicht das alles, doch wahrscheinlich ist das Verbot selbst die eigentliche Botschaft. Um sie zu formulieren, werden Kinder missbraucht. Und natürlich vermittelt sich die schöne Kompetenz, auch wichtige berufliche Termine mit der Kinderbeaufsichtigung kombinieren zu können.
Ganz so wichtig ist dem engagierten Vater das Kindswohl abgesehen davon wohl eh nicht: Als sich die BILD- Zeitung weigerte, die Erklärung zu unterschreiben, durfte sie selbstredend trotzdem hinein. Auf sie verzichtet hierzulande kein politischer Entscheidungsträger gerne. Und auch das ist natürlich Teil der Botschaft.
jagothello am 15. Mai 11
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Bedenkenträger? Gutmensch!
Die schlimmsten menschlichen Arten sind die Bedenkenträger und die Gutmenschen! Sie sind schlimmer noch als Nachbarn und Lehrer, Raser und Päderasten. Als FDP-Schnösel, Kriegsverbrecher, Finanzhaie sowie Spitzbuben und Gauner jedweder Färbung.
Jedenfalls, wenn ich höre und lese, wie der kleine Bürger sich mokiert in Foren oder Leserbriefrubriken. Nichts ist ihm ekliger als der Skeptiker, der Rationalist, der nachdenkliche Menschenrechtler. Nichts widert ihn mehr an als das menschenfreundliche Unwohlsein, wenn es um rabiate Hauruck-Rezepte in Sachen Recht und Ordnung geht.
Insbesondere der vielzitierte "Gutmensch" (guter Mensch?) nimmt eine medial erstaunliche Karriere. Ein Romantiker ist er und ein Weltverbesserer. In dem Maße, in dem solch humanen Anteile des Ich verdrängt und abgetötet werden - wir sind verletzlich - hasst der Wütende den, der sich bekennt und aufsteht für Bürgerrechte und mitmenschliches Miteinander. Mein Unwort wenigstens der letzten Dekade.
jagothello am 12. Mai 11
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... Distanzlosigkeit
Vor noch nicht so langer Zeit gab es zwischen Zuschauern und Rasen im Stadion eine sogenannte Tartanbahn. Sinnbild einer deutschen Erfindung in der mythischen Kultstätte der Teutonen, nämlich jenes öffentlicher Distanz. Heute gibt es diese sozialdemokratischen Relikte aus der fernen Zeit, in der ein Stadion nicht "Signal-Iduna-Park", sondern "Westfalenstadion" oder "Parkstadion" hieß und ein öffentlicher Ort des Sports war statt Eigentum eines russischen Oligarchen, längst nicht mehr; nur noch Rasen gibt es. Das nackte! Keine Distanz mehr, dafür inszenierte Nähe und nicht nur im Stadion. Das Fernsehen hat den kollektiven Taumel erfunden und etabliert. Wir fallen uns nun um den Hals und bekennen frank und frei: Ich mag dich, bin dir zugewandt, find dich klasse, hab dich lieb. Simulierenderweise natürlich nur, denn mehr Sympathie empfinden wir für unser Gegenüber deshalb noch lange nicht.
Als lebte meine Kohorte in Catania wird gedrückt, geherzt, geküsst. Das Händeschütteln ist spießig, verpönt, passé, was für Nerds. Cool ist es, locker zu busseln und zu streicheln. Mich haben Kriegskinder erzogen, Akademiker, komplexe Menschen. Da war nicht viel mit Knutschen und Kuscheln, schon gar nicht mit Fremden. Wahrscheinlich aufgrund dieser Prägung ist besagter Körperkontakt mir oft ungeheuer, häufig lästig, manchmal zuwider. Aber wie sich wehren? Die soziale Konvention zu brechen ist meine Sache nicht und so ertrage ich unerträgliche Situationen. Oft vertrackte: Ihr ein Begrüßungsküsschen? Gerne! Ihrer Freundin? Ich kenne sie doch kaum. Ich will das nicht. Und sie vielleicht auch nicht? Ein flüchtiges Küsschen gar könnte sie als unpassende Indiskretion eines Fremden zurückweisen. Sooo etabliert ist das zärtliche Ritual noch nicht. Schon also wird´s ausgesprochen beklemmend. Und dann: Wie reagiert sie auf meine nun beschlossene Verweigerung der doch geforderten Geste? Wie unsere gemeinsame Freundin? Wird das zwischen uns stehen? Und vor allem: Was passiert beim Abschied? Mit Gewalt, liebe Klischee- und Normerfinder allerorten, geht da gar nichts, das steht mal fest.
