Im Gewicht ein ich

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Freitag, 2. September 2011
Hurra, ich lebe noch!
Akt 1: Frau Doktor verabreicht ihre bitteren Pillen: 1.- eine unerfreuliche, dringend zu behandelnde Epithelschädigung liegt vor. 2.- die operative Prozedur mittels Lasertechnik ist schmerzhaft aber alternativlos. 3.- die Krankenkasse zahlt nicht. Die Krankenkasse zahlt nicht? Wie bitte? Wozu bin ich Mitglied einer Krankenkasse, wenn sie wichtige Operationen nicht bezahlt? Das weiß Frau Doktor nicht. Frau Doktor weiß nur: Die Krankenkasse zahlt nicht. Besagte Leistung ist nicht enthalten im Katalog meiner speziellen Kasse. Sie ist sehr wohl enthalten im Katalog anderer Kassen, aber nicht in dem der meinen. IGEL ist somit angesagt. IGEL bedeutet "Individualisierte Gesundheitsleistung", ist also nichts weiter als ein stacheliger Euphemismus für "Krankenkasse zahlt nicht- mach´s doch selbst!". Unterschreiben Sie hier, bitte. Übrigens: Haben Sie schon 10,-€ Maut entrichtet?
Akt 2: Hören Sie, das kostet 312,-€. Ich bezahle als freiwillig Versicherter bei Ihnen 600,-€ jeden Monat- und zwar seit Jahren. Warum sollte ich das länger tun, wenn ich dann im Ernstfalle doch alles alleine übernehmen muss? Man wird nun technisch, umlullt den verärgerten Kunden mit pseudomedizinischem Gequatsche: Die Leistung ist bei uns nicht im Leistungskatalog enthalten, weil das zu entfernende Gewebe mittels Laser zerstört wird und einer histologischen Nachuntersuchung nicht mehr zur Verfügung steht. Warum arbeitet Frau Doktor nicht mit dem Skalpell? Ich begleite das Fräulein von der Talkline auf dieses rutschige Eis. Schließlich bin ich gutwillig, kooperationsbereit. Und motiviert! Wenn zwei keine Ahnung vom selben Gesprächsgegenstand haben, kann schließlich doch noch etwas dabei herauskommen. Also tief Luft geholt: Es drohen in der sensiblen Gesichtsregion kosmetische Komplikationen, wenn da mit Messern gefuhrwerkt wird. Und: Eine Gewebeprobe ist bereits entnommen, ja, sogar bereits analysiert! Und: Die von Ihnen vorgeschlagene Methode ist TEURER als die Laser- Operation. Und schließlich: Frau Doktor verweigert sich ihrer! Resignation bei so geballter Renitenz: Ich verbinde mit meinem Chef. Der Chef braucht jeden Depp, der ohne nennenswerte Gegenleistung freiwillig aufkommt für das Riesenheer der zuspruchbedürftigen Viertel- Halb- und Dreiviertelkranken, das sich jeden Morgen und jeden Nachmittag tummelt in den muffigen Praxiszimmern (was machen all diese Leute eigentlich mittwochs?), kurzum: er zeigt sich kompromissbereit für den Fall, dass Frau Doktor ihre medizinischen Argumente kurz aufschreibt. Gerade noch mal die Kurve bekommen, mein Freund- die DKV- Gangster residieren schließlich gleich nebenan. Die können privat noch besser! Alles wird gut. Alles wird gut?
