September 2025 |
||||||
Mo |
Di |
Mi |
Do |
Fr |
Sa |
So |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
8 |
9 |
10 |
11 |
12 |
13 |
14 |
15 |
16 |
17 |
18 |
19 |
20 |
21 |
22 |
23 |
24 |
25 |
26 |
27 |
28 |
29 |
30 |
|||||
80,-€ netto soll ich mehr verdienen im Jahre 2012 pro Monat. Ohne weitere Begründung, wahrscheinlich haben meine Interessenvertreter im Landtag irgendwann in der jüngeren Vergangenheit eine günstige Ereigniskarte gezogen. Für solches Spielglück bezahle ich sie ja auch. Schon recht so.
Dann allerdings regt sich Misstrauen. Entspricht diesem nicht unerheblichen Mehrverdienst auch ein realer Mehrwert, erwirtschaftet in den Produktionsstätten der chemischen, nahrungsmittelerzeugenden, schuhproduzierenden oder sonstwie gearteten Industrie? Oder handelt es sich wieder einmal um Buchgeld, angetan ausschließlich dazu, per kalter Progression beziehungsweise banaler Inflation Geld in die Finanzamtskasse zu spülen und die Finanzblase weiter aufzupusten?
Ich bin ja kein Volkswirt, nicht einmal Betriebswirt- auch sonst kein Wirt. Ein wenig erinnere ich mich aber schon an Keynes. Der wollte die zornigen, streikenden Arbeiter beruhigen, indem er dem Kapital anrat, höhere Löhne zu zahlen, gleichzeitig aber dem Staat, die Geldmenge auf dem Markt zu erhöhen, so dass die Inflation stieg und der Reallohn sank. Ein Bauerntrick, ersonnen, um das Prekariat, das damals noch Proletariat hieß, hinter die Fichte zu führen, wie Jürgen Trittin immer so schön großväterlich sprachbildet. Sozialer Friede ist nun mal ein wichtiger Standortvorteil und gründe er auch auf Betrug.
In dieser kritisch gestimmten Nachdenklichkeit gießt Heiner Flassbeck, ehemals Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Lafontaines, weiter Öl ins Feuer. In einem Vortrag (konkret 12/2011, S. 18 ff.) vor den Linken (Ist übrigens links, wer Angela Merkel für einen 5,-€- Mindestlohn-Kompromiss Beifall klatscht?) scheint jener Flassbeck mit einer ganz ähnlichen Gedankenfigur zu spielen: Die Löhne sollen steigen und dann kann man mit den Arbeitern darüber diskutieren, was mit diesem Geld gemacht wird, ob man es für ökologische Zwecke einsetzt oder ob man es für primitiven Konsum einsetzt.
Staatlicherseits moralische Standards vorgeben, was die Verwendung von Einkommen betrifft, existenzielle Konsuminteressen als primitiv denunzieren; Windkraft oder Babywindeln. Es ist exakt diese Arroganz, die aus Lafontaine einen Sonder(ab)fall der Geschichte gemacht hat. Ich bin jedenfalls mal sehr gespannt, wann Flassbeck vorspricht, um mit mir über 80,-€ zu diskutieren.
Karl Theodor zu Guttenberg wird abermals aktenkundig. Seine Bewerbung an das Bundespräsidialamt um den vakanten Posten des Bundespräsidenten-Sprechers versah der fidele Fürsten-Spross mit dieser stümperhaften Passbildfälschung des kürzlich zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilten Passbildfälschers David Beltracci:
Ich empfinde Weihnachten als eine substanzielle Zeit im Jahr: geistig, kulturell, emotionell, materiell, kulinarisch sowieso. Das Hamsterrädchen dreht sich merklich langsamer, die beschwörend-suggestiven Besinnlichkeitsformeln entfalten ihre sedierende Wirkung spätestens am ersten Ferientag. Zeit, Ruhe und Muße kehren ein, um Dinge zu tun, die aufgeschoben waren aber doch fest verankert in der Jahresplanung; ja, sogar durchaus einer gewissen Tradition entspringen. Überhaupt hat meine so deutlich spürbare jährliche Weihnachtskontemplation mit frühkindlicher Prägung und tief verwurzelten Ansprüchen zu tun. Mit dem Anspruch auch, alles richtig zu machen, damit es gelingt, denn: Weihnachten ist die Zeit der Zeit, des Miteinanders, der Ein- und Abkehr, des freundlichen Sprechens, der Zuwendung.