PS: Die in Ehren ergrauten Beastie Boys lassen sich von mir inspirieren. Heute sagen Sie im Interview, bzw. einer von Ihnen, gegen Begrüßungsküsse sei nichts einzuwenden. Selbst Lippenküssler und Lippenküsslerinnen treffe man immer wieder gerne. Der Zwang zum Kuss, der formelle Ritus aber sei nervend. Sag ich doch.
jagothello am 27. April 11
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Des Politikers und unser aller Verhältnis zu(m) Zahlen
Das ist bekanntlich nicht ungetrübt. Was zwecks Selbstschutz bei einer Staatsverschuldung von 2.000.000.000.000 durchaus Vorteile hat. Vor einem Jahr betrug die so ungefähr 1,6 Billionen aber über 400.000.000.000 mehr oder weniger regt sich dank Ackermann und Kumpanen ja glücklicherweise keiner mehr auf. Zurückgezahlt wird das alles sowieso niemals.
Schön auch die ewig wiederkehrende Schlacht um Deutungshoheit, wenn nach der Wahl bei ARD- Deppendorf die oftmals verbeamteten Zahlenjongleure die Tiefen der Mathematik ausloten, um darzutun, dass 2% Verlust allemal besser sind als 1,5% Gewinn des Gegners.
Dass der Ministerpräsident Bayerns aber eine 7-stellige Zahl
nicht lesen kann, verweist auf ein tieferes Dilemma. Der große PISA- Apologet verfügt selbst über nur beiläufige Mathematikkenntnisse (die Ziffern vorlesen konnte er ja immerhin), mit denen er nicht die 6. Klasse seiner eigenen Realschulen überstehen könnte! Kurios. Wirklich erstaunlich aber, dass der Wähler sich freiwillig von Menschen vertreten lässt, die nicht mit Zahlen umgehen können- und zwar in existenziellen Fragen wie Atomkraft, Subventionspolitik, Steuergesetzgebung, Bildungspolitik (die oft genug als reine
Fiskalpolitik verstanden wird in Deutschland).
Zu erklären ist das eigentlich nur mit einer tief empfundenen, schenkelklopfend und wissend schmunzelnd artikulierten Sympathie der Masse für den Zahlenlegastheniker, der eben, so wie wir alle ja, seinerzeit wie das Kaninchen vor der Schlange im Mathematikunterricht saß, und- seht her- aus dem dank geisteswissenschaftlicher Kernkompetenz trotzdem noch etwas geworden ist (im Zweifel: Rechtsanwalt). Jetzt sitzt er da auf der Bühne, der MP, und stammelt Ziffern; stellvertretend für uns alle (auch DIE Gäste-Gesellschaft im festlichen Rahmen besteht nunmal nicht aus mathematisch gebildetem Volk!) blamiert er sich bei einer kleinen Sprechübung, für deren schulische Vermittlung das Publikum Milliarden Steuergelder ausgibt. Schmerzensgeld im Politikergrundgehalt ist ja wohl schon enthalten.
Was da finanziert und geduldet wird, ist in erster Linie der eigene Komplex. Mitleid mit dem so wohlvertrauten eigenen Leid. Selbstmitleid.
Im Gewicht ein Wicht
Was für eine Woche: Korrekturarbeit verweigert aus Trägheit. Den Heranwachsenden nicht ein einziges Mal von der Play Station weggelotst und ein vernünftiges Kontrastprogramm angeboten. Den hiesigen Erzbischof zum wiederholten Male zum Teufel gewünscht. Stunden um Stunden selbst stupid vor den diversen Kisten gewacht und weggedämmert. Rechnungen nicht bezahlt. Keinen einzigen Apfel gegessen, dafür ungutes Zeug wie Mc-Wrap (!). Nachbarkinder geschimpft. Stephen King gelesen. Den Tüv versetzt. Demnächst werde ich wahrscheinlich die Stille des stillen Feiertages brechen und Rotwein zum Spargel trinken (nein, soll man immer noch nicht!). Gut, dass endlich Ferien sind und damit Zeit ist für Einkehr und Rückkehr!
jagothello am 16. April 11
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PID versus Diesel
Es geht mir das Herz auf, wenn ich das ernsthafte, ehrliche Ringen federführender Parlamentarier sehr um die sogenannte PID. Was Parlamentarismus zu leisten imstande ist! Da gibt es hochrangige Leute, die sich überzeugen lassen von guten Argumenten des politischen Gegners; da gibt es Applaus der Bürgerlichen für die wohl abgewogenen Überlegungen eines Linken. Es gibt gar, und das scheint mir entscheidend zu sein, offensichtlich mal keine Fraktionszwänge in dieser Angelegenheit, was natürlich andererseits den unschönen Verdacht erweckt, das Thema sei eben nicht sonderlich bedeutsam, nichts, wofür es sich zu verschleißen lohnt. Dafür spricht auch, dass der Plenarsaal bestenfalls zu einem Viertel gefüllt war bei dieser spannenden Debatte. Aber immerhin! Der Betrachter wohnt einem sachlichen Meinungsaustausch bei, in dem die Kampfrhetorik, das Scharmützel ausnahmsweise unterbleibt. Man diskutiert und nimmt zur Abwechslung auch das Gegenüber einmal wahr und ernst. Wohltuend war das, wohltuend und konstruktiv.
