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LOST: Man stelle sich vor, so etwas gäbe es auch mal in unserer spießigen Mottenkiste: Fernsehen, das nach Kino aussieht. Mehrdimensionale Charaktere, die sich dennoch stimmig entwickeln. Ein klares Bekenntnis zur Metaphorik jeglicher Fiktion und somit die Forderung nach intellektueller Rezeption. Beschwörung. Trauer! Spiel mit kultureller Überlieferung. Liebe! Hass! Atemlose Spannung. Und natürlich eine anspruchsvolle Erzählweise, die der Multiperspektivität eines jeden echten Dramas gerecht wird. Fernsehen mit Ereignischarakter ist das, auch wenn einiges vage bleibt. So ist das doch nun mal im Leben.
Die moderne amerikanische Qualitätsserie insgesamt ist ja bereits Mythos geworden, bevor hierzulande mal wenigstens ein Anfang gemacht werden konnte, das ein oder andere nachzuahmen. Die Produktionsverträge über all den seifigen, kleinbürgerlichen Traum-Brei laufen wohl noch zu lange.
LOST ist erst recht Mythos, oder besser: mythisch. Die Serie erzählt über 121 Folgen (jeweils ca. 42 Minuten lang) das Schicksal eines runden Dutzend im wahrsten Sinne des Wortes Gestrandeter. Gestrandet auf einer abgedrehten Insel nach einem Flugzeugabsturz. In Rück- und Seitblenden entfaltet sich die Tragik all dieser Verlorenen, Zukunftsprojektionen visualisieren ein Was hätte sein können; doch schnell wird klar: Die Insel ist eine Falle, aus der es kein physisches Entrinnen gibt, aber: Sie ist auch die Chance für einen Neuanfang- mental, spirituell, sozial.
Matthew Fox, der den Shephard verkörpert, behauptete im Interview, es sei bereits 2004 bei Drehbeginn klar gewesen, dass alles endet, wie es begann: Er verletzt, benommen im Bambuswald liegend. Alleine, verwirrt (verwirrt sein: Fox´ Lieblingsgestus). Die erste Einstellung von Folge 1 markiert den Beginn eines 6-jährigen Martyriums, die letzte ein bewusstes, vielleicht glückliches Sterben. Möglicherweise liegt zwischen beiden Szenen aber auch bloß eine beglückende Nahtoderfahrung, wer weiß. Die Produzenten selbst legen das durchaus nahe, wenn sie anderswo eine LOST in 8 Minuten- Fassung anbieten. Dieses Deutungsmuster hat zudem den Charme, all die empirisch unfassbare Irrationalität diverser Zeitsprünge oder der sich dann und wann bewegenden Insel plausibel werden zu lassen. Aber wie gesagt: Die Ereignisoberfläche, eine These der gesamten Produktion, ist eben nur das: Oberfläche. Und austauschbar. 3 Thesen zu LOST (und somit zum Leben):
1. Es braucht Mut. Mut und Geschmack. Mut, sich zu öffnen. Loszulassen. Sich zu befreien von dem, das unfrei macht und hindert, Selbstbestimmtheit und Mitgefühl zu leben. Geschmack, um ein Gefühl für das Geheimnis in uns zu entwickeln. Sinn und Geschmack für die Unendlichkeit, wie Schleiermacher im Hinblick auf echte Religion sagt. Jack entwickelt eine solche Religion. Er schafft als erfolgreicher, empirisch geschulter Chirurg eine Verbindung zu den spirituellen, diffusen Unwägbarkeiten seiner Existenz und gewinnt eine Perspektive für ein lebendiges Leben, fernab der Zwänge und Nöte der modernen Zivilisationsgesellschaft sowie deren komplizierter Sozialtransfers.
Bevor Jack das zweite Mal im Bambuswäldchen danieder sinkt, trinkt er auf Geheiß des bisherigen Inselwächters von dem Bach, der ins Herzen der Insel führt und dort sein geheimnisvolles Wunderwerk tut. Ein Bach wie der mythisch-antike Vergessensfluss Lethe. Vergessen ist Loslassen, Trennung. Loslassen das vielleicht zentrale Leitmotiv der Serie. Man bedenke mal...