Der Inspiration. Und so lass ich mich inspirieren. Ich streife stundenlang durch mal virtuelle, mal reale, immer bunt-lockende, phantastische Konsumlandschaften. Ich besuche Ausstellungen. Ich erhalte Post von Menschen, an die ich sonst nicht denke. Ich gehe ins Kino (Gott des Gemetzels) und ins Theater (Gott des Gemetzels). Dort treffe ich weitere Menschen, die ich jahrelang kaum treffe aber doch zu gut kenne, um nur höflich nickend vorbeizuziehen. Es reichte vielleicht sogar einst zu einem zärtlich-vertrauten Begrüßungsküsschen. Das ist zwar lange her aber doch hüben wie drüben präsent, was die steif-zähe Hi-wie-geht´s-denn-so-Routine umso peinlicher werden lässt. Inspirierend aber auch das, irgendwie.
Und dann: Ich bekomme Bücher von Umberto Eco geschenkt und lese sie. Mir gefällt der Gedanke ungemein, Umberto Eco- Leser, -Freund und -Bewunderer zu sein. Vielleicht sogar ein verstehender. Ich bin es nicht, tue aber seit Jahren mein bestes. Ich lese überhaupt viel: Gott des Gemetzels und Charles Dickens´ Weihnachtsgeschichten. Sie sind mein same procedure as every year, denn zu Weihnachten, so lautet der Beschluss, braucht´s stabile Baum-Gans-Lied-Buch- Traditionen. Ein schöner Gedanke ja auch, dass es einmal heißen wird: In diesem Band las einst euer..., nicht wahr?
Ich lasse mich desweiteren überreden, am 32. ARD-Terroranschlag auf den guten Geschmack hintereinander Der kleine Lord teilzuhaben und verdamme mich für meine zum 32. Male empfundene Rührung ob der Herzerweichung des alten Knackers angesichts des herzenslieb-freundlichen Enkelsohns. Und überhaupt: Der Selbsthass! Ich verdamme auch meinen nihilistisch-ätzenden Impuls, selbst in diesen Momenten der harmonischen Eintracht, der stillen Zufriedenheit und des geteilten Glücks die Dinge einer kritisch-rationalen (das heißt im Falle eines Hollywood-Elaborats: durch und durch unsinnigen) Würdigung unterziehen zu wollen; ergo, am Drehbuch herumzumäkeln, über die nichtswürdige Drogenexistenz des Lord-Darstellers zu geifern und so weiter und so weiter und so weiter; meiner überaus liebenswerten Familie also die Laune zu vermiesen.
Weihnachten ist, ach was, Geschenkezeit. An sich spricht sicherlich überhaupt nichts dagegen, einen Gutteil des kommerziell-materiellen Familien- Gesamtvolumens am Jahresende zu bestreiten. Der familiäre Diskurs wird dabei ganz beiläufig auf das Erfreulichste beflügelt z.B. in dialektischen Debatten über Sinn und Nutzen der eingeforderten Dinge. Ich bin schließlich von Haus aus Protestant. Ein protestantischer Weihnachtsfeierer mit Anspruch auf Besinnung auf die christlichen Wurzeln des Festes bei gleichzeitiger Verweigerung eines Besuchs der christlichen Hochamtsstätten aus pragmatischen Gründen. Pragmatisch sein; das ist ja neben spießig sein (zur Spießerei bekennen sich alle oder doch viele Menschen. Kleinbürgerlich nennen darf man sie aber nicht!) der Kodex unserer postkatholischen, postprotestantischen Epoche, dem auch ich bedingungslos anhänge!
Es bieten sich also, um den gesponnenen Faden endlich wieder aufzunehmen (gut, dass ich mich nicht vom Schreiben nähren muss), herrliche Anlässe, allerlei Streitereien vom Zaun zu brechen über das geänderte Freizeitverhalten der heutigen Jugend oder auch über die Bildungsferne selbst zukünftiger akademischer Eliten zu schwadronieren. Oder zu lesen: Gemeinsam mit dem Sprössling bei Kerzenlicht seitenlange Bedienungsanleitungen (6pt) für den schicken Modellhubschrauber in einem Gemisch aus Koreanisch und (na ja) deutsch zu durchforsten nach der Ursache ewigen Absturzes. Authentische Leseanlässe nennt das die Didaktik und meint damit: Hier macht´s wirklich einmal Sinn, das Lesen!