Akt 3: Ich darf Ihnen das nicht aufschreiben. Das würde bedeuten, dass ich aus einer IGEL durch die Hintertür eine Kassenleistung konstruiere. Das ist durch Vertrag mit der ... Nein, nein, liebe Frau Doktor: IGEL ist perfekt! Ich zahle bar. Für meine private Kassenabrechnung wäre es aber hilfreich, wenn Sie kurz niederschrieben, warum in diesem besonderen Fall eine Laserbehandlung das Mittel der Wahl ist. Nein, ich schreibe das nicht auf. Sie können privat mit der Krankenkasse abrechnen. Ja, genau, darum geht es ja. Ich ... Das Schaltergirlie kommt maulend zuhilfe (aber nicht mir): Ihre Krankenkasse zahlt nicht! Vielleicht zu früh, aber ich gebe auf. Frau Doktor, bitte lasern Sie. Später dann (sediert von selbst verordneten Schmerzmitteln, selbstverständlich selbst bezahlt!): Ich formuliere mir die Seele aus dem Leib für die Granden des medizinischen Dienstes. Es sind ja Ferien und ich bin mittlerweile- nun ja, medizinisch durchaus vorgebildet!
Intermezzo: Ohrenentzündung. Ganz, ganz seltene Sache bei mir. Zuletzt so vor 34 Jahren. Das App schickt mich gleich ums Eck zum Ohrenspezialisten (Seltsame Lebensentscheidung: "Nun, werde ich doch mal Fachmann für die Hörkanäle der Leute..."). Auch hier denkt man durch und durch pragmatisch, das Elend der zahlenden Kundschaft bleibt zu allererst einmal... Nebensache: 10,-€ Praxisgebühr, bitte sehr. Ja, die habe ich aber schon bei Frau Doktor entrichtet. Einmal im Quartal reicht doch? Ich lege die Quittung vor. Das reicht NICHT. Da brauchen Sie (nicht etwa "wir") eine Überweisung. 10,-€, bitte.
Akt 4: Ich darf Ihnen die Salbe nicht geben, weil Frau Doktor per Rezept auf Reimport dieses speziellen Firmenproduktes besteht. Hier, sehen Sie? Dieses Kreuz auf dem Rezept bedeutet: Nur von dieser Firma. Wann die aber liefert? Das weiß kein Mensch. Die produziert im Ausland. Ja, und jetzt muss ich sterben, oder wie? HiHiHi- ich ruf da mal an. 20 Minuten später: Also, die Praxis sagt, sie schickt ein neues Rezept. Mit dem kommen Sie dann wieder, ja? Ja!
Akt 5: Also, ich hab Frau Doktor noch einmal gefragt. Ich darf Ihnen kein neues Rezept ausstellen. Die Apotheke kann Ihnen aber einfach das Medikament vom Originalhersteller geben. Sie bezahlen dann einfach die Differenz. Nun, die Apotheke besteht aber darauf, mir die Originalsalbe nicht verkaufen zu dürfen, weil das von Ihnen auf dem Rezept vermerkte Kreuzchen die Wirkung hat, dass sie sich andernfalls strafbar mache. Drucken Sie es doch einfach ohne dieses vermaledeite Kreuz aus und alle sind glücklich. Sehen Sie, das ist genau andersherum...
Sonst selten gegebene Akte 6 & 7 folgen auch noch und zwar spätestens dann, wenn eine belastbare Entscheidung der Krankenkasse vorliegt und ein zweiter Arzt wegen medikamentöser Unterversorgung der Wundstelle den Behandlungserfolg bedroht sieht. Aber es hat ja auch niemand behauptet, dass es sich um ein normales Drama handelt!
jagothello am 02. September 11  |  Permalink  |  6 Kommentare  |  kommentieren