Doch dann: Am selben Tag, eine ganz andere, gewissermaßen vertraute, viel zu lange schon erlittene Entscheidungskultur in Brüssel. Per Verordnung, ohne jeden öffentlichen Meinungsbildungsprozess soll die Dieselsteuer drastisch angehoben werden. Ein lettischer "Kommissar", den hierzulande keiner kennt geschweige denn gewählt hat, prescht in diesem Sinne hervor. Ich will nicht falsch verstanden werden: Es mag gute Gründe für eine Verteuerung der zuneige gehenden Ressourcen geben, bestimmt sogar. Ich sehe aber überhaupt keine demokratische Legitimation entsprechender Verordnungen par ordre du mufti.
Es bräuchte Überzeugungsarbeit in diesem Sinne, es müssten, auch in Brüssel und aus Brüssel heraus, Mehrheiten für solch weitreichende Projekte gewonnen werden. Nur so wird sich schließlich Denken und Verhalten tiefgreifend ändern. Aber nicht einmal auf eine gemeinsame Sprache kann man sich ja verständigen.
Neuschrott
Der Spülmaschinen-Fritze sagt, da wäre nichts mehr zu machen. Ich hätte eben gleich die Miele für 1.695,-€ nehmen sollen, die würde schließlich ewig laufen. Mein Siemens-analoges Küppersbusch- Modell sei "Neuschrott". Eigene Schuld, da nicht auf Spitzenqualität zu setzen.
Einwände: Als einfacher Angehöriger des höheren Dienstes wäre ich unterbezahlter Akademiker und es stünden mir eben nicht dieselben Barmittel zur Verfügung wie einem ALNO-Küchen-Dienstleister und außerdem sei ich, mangels Bildung, nunmal Werbeopfer seines Arbeitgebers geworden, seinerzeit... Ich respektiere Menschen grundsätzlich. Dieser hatte sich Spott und Rausschmiss aber redlich verdient.
Nun überredete meine 11-jährige Tochter mich, ihr einen pinken (!) Laptop zu kaufen. Sie hatte sich das verdient und sinnvoll ist es aus vielerlei Gründen auch. Beim Einrichten via Windows fiel schnell auf, dass die vorinstallierte Version nicht hinreichte, um ein Hintergrundbild zu ändern. Ein Hintergrundbildchen! Nun, wer wohl kann auf das Ändern eines Computer-Hintergrundbildes weniger verzichten, als die 11-jährige Besitzerin eines rosafarbenen Laptops, Pflegerin diverser Haustiere, Fan ungezählter Stars und Top-Models, beste Freundin von mindestens vier Gleichgesinnten? Bilder gibt´s da weiß Gott genug.
Das weiß auch Bill Gates- er hat ja selbst Töchter und feste Erziehungsgrundsätze ("Keine erbt mehr als 10.000.000,-$"). Damit nicht auch diese kleine Erbschaft noch in Gefahr gerät, kann man sich das Recht auf Ändern des Hintergrundbildes für 149,-$ sichern! Per Upgrade. Es geht natürlich, wie bei windows meistens, einfacher, billiger und besser. Man macht sich da aber mit Lizenzverstößen schnell strafbar, wie gesagt- da geht es um Existenzen. Meiner Tochter zuliebe und aus Geiz setzte ich aber den einen Fuß ins Gefängnis und installierte die verabscheuungswürdige Freeware. Meine Tochter ist mir sehr dankbar, was mich natürlich wiederum glücklich macht.
Die Episode, und darum berichte ich sie ja überhaupt, erinnert mich fatal an die Rede vom "Neuschrott" und an die Tatsache, dass der Mensch mit der Technik von drei Atari C-64- Rechnern zum Mond geflogen ist, es aber die geballte Power eines Pentium 3,4 Ghz- Prozessors braucht, um Windows Vista halbwegs stabil betreiben zu können. Um nur mal eine Ressource zu nennen. Wir wandeln einfach zu häufig auf dem Holzweg.