2. Nach innen geht der geheimnisvolle Weg; Tatsächlich ist die Vertiefung ins Ich für Jack und seine Leidensgenossen der Königsweg. Es geht um Erkenntnis und Erkundung; des Unglücks, all der Unzulänglichkeiten, des Versagens und ihrer Ursachen. Ozeanographie ist da zu betreiben, wie Freud sagt. Nur dann darf mit Einsicht und Erlösung gerechnet werden.
Tatsächlich immer wieder verwunderlich, wie schnell die LOST-Figuren es aufgeben, sachliche Statusinformationen zu erlangen. Nicht eine einzige Einschätzung zur ungeheuerlichen Situation wird abgegeben. Die existenziellen Seinsfragen, auf die die Figuren Folge um Folge geworfen werden, klären sich in unvoreingenommener Ich-Versenkung und führen zu Gutem. Schön das Beispiel Jins, der seiner Frau Sun, inspiriert von der Inselsituation, einen Seitensprung nicht nur vergibt, sondern zu reinigenden Einsichten seine Ehe betreffend geführt wird. Der kommunikative Austausch hingegen bleibt oft genug peripher, einsilbig.
3. Phantasie! Einbildungskraft und Vorstellungsvermögen. Jack entwickelt eine Was-wäre-wenn- Perspektive, die ihn aufrichtet und beglückt. Welche Chancen hätten sich ihm eröffnet, spirituell bereichert von der Insel, wäre er nicht abgestürzt, sondern sicher in Los Angeles gelandet!
Die Bereitschaft, sich führen und inspirieren zu lassen. Dazu ist Glaube nötig, dem Jack sich mehr und mehr öffnet. Sein Glaube ist aber keineswegs institutioneller Natur, nicht einmal tradierter! Vielmehr zeigt er sich in der Aufgabe verstockter Determinismusgewissheit, in der Bereitschaft, Unendlichkeit zu ahnen; auch hierin natürlich, und das ist sicherlich kein Zufall, durch und durch ein romantischer Held. Jack empfindet das Lebendige der ihm vermittelten Teilhabe am Geheimnis, das ihn umgibt. Und das belebt ihn(,) selbst(,) noch kurz vor seinem Tod.
121 Folgen, 6 Staffeln, je einige DVDs. Ich verleihe sie Ihnen gerne, nur zu!
Die FAZ ist München-Fan. Alles, was ihr lieb und heilig ist, kann München am besten: Wetter, Landschaft, Architektur, Lebensart, Einkommen, Parks, DAX, Fußball. Selbstverständlich ist in dieser herrlichen Großkommune alles am teuersten. Das Beste kostet halt. Die wirtschaftsliberalisierte Leserschaft verspürt da keinen kritisch- fragenden Impetus, sondern Zustimmung. Und nun ist auch noch der Tatort unter weiß-blauem Himmel das Maß aller Dinge. Der letzte hieß Der tiefe Schlaf; geschlafen wurde zwischendurch auf dem Wohnzimmersofa bei mir zuhause, um den Kern meiner Eindrücke mal vorab zusammenzufassen. Es gab aber durchaus auch Unkonventionelles. Zum Beispiel der Verzicht auf jegliche Täterperspektive. Das hat mir gefallen. Nicht einmal sah man das Gesicht des Kindermörders. Außer seinem pathologischen Grunzen hörte man auch nix von ihm. Einen seiner polizeilichen Jäger erschlug er. Am Schluss sprang er selbst geräuschvoll über die Klinge. Wie gesagt: Das waren für jemanden, der an die betuliche Tatort-Massenware gewohnt ist, durchaus erfrischende dramaturgische Einfälle. Meinetwegen der beste Tatort 2012, aber eben doch wieder kein Krimi, schmerzhaft unspannend. Wer sich für die Abgründe einer Freundschaft zweier alternder, fiktiver Bullen nicht interessiert- für den ist das alles nichts. Krimi: Das ist nämlich Katz- und-Maus-Spiel, Tempo, Fieber aber keine 2-Minuten-Groß-Einstellung auf einen Bier saufenden Ermittler an der Würstchenbude. Solche Sequenzen funktionieren nicht mal mit de Niro.
