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Montag, 13. Februar 2012
Textfilm

Was wissen Sie schon? Also, eigentlich bin ich es, die die Fragen stellt...Ist eine Berufskrankheit. Ach, Sie sind krank? Es sind solche völlig sinnfreien, gestelzten Tatort- Dialoge (in diesem Falle zwischen Ermittlern und Zeugin i.e. Täterin!), die alleine schon geeignet sind, mich schier verzweifeln zu lassen über die Abgründe, vor denen ich stehe, wenn ich ein wenig Zerstreuung mir erhoffe von dem deutschen Dienstleistungsfernsehapparat. Ich ertrage es nicht mehr. Ich ertrage es einfach nicht, dieses öde-dröge Beamten-Konzept-Fernsehfilmchen-Surrogat eines anderswo und jedenfalls ehemals großen, herrlichen Genres: des Krimis. Was kann der alles sein und was war er auch schon alles: schwarz, atemraubend, grausam, dramatisch, futuristisch, filmisch: visionär! Doch der Tatort: Das ist Brei, ein einziger fader Brei. Massenkompatibel zwischen Lindenstraße und Jauch. Nichts, das die mit DEGETO-Software formatierten Hirne der Generation Ü6 in irgendeiner Weise fordern könnte, also jetzt... im ästhetischen Sinne.
Und wie sollte es auch anders sein? Es beginnt mit der elenden 90-Minuten-Taktung. Die Welt wird defragmentiert und fragmentiert- aber immer innerhalb exakt 90 Minuten und zwar ganz unabhängig davon, ob eine Geschichte schon vorher oder noch nicht zuende erzählt ist. Zumeist handelt es sich aber auch gar nicht um eine Geschichte im engeren Sinn, sondern viel eher um ein abgefilmtes Textkonzept. Film-formale Wüste, auf der das Flaggschiff so vor sich hin dümpelt.
Die SWR-WDR-BR-HR-RB-Gender-Tante sorgt für die rechte Frauenquote am Set und im fiktionalen Kommissariat. Und natürlich dafür, dass den Kerlen der Marsch geblasen wird- also wahlweise dem gedankenlosen Macho-Kollegen, den prügelnden Täter-Vätern oder dem arroganten Schnösel-Staatsanwalt (der A-14+ Beamte immer gerne mit Föhnfrisur im Jaguar und vor Schlosskulisse). Frauen jedenfalls immer weitaus stärker, immer bedeutend besser motiviert, immer, also buchstäblich immer: im Recht! Auch, wenn sie morden. Oder besser: Gerade dann!
Der SPD-nahe Senderchef höchstselbst achtet auf die sozialkritische Dimension. Kein Täter ohne Außenantrieb. Schlecht ist, was uns schlecht macht. Ganz so, wie es gelehrt wurde in den kritischen Seminaren der 60er und 70er Jahre Phil.-Fakultäten. Also irgendwie: Sozialpsychologisch. Hurrelmann, Tillmann, Erikson- so in der Art. Und dies Elend wird dann mit dem gesamten Konsens-Inventar dokumentiert (Kernkompetenz des Behördenfernsehens!): Mürrische Gesichter, enge Wohnzimmer, qualmende Kindermütter, Beton, unterhemdbewehrte Schmerbäuche, schlechte Zähne, brennende Ölfässer im Elendsquartier downtown Cologne und und und.
Dem romantischen Regisseur und seinem ehrgeizigen Kameramann verdankt der geneigte Gelangweilte die minutenlangen Visagen-Großaufnahmen. Doch was soll da zu sehen sein? Was könnte da interessieren? Da ist ja nichts. Als Charakterschauspieler brauchst du vor allem eines: Charakter! Postel, Batic, Schenk und wie sie alle heißen haben aber bestenfalls Textkenntnis.
Und dann natürlich: Beziehungen! Das ewig enge Geflecht emotionaler und sozialer Bindung, welches offenbar so dringend allgegenwärtiger, klärender Aufarbeitung bedarf. Auf diesem Felde zeigen sich die Figuren authentisch, sensibel, glaubwürdig. Hier werden die Noten der Kritikerindustrie vergeben. Beziehungen und Figuren, Figuren und Beziehungen! Wehe, da wagt es mal einer, etwas passieren zu lassen. Dann kommt der WDR- Werk... ähhh Jugendschutz und verbannt das ganze Ding auf 0.30 Uhr.
Polizeipärchen-Mätzchen gehören ja seit Felmy- selig zur Routine, doch zum guten Tone nun auch und immer mehr: Befindlichkeit. Um sie geht es so recht eigentlich in diesen Episoden-Studien: die mitleidende Betroffenheit des Personals. In ihr bricht und zeigt sich das Elend der abgefilmten Welt. Die Steigerung ist die persönliche Betroffenheit: Da wird geschrien, gezetert, umarmt, gesoffen, geheult und geliebt (die Zeugin! das Opfer! den Täter!) - der Kommissar und Frau Kollegin lassen so richtig die Sau rausl Man ist ja Mensch und die private Konkurrenz im Nacken hat´s ein für allemal vorgemacht: Baby, ich will Gänsehaut, ehrlich!