Dienstag, 30. August 2011
Una bella vacanza oder: Vom Retten der Jugend

Alles zentriert

    Der Kranke in Italien.
    Was kamst zu schaun du in dieß Land so hold?
    Willst du, gehüllt in purpurfarbnen Sammt
    Den greisen Priester sehn beim heil’gen Amt?
    Bist du der Kunst, der göttlichen, im Sold?


Alles zentriert

    Hat die Granate, der Citrone Gold
    Dem bleichen Fremdling solchen Wunsch entflammt?
    Vernahmst du, daß man hier nicht streng verdammt
    Die Liebesglut von Tristan und Isold?


    Lockt dich das Bild der Welt beim Carneval?
    Der Leichtsinn, gaukelnd auf der Vorzeit Gruft?
    Der heiße Wein, umlaubt noch im Pokal?




    Pompeji’s Fund? Der Tiber rost’ger Raub?
    Die Geister, tanzend in des Meeres Duft?
    Der frischen Schönheit Glanz und heil’ger Staub?


    O nichts von diesem! gönnt mir eine Stätte,
    Sey es ein Hain, sey’s unter Tempelsäulen,
    Wo von Apollos scharfen Todespfeilen
    Ich, schwergeängstet, meine Jugend rette!

    Alles zentriert

Alles rechts am Rand

    Lyrik: Gustav Pfizer (1835); © Bilder: jagothello
jagothello am 30. August 11  |  Permalink  |  0 Kommentare  |  kommentieren



Mittwoch, 10. August 2011
London calling upon the zombies of death
Wie kürzlich an I´m legend fühle ich mich derzeit erinnert an einen filmischen Verwandten, nämlich an Danny Boyles 28 days later, wenn ich die vor Wut und Hass überschäumenden Menschen sehe, die marodierend durch Londons Vororte streifen, zu Gewalt und allem Weiteren bereit. Boyle entwarf seine finstere Utopie des auseinander brechenden common sense selbstverständlich mit den Mitteln des modernen Horror-Genres: er produzierte schließlich einen kommerziellen Kinofilm. Die metaphorische Filmsprache aber, die er fand, um den allgemeinen Verlust jeglicher Solidarität zwischen den Bewohnern ("Bürger" sind längst abgeschafft) sowie die uferlose Deklassierung Millionen von Menschen zu visualisieren, empfinde ich als ausgesprochen kraftvoll.

Alles zentriert


    28 days later: Der deklassierte Mob
    entert die streets of London
Boyle hätte sich 2002 wohl kaum ausgemalt, dass seine Visionen sich derart rasch an die sozialen Realitäten annähern. Aber so geht es häufiger zu, wenn weitsichtige, feinfühlende Autoren sich mit Zukunftsperspektiven befassen: Ihre Zeitgenossen wiegeln ab, verunglimpfen jegliche Projektion als "Spekulation", "Kaffeesatzleserei" oder schlicht als "Fiktion". Boyles Film ist Fiktion, sicher- was sonst? Fiktionen sind auch die Prognosen aus Brüssel zu Griechenland oder Assads Rosstäuschereien, mit denen er die Gewalt an seinem Volk legitimiert.
Und Fiktion war auch Orwells 1984; eine Zukunftsvision, die angesichts der realen Entwicklung heute geradezu altbacken wirkt; man denke nur an die Vorratsdatenspeicherung, die weitgehende Aufgabe der Privatsphäre oder auch an die Fetischisierung moderner Technik- diese Funktion übernahm bei Orwell in durchaus moderaterer Form noch die formatisierte Einheitsreligion.

Der ideelle Kern des Films jedenfalls nimmt offenbar auch außerhalb der kreativ (Jean Stubenzweig wird mir diese Sprachwurst sicherlich verzeihen) gestalteten Welt eine überaus konkrete Gestalt an- das kann man gar nicht anders sagen. Die Bilder ähneln sich bis ins Detail.
Bei Boyle verursacht ein Virus die Malaise. Das Virus diesmal springt nicht über vom Schimpansen auf den Tierschützer und von dem in Windeseile auf alle anderen. Wie im Film aber scheint es wenig greifbar zu sein. Sein genetischer Code ist nicht entschlüsselt. Diejenigen, die das leisten könnten, zeigen wenig Neigung; zu sehr profitieren sie von den herrschenden Zuständen. Und so ist es wie immer: Es wird spekuliert, manipuliert, agitiert.
Als Beispiel dieses Konglomerat eines verirrten Sportlehrers. Tausende Seiten, Blogs und Foren aus dem rechten Meinungsspektrum (meinen ist ja immer so einfach. Selbst Donald Duck hat Meinungen) sind hier versammelt, in dem die Londoner Anarchiebestrebungen wie quasi jedes andere sozial-ökonomische Problem auch mit islamischer Migration, grün-sozialistischem Integrationsfaschismus und Gutmenschentum (ach Gottchen!) der urbanen, natürlich linken Bohéme-Romantiker erklärt wird und mit sonst: genau- gar nichts!