Die FAZ weiß von alldem nichts, sie bewundert die Bescheidenheit, mit der man auf die herrliche Stadtkulisse verzichtet. Eine Bescheidenheit, die doch nur Sparsamkeit ist. Denn in der Kantine, im Büro, auf der grünen Wiese- da filmt es sich preiswerter als auf der Prinzregentenstraße. Realität ist eben anders- auch in München.
Gestern dann: Tatort Köln. Versprochen wurden Bilder wie von Fincher. Der Beginn versprach auch viel, doch 5 Minuten können so kurz sein, wenn die standardformatierten 85 weiteren Minuten abzuarbeiten sind mit der üblichen Melange aus Weltschmerz, Kölner Schmuddeleien, Pommesbüdchen und natürlich: Dialog, Dialog, Dialog... Im Transporter, in der unvermeidlichen, leer stehenden Fabrik, dem Kellerbüro, dem Altenheim. In der Hauptrolle aber wie immer: Die sozialkritische Perspektive. Putzfrauen aus der Ukraine und aus Nigeria haben es schwer in Deutschland. Stell dir das mal vor, lieber Zuschauer. Merkst du auch hübsch auf? Wir sind es- der WDR. Der Westdeutsche Rundfunk.
Diesmal aber nicht Ballauf oder Schenk in die Täterin verknallt, irgendwie verdächtig oder sonstwie befangen, sondern der Staatsanwalt und sein Schmusekätzchen mit Juraexamen. Aufregend die persönliche Verstrickung? Aber nein, aufregend der aufregende Stoff, liebe Autoren, liebe Redaktionen!
Krimi-Spannung pur: Zwei alte Männer spachteln Curry-Wurst!
Polizisten als gut versorgte Beamte sind zumeist familiär gebunden, Staatsanwälte in Deutschland nicht upper-class, können sich die teuren Villen- Süd- Vororte der Großstädte schwerlich leisten - aber soweit recherchieren die Krimiredaktionen nicht. Oder signalisieren all die Unwahrscheinlichkeiten, Unwahrheiten bloß, dass man das alles nicht so ernst nehmen soll? Herzlich gerne, doch wozu dann dieses ewige Klagen um die Welt? Diese volkserzieherische Attitüde? Krimi ist ja Fiktion, alles andere gehört vor dem Stadl-Wesen in die Dokumentation. Gerne täglich.
Apple, e-bay, Starbucks zahlen Steuern in Europa im Promillebereich, wenn überhaupt. Man mag das unschön finden doch bitte bedenken Sie, dass da herrlichste amerikanische Unternehmenskultur in unsere alten, ollen Gassen getragen wird, welche bestens geeignet ist, uns rückständige Heim-Kaffeetrinker zu bereichern- wenn auch nicht monetär. Gucken Sie selbst, wie freundlich und kundenorientiert es zum Beispiel bei Starbucks in der sell area zugeht: Schönen guten Tag. Was darf ich für Sie tun? Hä, da fällt mir so einiges ein. Tu misch für de Anfang ma ne Latte to go zum Mitnehmen. Small, medium, tall? Ne janz normale Latte, hörste? To go.
Das Fernsehen, jedenfalls das öffentlich-staatliche, kennt die Defizite der Berieselten, geht wohl auch gerne mal ein amerikanisches Röstereiprodukt für 2,75€ (small) schlürfen. Und tut alles dafür, es besser zu machen wie das allabendliche Ringen um sprachlich-politische Korrektheit beweist. Und so versammeln sich die Feinde von Mursi zur Tagesschauzeit nicht auf dem Tahir-Platz, nein, so einfach macht sich der deutsche Fernsehakademiker das nicht. Wahlweise Murrrci oder Murschi harrt der Horden, die sich auf einem Platz scharren, der mal irgendwie nach Taschir, dann wieder nach Tahirrr klingt. Immer aber so, wie das Bekenner-Video- gestählte Publikum (und all die Redakteure, die ihre TV- Ausbildung bei Scholl-Latour absolvieren mussten) sich den Zungenschlag der Wüste vorzustellen gewöhnt ist.
