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So ein Integrationsrat ist eine feine Sache. Man geht ganz unverbindlich hin und bekommt von allerlei Honoratioren (Integration ist schließlich ein wichtiges Anliegen!) den Stand der res publicae mitgeteilt: Der Polizeichef (da geh ich selbst hin) legt die neuste Kriminal- und Gewaltstatistik vor. Die Bürgervertreter sind empört, das Jugendamt referiert Maßnahmen, die Stadtverwaltung erklärt, warum all das sehr, sehr bedeutsam ist, man aber dennoch nichts bezahle. Und der Moderator, offenbar ein Musterbeispiel gelungener Integration, lädt zum nächsten Fest ein, schüttelt lächelnd Hände und zeigt sich generell außerordentlich verbindlich. Die Lage ist nicht so toll aber sie könnte schlimmer sein!
Als anständiger Pädagoge mehr und mehr auch in eigener Sache frage ich mich, still und versunken lauschend: Was hat all das mit mir zu tun? Das ist gewissermaßen eine meiner sieben Berufskrankheiten, also: der neurotische Hang zum Transfer. Was hat das mit mir zu tun? Wie halte ich es denn mit der Integration?
Dabei meine ich nicht die läppische Perspektive auf die Bemühungen anderer. Ich weiß schon, so wird das diskutiert: Ist die, der, das integriert? Wie steht es mit den Bemühungen der Familie Haileab sich einzufügen in die Aufnahmegesellschaft? Welche feinen Stigmatisierungen können ihr weiter anheim gegeben werden, wenn Defizite auszumachen sind?
Dies ist aber keine liberale, keine bürgerlich- demokratische Haltung, auch wenn die klassischerweise von den Kommunal-, Landes- und Bundesdemagogen der sogenannten CDU immer so gerne beansprucht wird; einer CDU, die doch sonst immer in Begeisterungsstürme ausbricht, wenn jemand von Eigenverantwortlichkeit schwätzt.
Viel wichtiger ist mir jedenfalls die Frage: Bin ich integriert? Ich bin es nicht, um es gleich zu sagen. Ich bin viel zu wenig integriert- das steht fest.
Mit Migranten habe ich, wenn überhaupt, nur professionell zu tun, nie privat. Ich spreche seit 1993, also lange vor dem politischen Establishment, von Migration und nicht von Ausländern in unserer Gesellschaft oder, noch schlimmer, von Überfremdung und zwar nach der Lektüre der Aussichten auf den Bürgerkrieg von H.M. Enzensberger. Sprachliche Vorsicht, und sei sie auch verwandt mit intellektueller Pose, entschärft den Konflikt, beruhigt die Debatte. Doch integrierend wirkt sie wenig.
Ich bin also tatsächlich viel zu wenig integriert. Nicht mal für fremdländisches Essen interessiere ich mich ja, es sei denn, es handelt sich um eine domestizierte Variante des benachbarten Edel-Italieners oder irgendwas mit China & Kanton. Ein interkulturelles Deutschbuch habe ich mal geschrieben aber ohne Herzblut und eigentlich in allererster Linie nur, um die Schaffensbilanz zu steigern und viele kleine iPods und ihre großen Verwandten kaufen zu können. Und auch mit der Anbindung an die Herkunfts-community ist es nicht sonderlich gut bestellt. In Vereine gehe ich nicht, der Thekenmensch turnt mich ab, die Nachbarschaft langweilt mich und ganz generell bin ich ein Mensch, der sich gerne mal versenkt in allerlei Dies & Das. Es ist diese Melange aus Überdruss, Desinteresse, Egozentrik, an der ich leide. An der wir leiden.
U. geht mit mit seinen Anliegen immer gleich direkt zu Frau Ministerin. Das ist praktisch (Schreib mir das mal auf, ich weiß schon, wem ich das gebe...), keine Frage. Wer wandelt schon gern auf dem Dienstweg, der dann doch meistens irgendwo im Nichts versandet?
U. macht sich da frühere, frühe Kontakte zunutze aus einer Zeit, in der Frau Ministerin noch selbst die bildungspolitische Basis beackerte und froh über ihren Brotberuf war; so weit von einer Ministerin-Laufbahn entfernt wie die Klassenkämpfer der CDU von einem Ja zur Gesamtschule oder einem Nein zu AKW oder zur Hauptschule (ach ja, das WELTBILD). Ich gönne es U.; er ist ein feiner Kerl und nutzt seine Kontakte in allererster Linie für vielfältige friedenspädagogische Aktivitäten, die ihn schon bis in den Kreml geführt haben.
Ich aber, ich kenne keine Top-Entscheider in Politik und Verwaltung und war noch nie in Moskau. Ich irre nach wie vor nur durch die endlosen Gänge metaphorischer Schlösser, auf der Suche nach Orientierung und jemandem, der sich meiner Anliegen annimmt (nun, die Sekretärin hat eigentlich immer ein offenes Ohr, ich beschwere mich also über nichts!).
Ich habe allerdings auch generell ein unnatürliches Verhältnis zu stark exponierten Personen, sprich: zu Prominenten. Ich (wie ja die meisten hier) hatte mal zu tun mit Ex-Hubschrauber-Beiflieger Jauch, mit Cornelia Funke (na ja, das war vor Tintenherz, also zu einer Zeit, als von Ruhm noch wirklich keine Rede sein konnte!), Janosch, TV-Nachrichten-Service-Kräften; so diese Liga. Nichts besonderes, aber doch ein gelegentlicher Umgang, von dem ich einige Zeit lang hoffte, einmal profitieren zu können.