jagothello am 13. Februar 12  |  Permalink  |  0 Kommentare  |  kommentieren



Samstag, 4. Februar 2012
Füßchen lecken

Prokofjew und die Sex Pistole haben die Musik auf ihren ekstatischen Höhepunkt geführt. Mozart auf den der Schönheit. Gedichtet werden muss nach Shakespeare, Goethe und Eichendorff (und Ringelnatz!) nicht mehr. Freud und nun auch sein Enkel sind tot, tiefere Abstraktionen als die des Sam Francis stehen nicht zu erwarten. Die Kulturkritiken- und geschichten sind geschrieben, die ideologischen und materiellen Schlachten geschlagen, jeglicher ökonomische Zyklus durchlebt. Messis Barcelona wird auf ewig unerreicht bleiben, besseren Wein als den Roten aus Montepulciano wird niemand mehr keltern, eine schönere Stadt als Paris niemand mehr bauen, großartigere Romane als die zeitgenössischen Helden der amerikanischen Literaturszene niemand mehr schreiben.
Religionen wurden erfunden, verworfen, erneuert. Buße wurde geleistet, Rache genommen, gespalten, versöhnt und neu begonnen. Selbst der technische Fortschritt erreichte seinen Scheitelpunkt und zwar spätestens in dem Jahr, in dem nahezu jeder kreditfähige Bürger der westlichen Hemisphäre mit Rechenkraft in der Hosentasche herumläuft, die die der Raumfahrttechnologie der 70er Jahre bei weitem übertrifft, also in 2011. Presse, Rechtsprechung, Floristik, Psychotherapie, Logistik, Film, Verwaltung, Architektur, Didaktik, Design: Überall wurde der Zenit mehr oder weniger deutlich überschritten und wer den Funktionsgraphen einer Parabel zu untersuchen versteht, weiß, dass der Keim des Untergangs in ihm stets schon vorgezeichnet ist. Die Abwärtsbewegung setzt sich in Gang mit kalter Folgerichtigkeit, denn Stillstand ist in der Mathematik nicht vorgesehen! Die 0, soviel zur Erinnerung, ist nichts als ein Buchungstrick, eine Erfindung arabischer Kaufleute. Das Nichts gibt es nicht!
Untergang steht also an. Über kurz oder lang. Und der wird stets begleitet von spät- Westerwellscher Dekadenz. Man werfe nur einmal einen Blick auf die AIDA, ins Dschungelcamp, das Entwicklungshilfeministerium, ins Bellevue oder in die ARD.

PS Eigentlich wollte ich etwas ganz anderes schreiben aber dann... es hängt ja doch alles irgendwie zusammen! Ich trug mich jedenfalls seit Stunden herum mit den Plänen für eine kleine Meditation über die Frage, was George Clooney in The american eigentlich so treibt, nachdem er durch allerlei Geflirre und Gefummle die atemberaubend attraktive Gespielin vollständig entflammt hat, dann aber plötzlich abtaucht unter die Decke, er also gar nicht mehr zu sehen ist? Dafür aber in Großaufnahme das Gesicht der Partnerin, welches nun mehr und mehr Artikulationen höchster Entrückung und Verzückung (geschlossene Augen, halb geöffneter Mund, wildes Umherwerfen der prachtvollen Mähne, spitze Schreie) zeigt. Ich wollte einmal darüber nachdenken, welche männlichen Instinkte da eigentlich bedient werden, wenn die Professionelle auf ihr Honorar verzichtet in der Dankbarkeit, es nach dem täglich-öden Gerammle nun endlich einmal so richtig besorgt bekommen zu haben. Vielleicht hätte ich gar etwas zuwege gebracht über das solcherart transportierte Frauenbild. Das wäre natürlich alles viel interessanter geworden als dieses ewige kulturpessimistische Gejammere. Ich bin mir darüber völlig im Klaren und gelobe Besserung. Die Frage aber nach dem Tun des Galans, die will ich wenigstens noch kurz beantworten: Er leckt Füßchen, was sonst?

jagothello am 04. Februar 12  |  Permalink  |  4 Kommentare  |  kommentieren



Mittwoch, 1. Februar 2012
Geographische Parallele, mentale Kreuzung

Den diesjährigen Holocaust-Gedenktag verbrachte ich in Buchenwald oder besser: In Weimar. Beziehungsweise an beiden Orten, die an sich einer sind. Geographische Parallele, mentale Kreuzung.

