Love-Parade im falschen Revier
Mal abgesehen von dem katastrophalen Ausgang der Love-Parade in DU und der Frage nach Schuld & Verantwortung: Warum eigentlich verspricht sich eine Stadt mittlerer Regionalbedeutung einen Status- und Imagegewinn durch eine derart exorbitante Großveranstaltung? Auf welche Nachfrage wird da eigentlich reagiert? In meiner ganz persönlichen Wahrnehmung der Stadt bzw. meiner Vorstellung von ihr (ich war noch nie dort) ändert sich jedenfalls wenig, wenn ich weiß: "Wow! Hier war L.P."
Nein, nein. Würde es nicht viel mehr Sinn machen, vielleicht kleinere und weniger spektakuläre, aber dafür nachhaltigere Angebote und Traditionen zu entwickeln, die dann auch das Eventjahr 2010 überleben? Die vielfach abgehängte, deklassierte oder einfach nur gelangweilte Jugend im Ruhrgebiet hätte da sicherlich mehr davon. Denkbar wären u.a. Musik- Tanz- Literaturfestivals, Workshops, Ausstellungen, Schreib- u. Schauspielwerkstätten. Eine solche Jugend- Kulturpolitik zu entwickeln- das wäre doch mal was anlässlich des Kulturjahres 2010 (was ist das überhaupt?). Das würde natürlich voraussetzen, dass sich einmal Verantwortliche mit Visionen, Ideen und echtem Engagement fänden. Vom McFit-Chef kann man das nicht erwarten, die Verwaltungsspitze einer Stadt ist nicht zuständig und der politischen Spitze fehlt offenbar die kreative Gestaltungskraft. Insofern ist Duisburg überall- man soll sich ja nichts einbilden.
jagothello am 28. Juli 10
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Sprache & Finanzkrise
Was ist ein Produkt? Im alltäglichen Sprachgebrauch vor allem all das, was in einem technisch-wirtschaftlichen Herstellungsprozess geschaffen, materialisiert wird und seinen Eigentümer wechselt in der digitalen und analogen Tauschwelt.
Es sprechen allerdings auch die Finanzdienstleister, die Versicherer und Banken von "Produkten", wenn sie ihre Derivate, Anleihen, Investments, Versicherungen, Verbriefungen meinen. Die werden sicherlich auch entwickelt, geschaffen- allerdings virtuell. Sie bestehen nicht physisch, sondern bestenfalls symbolisch als Vertrag, Urkunde usw.
Trotzdem wird der Begriff "Produkt" vom Marketingjargon der Finanzindustrie vereinnahmt, was nicht weiter auffällig wäre, gäbe es da nicht einen sicherlich beabsichtigten, psychologisch wirksamen Mechanismus der Werbung: Indem eine Idee einer Bank, zu Vertragsabschlüssen zu kommen, die darauf angelegt sind, dass Geld fließt, "Produkt" genannt wird, gewinnt sie etwas Ehrenhaftes; sie wird geadelt als etwas materiell Greifbares. Als etwas Wertiges. Als etwas Seriöses. Als etwas, für das es einen konkreten Gegenwert gibt und genau das ist ja offenbar häufig nicht der Fall.
jagothello am 24. Juli 10
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Genießen & Erleben
Weniges nervt so sehr wie Werbung im TV; mich jedenfalls. Sie ist immer irgendwie deplatziert, kommt zur Unzeit. Wenig aber auch ist so aufschlussreich, gibt Auskunft über die Befindlichkeit der Zielgruppe (und wer wäre nicht Zielgruppe?)- ihre Neigungen, Neurosen, Ängste, Klischees, Hoffnungen und Wünsche. Die waren noch bis vor kurzem greifbar; fassbar im Produkt. Der Audi als Chiffre für einen Lebensentwurf, das Waschmittel als Vehikel guter, deutscher Bürgerlichkeit (gibt`s eigentlich TV-Werbung mit Ausländern?). Irgendwie war das logisch und einleuchtend- der Materialismus macht Sinn, wenn es um den Absatz von Produkten geht.
Nun aber hat sich die Verkaufsstrategie geändert. Es geht gar nicht mehr so sehr um das Produkt- um die Zahncreme, die Versicherung, das Fertiggericht. Im Vordergrund stehen die "user", all die Leute wie du und ich, die da erleben und genießen. Ihr Erleben und Genießen zu inszenieren: darum geht es in der TV-Werbung anno 2010. Es blitzen die Zähnchen und die Kinderaugen leuchten (und die der Ehefrau: "erst die Frau verwöhnt, jetzt ist meine Haut dran"- Sexismus geht immer!).
Sicher- immer schon gab es Konsumierer im TV-Spot. Attraktive Konsumierer allerdings mit relativ geringem Identifikationspotential. Wer kann sich schon wie eine ewig junge Tennisprinzessin baden im dolce vita und nachts den Lieblingsitaliener wecken? Wer sieht schon aus wie das D&G Modell und lümmelt den lieben langen Tag im südlichen Gefilde? Eben- und deshalb ist`s ein gestriges Konzept.
Die neuen Werbehelden sind immer noch jung, natürlich. Sie sind aber wesentlich weniger attraktiv, kaum privilegiert, schon gar nicht prominent- Distinktionsmerkmale deutlich zurückgenommen. Sie setzen materielle Standards, das schon (man (!) hat Auto, Haus, Freunde usw.). Neid ist aber ganz fehl am Platze, denn grundsätzlich unterscheidet sich der Nokia-Telefonierer, der Ergo-Versicherte, der Maggi-Köchling nicht mehr vom genormten Mittelstands-Kleinbürger westdeutscher Prägung (den natürlich Werbung auch wieder erst definiert)- abgesehen davon eben, dass er auf das spezifische Produkt zurückgreift. Und das können wir Umworbenen ja auch.
jagothello am 23. Juli 10
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