Da wurde dann mal gar nichts draus. Vielleicht lag das aber auch an meinem verklemmt- berechnendem Benehmen diesen Herrschaften gegenüber, das den Zelebritäten ganz bestimmt unangenehm war. Subalterne Figuren in den medialen Produktions- und Verwertungsfabriken, so wie damals ich, neigen ja zu unfreundlicher Beiläufigkeit, um nicht der Einschmeichelei verdächtig zu werden. Hieße ich Fritz Pleitgen; das würde mich auch genervt haben.
Aber all das nur nebenbei. Ich habe ja dann doch noch etwas gelernt, das mir ein erfreuliches Maß an Autonomie sichert. Nun allerdings bin ich an einem Punkte angekommen, an dem ich mich sehr freuen würde, wenn eine freundliche Fee- Ministerin behilflich wäre mit einem nonchalanten: Gib mal her.... Wenn ich meine Aufgabenbeschreibung nämlich lese, in der es seit neustem unter anderem heißt: ... sorgt für administrative und pädagogische Strukturen, in denen sich die Anzahl der Schüler mit sehr gutem und gutem Abitur deutlich erhöht. Oder: Entwickelt und implementiert geeignete Unterrichtsformen eines längeren, gemeinsamen Lernens. Er steuert den Prozess, in dem Kompetenzorientierung selbstverständliche didaktische Unterrichtspraxis wird! Inklusion, Lehrpläne, Schulprogramme, Konferenzen... sichert den Weltfrieden... hält den Einfluss der Bertelsmann-Stiftung aus der Schule heraus...- das fehlt, aber ich habe die letzte Sprosse auf meiner Leiter ja auch noch nicht erreicht. Da gibt es dann schon noch genug zu tun.
Glauben Sie mir- Sie haben vom alltäglichen Behördenwahnsinn in einer großen NRW- Schule keinen Schimmer. So wie ich keine Ministerin!
Der Mensch ist des Menschen Freund- vielleicht nicht immer, aber doch der wichtigste und zumeist der beste. Kern des Weimarer Anlasses wäre dieses, wenn ich einen herausschälen sollte. Tieferer Grund. Auch der prosaischen Reflektionen (Wissenschaft war´s ja doch nicht) über Gestein, Farben und Anatomie.
Doch wozu dieses manische Rückbesinnen auf griechische Helden, Frauen, Inseln, Familien, Stoffe, Küsten, Form? Edel, hilfreich, gut; sicher, sicher- doch wenig edel und gut ging es oft genug zu bei den Urworte sprechenden und Geometrie erfindenden Antiken, wenn Prometheus in Kaukasischer Einöde festgekettet sich täglich die Leber hat herauspicken lassen müssen vom hungrigen Federviech oder Achill im Tempelbezirk des Apoll raubt und vergewaltigt?
Und auch Iphigenie hatte es ja durchaus nicht schön im Tempelhain der Jagdgöttin Diane auf Tauris, beladen mit verfluchter Familiengeschichte, verschleppt in die Fremde, begehrt von geilen Kriegerhorden, ausgeliefert dem königlichen Jungmann, einsam und fragil beschützt bloß von einer imaginären, durch und durch imaginären Chimäre, eben Diane. Das Göttliche... ach Gott, ja sicher, aber Gott? Nicht bei Goethe.
Eine determinierte Iphigenie. Keine
Goethesche
Denken, Erziehen, Befreien. So schon eher. Iphigenie lässt sich nicht begrenzen, weder emotional noch intellektuell noch in ihrer Menschenfreundlichkeit. Nicht wegen ihrer traumatischen Familiengeschichte zerbricht sie, sondern trotz ihrer Familiengeschichte entwirft sie ein pädagogisches Therapieprogramm für Traumatisierte, seelisch Verwundete und emotional Verkrüppelte; wird heilsam für andere, erst für Bruder Orest, dann für König Thoas. Eine moderne Ärztin und Didaktikerin. Utopische Projektion? Sicher. Aber eine, die den Mythos belebt. Und eine, die ihm widersteht.
Die Feuerbach-Iphigenie: Trauer, Sehn-
sucht? Ja, aber keine Mauern!
Neben Iphigenie ist es die zweite großartige Frauenfigur im Oeuvre G.s, Makarie aus den Meister-Romanen, deren vordringliches Talent und Interesse der Erziehung eines neuen, eines besseren Menschengeschlechtes gilt. Eine späte Schwester der Iphigenie. Ideal, nicht idealisiert!
Auch Kassandra etwas weiter nordöstlich kämpft und leidet nicht weniger leidenschaftlich. Sie hat aber dennoch das Interesse Goethes nicht wecken können, oder nur wenig. Obgleich auch ihr Schicksal urtypisch wurde für das Schicksal und den Auftrag des modernen Menschen: Es besser zu machen, sich zu behaupten ohne Loyalität einzubüßen. Doch Kassandras Umfeld, ihre Bedingungen werden übermächtig. Ein Mythos daher wenig geschaffen für Weimar, eher für die Postrevolutionäre der Büchner-Zeit und Sozialapokalyptiker der Heißen und Kalten Kriege des 20. Jahrhunderts. Christa Wolfs Iphigenie-Cousine zerbricht an den Troja- Intrigen der Herrscherclique; Objekt gewordener Spielball in den Händen ihrer Feinde innerhalb und außerhalb der so geliebten Heimat. Determiniert durch und durch, ohne Hoffnung. Eine Anti-Iphigenie, mit deren Schicksal die Auseinandersetzung sich wieder mehr und mehr lohnt. Leider!
Layout by ichichich.