Der geistlose Furor, mit dem hier völlig einseitig losgeprügelt wird, erschreckt jeden, der auf feinere Sitten und Differenzierung angewiesen ist. Aber ach: Das Ding ist in der Welt und wird millionenfach geklickt, nicht zuletzt der stern-medialen Aufmerksamkeit wegen, die man ihm in umfänglichen Artikeln und Kommentaren bietet. Na ja- so funktionieren unsere Qualitätsmedien nun mal. Das Infame an den Auftritten ist auch weniger die häufig gar fundierte, durch starke Stimmen wie die der Publizisten R. Giordano ("... so lange hat Sarrazin Recht!") oder H. Broder gestützte Sachposition. Wirklich skandalös ist es ja auch tatsächlich, dass RTL die Aussage des Vaters des von der Polizei Erschossenen "Die Ausschreitungen können wir nicht verurteilen" eindeutscht in "Die Ausschreitungen können wir nicht unterstützen" (wahrscheinlich spricht man bei RTL einfach außer Kölsch sonst wenig Fremdsprachen). Und sicherlich lügen ARD und ZDF, wenn sie gebetsmühlenartig von Ausschreitungen "Jugendlicher" schwadronieren; so, als ob unreifer Übermut und Lust auf Keilerei im Schwange wären und nicht gründlich motivierte, handfeste Massenproteste vorwiegend junger Männer, wie die dann gesendeten Bilder deutlich zeigen.
Nein, infam auf diesen lieblosen, humor- und geistfreien Seiten ist die Diffamierung der anderen Position, die Herabwürdigung des politischen Gegners, die Verweigerung jeglicher Dialektik und natürlich die stets virulente, wenn auch selten offen hervortretende Verächtlichmachung hunderttausender muslimischer Europäer. Es war ja schon immer so: Die Rechte fühlt sich heimisch, wo es triebhaft- sumpfig zugeht; helle ist man nicht so sehr.

Wohltuend da wie beinahe immer Albrecht Müller auf seinen Nachdenkseiten. Wohltuend, weil hier eine rational- historisch- soziologisch- politische und vor allem systemische Analyse der Londoner Verhältnisse aus dem Ungeiste des Thatcherismus angeboten wird.
Man muss auch das nicht im Detail mögen, sicherlich nicht. Man sollte es aber zur Kenntnis nehmen und verstehen. Die Vermutung, dass Privatisierung etlicher Lebensbereiche sowie radikale soziale Ausgrenzung großer Bevölkerungsteile ursächlich sind für den aktuellen Zorn der Massen, erscheint tatsächlich nicht so abwegig in einer Stadt, die aufgrund lächerlich hoher Preise nur noch für Glücksritter jeglicher Coleur bewohnt und bezahlt werden kann- jedenfalls in bedeutenden Teilen. Zentral-London wird bereits, wie man hört, gar nicht mehr bewohnt, sondern nur noch "bearbeitet".

Am Verständnis aber gerade hapert es so oft! Vor allem natürlich auch dortselbst. Wie sonst ist zu erklären, dass die Londoner Stadtväter als Olympia-Hymne ausgerechnet den London-Hasssong London calling von The Clash auswählten, in dem gleichsam Boylsche Wut-Zombies die Stadt entern- eines fernen Tages? 2011? Vielleicht zu Olympia?
jagothello am 10. August 11  |  Permalink  |  6 Kommentare  |  kommentieren



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