Alles zentriert

    Ungeeigneter Slogan für Kaffee und Benzin

Gleich neben dem Lagertor symbolisiert der ehemalige, heute noch sehr gut erhaltene Bunkertrakt den grausamen Terror, den Himmlers Sadistische Schergen hier acht Jahre lang verbreiteten.
Martin Sommer tat sich besonders hervor. Auf seinen Ruf, die gefürchtetste, meist gehasste Person des ganzen Lagers zu sein, hielt sich der Höllen- Hausherr einiges zugute. Hannah Arendts Diktum von der Banalität des Bösen gewinnt angesichts der geradezu unfassbaren Alltäglichkeit dieses Allerweltnamens eines einfachen Bauernsohnes weitere Bestätigung. Den erstklassigen Rang Sommers als Sadist dokumentieren Niederschriften von Augenzeugenberichten aber auch diverse Beurteilungen seiner Vorgesetzten, die im Ausstellungsbereich der Gedenkstätte, der ehemaligen Effektenkammer, in dem bis zur Befreiung des Lagers der durch Bruno Apitz´Nackt unter Wölfen zu Ruhm gekommene polnische Junge versteckt gehalten wurde, zu lesen sind. Kleinste Regelverstöße reizten Sommer zu grausamer Folter; legendär die Misshandlungen des Theologen Paul Schneider, der sich an Hitlers Geburtstag weigerte, die Mütze vom Kopf, quasi zum Gebet, zu nehmen.

Regelmäßig kommen Überlebende und Angehörige nach Buchenwald, um sich zu erinnern, zu trauern, um zu mahnen. Immer geschieht das am Holocaust-Gedenktag, also dem 27. Januar. Dieses Jahr reihte sich die thüringische Landtagspräsidentin ein in die Gemeinde sowie der italienische Senatspräsident Renato Schifani. Letzterer zeigte eine ganz ungewöhnliche, echte Betroffenheit, die ich von einem Berlusconi- Spaßfraktionär sicher nicht erwartet hätte. Schifani musste aber gar gestützt werden beim zeremoniellen Begucken des vorab von Lakaien drapierten Kranzes, bevor er dann zum ehemaligen Krematorium wankte, um sich auch das zu geben: Den Anblick der industriellen Verabfallungsmaschinerie, geschaffen, um die Leichen tausender Ermordeter zu entsorgen. Ein wahrhaft schockierender Schreckensort, auch 70 Jahre später. Übrigens liegt dieses suggestive Zentrum der gesamten Anlage gleich vis á vis des ehemaligen Lagerzoos, getrennt bloß durch einen meterhohen, allerdings unüberwindbaren Stacheldraht. Die hiesigen Bären hatten einen Tagesetat in Höhe von 3,- RM; die Gefangenen von unter 1,80 RM- insofern eine angemessene, verständliche Körperreaktion Schifanis.

Alles zentriert


    Renato Schifani in Buchenwald

Die Insassen kamen, zumindest in den ersten Jahren, die 8 km vom Weimarer Bahnhof heraufgelaufen auf den Ettersberg. Die letzten Meter, gleichsam ein Initiationsritual, war ein Spießrutenlauf zu absolvieren auf dem sogenannten Karachoweg; vorbei an Häme geifernden SSlern, getrieben und geschunden von scharfen Schäferhunden.
Der Bahnhof, zynisch kalkulierte Ironie der (ganzen) Geschichte, träumt auch heute noch gerade mal 1000 m entfernt von den Hochstätten der Weimarer Klassik vor sich hin: Frauenplan, Anna Amalia-Bibliothek, Stadtschloss, Schillers Bürgerhaus... Gerade im Winterschnee eine hochgradig malerische Welt. Um die Ecke das Elephant, vor dem Hitler sich feiern ließ und in dem Thomas Mann seine Lotte in Weimar Hof halten ließ. Orte von erstklassigem literarhistorischen Rang, die ihren ganz besonderen Charme im deckenden Winterschnee entfalten.

Alles zentriert


    Ein Bild, das es nicht geben dürfte: Goethes
    Privatbibliothek

Die peinlich gepflegten Reliquien der Hochkultur beziehen einen ganz einzigartigen Reiz aber auch aus dem Kontrast mit dem benachbarten Unort. Es ist längst nicht ihr einziger Reiz, sicherlich nicht, aber doch ein ganz wesentlicher. Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob es legitim ist, diese Spannung touristisch auszuschlachten, also gewissermaßen ökonomischen Gewinn zu erwirtschaften mit dem Schrecken der NS- Herrschaft. Weimar hat ja Buße getan und ein kulthafter Reisebus- Remmidemmi wie am Hitlerschen Berghof in Berchtesgaden hat hier nicht statt. Buchenwald ist schließlich eine eher akademisch-abstrakte Gedenkstätte, entkernt, die sich für derlei Mätzchen nicht so recht eignet. Sogar Wohnungen gibt es ja wieder gleich nebenan auf dem Berg. Und doch: ob im Rokokosaal der Anna-Amalia, im Gewölbetheater oder in der Fürstengruft: Die Gespenster bleiben und durchwehen Stadt und Stimmung.

jagothello am 01. Februar 12  |  Permalink  |  0 Kommentare  |  kommentieren



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