Und so könnte ich weiter und weiter und weiter vor mich hin brabbeln und täte das auch sehr gerne noch zumindest über kulinarische und, insbesondere, partnerschaftliche Aspekte des Festes unterm und am und vom Baum. Doch der Zaunpfahl winkt überdeutlich in Gestalt der Turmuhr, die gerade Weihnachts- Kehraus schlägt. So lass ich es denn für´s Erste und freue mich auf nächstes Jahr, denn: Siehe oben!
Ein spektakuläres Doppelmuseum ziert seit gut einem Jahr die Kölner Innenstadt. Das Rautenstrauch-Joest-Museum ist aus der Südstadt herübergezogen. Angegliedert wurde ein Erweiterungsbau des Museums Schnütgen, das endlich Raum hinzugewann, zahlreiche mittelalterliche Artefakte aus den Archiven in einem würdigen Rahmen zu zeigen.
Sammlungen und Architektur gereichten auch der europäischen Ersten Städte-Liga zur Ehre. Ein Haus, das sicherlich auch in Hamburg oder Paris ein interessiertes, dankbares Publikum fände. Wir aber wären nicht in Köln, wenn es zunächst mal keine Parkplätze gäbe. Nun ja, das Museum liegt wirklich im pulsierenden Herzen der aus allen Nähten platzenden, viel zu klein gewordenen Stadt, gleich am Neumarkt. Man fragt sich als ortskundiger Besucher, der, eben weil er ortskundig ist, mit der Bahn anlangt, aber dennoch, warum das fußläufige Passieren der Straße davor geschlagene fünf Minuten dauern muss: Fahrbahn Richtung Rudolfplatz! Straßenbahn Richtung Heumarkt! Straßenbahn Gegenrichtung! Fahrbahn Gegenrichtung! Fragen aber sind das, die müßig sind in einer Stadt, in der wirklich jedes Gässchen und jedes Werkstor über eigene Ampelanlagen verfügen, die en passant den Verkehrsfluss der größten Ein- und Ausfallstraßen lahm legen.
Entnervt also erklimmt man dann die Treppen (zu Justizia und der Kunst geht es ja immer hinauf, nie hinab) ins Foyer und wird, das muss ich sagen, entschädigt: Entreé in ein prachtvolles Heiligtum der postkatholischen Ära, gleich nebenan, im Hause Schnütgen, Höhepunkte mittelalterlicher Sakralkunst. Das hat schon was!
Indonesischer Reisspeicher im Foyer des Rautenstrauch-Joest-
Museums, Köln
Die Etagen dann zeigen nicht bloß, sie sind; z.B. realitätsnah nachgebildeter Lebensraum der südafrikanischen Xhosa. Die Abteilung kulturelle Identitäten schlägt Brücken zwischen niederbayerischer Trachtenkleidung und südpazifischen Penishaltern. Derart interkulturelle Bezüge sorgen für Spannung und Aktualität. Sie helfen, den Blick zu schärfen und Klischees als Klischees zu erkennen. Ein Beispiel: Festgemeißelte, westliche Vorstellungen amazonischer Riten, Mythen und Lebensweisen (Das sind doch die, die mit Lendenschurz beschürzt Froschgiftpfeile abschießen) kontrastieren mit pazifischen Vorstellungen Deutschlands. Deutsch: Das ist für dortige häufig die Imago biersaufender Dirndl- und Lederhosenträger, rotköpfig und blond. Es dämmert die Begrenztheit solcher Bilder, es wächst das Bedürfnis, einmal selbst nachzugucken und vielleicht gar ein anderes Beispiel abzugeben. Die trennende Kluft ist möglicherweise gar nicht so tief. Ganz nebenbei keimt die Frage, warum sich deutsche Identität, so sie sich in der Lebensart deutscher Menschen zeigt (und das tut sie ja), in der Außenwahrnehmung derart stark über ein einzelnes, bevölkerungsschwaches Bundesland definiert.
Man guckt also in diesem Hause, man staunt, man denkt! Was will man mehr erwarten von einem Besuch im Museum?
Layout by ichichich.