Groß die Freude, wenn dann auch noch Bäräck Obäma vorfährt oder Monsieur Ollohn. Vielleicht zeigt man so aber auch nur den CBS- Kollegen, dass man es verstanden hat, denn dort, in der Eine-Welt, heißt Angela Merkel schließlich nicht Angela Merkel, sondern Änschelä Mörkel.
Nicht weiter verwunderlich, dass Merkels Nord-europa in Konflikt über Stabilitätskriterien gerät mit Ländern, in denen ein solch fragiles Gebilde als Schutzwall gegen die bedrängende Natur gilt: Backstein-Bauwerk im Val di Cecina, Italien. |
Bis neulich dachte ich, ganz gut zu wissen, wie es in der Schule so zugeht. Über 40 Jahre meines Lebens schon sitze ich schließlich dies- und jenseits des ominösen Pults. Umso erstaunter nahm ich nun zur Kenntnis, mit welchen Anstalt-Klischees meine alte Tante ARD meinte, ihre Klientel im Doku- Bekenntnis- Theater- Gemenge Inklusion füttern zu sollen.
- Lehrer sind bewundernswert einfühlsam und super-engagiert oder aber verstockt, zynisch, feige.Mehr davon, bitte. Es ist köstlich. Die endgültig Verdummten lassen sich in der Sachsenklinik von Chefarzt Heilmann im privaten Einzelzimmer kurieren. Schwester Arzu gibt Küsschen.
Ein blinder chinesischer Dissident, wie Terroristen, Umstürzler, Revolutionäre und ganz allgemein alle Oppositionellen stigmatisiert werden, die einen chinesischen Pass haben, wendet sich an die US- Botschaft und schafft es damit gleich mal ins deutsche Staatsfernsehen, wie eben jenes Staatsfernsehen andere Senderanstalten herabwürdigend zu bezeichnen pflegt, die in Staaten behaust sind, welche eine weniger konforme Gesellschaftsform gewählt haben als wir hehren Westdemokratien. Natürlich nicht aus Interesse an der leidvollen Biographie nimmt man sich des Falles an, sondern einzig und alleine, um all das lang gezüchtete kulturchauvinistische Unbehagen auszukotzen an dieser fremden, suspekten, schlingenden Welt und zwar cora publica- sprich: über mir verirrtem Tagesthemen- Sucher und 5 Millionen anderer.
Achtung: Alles, was nun gesagt und gezeigt wird, ist nur mit äußerster Vorsicht zu genießen, raunt es im Subtext, wenn ein kleines China- TV-Originalschnipselchen den selbstverständlich nach strengsten journalistischen Standards verfertigten ARD- Bericht eröffnet, denn auf Twitter-Niveau machen sich dort die schlitzäugigen Bösewichte im Schafspelz, sprich: in westlich- amerikanischer Hillary-Clinton-Business-Kleidung, gemein mit der autoritären Führungsclique der fleischgewordenen schönen, neuen Welt. Herz- und seelenloses Funktionärspack! Oder habe ich nur angeekelt weggeschaut, als Wen Jiabao unser Angela in Hannover herzte, küsselte, schüttelte wie Euro-womanizer Sarko? Eben!
Aber, aber dann liebe ARD/ZDF- Tante, wird's doch irgendwie ungemütlich auf dem nächtlichen Themensofa: Ich meine, seid ihr etwa keine Gehirnwäscherei von Kochs, Bouviers, Krafts, Seehofer-Stoibers, Oettingers, Friedrichs usw.usf. Gnaden? Wer kürt noch gleich den Intendanten, all die Räte und Vorstände? Doch wohl die Ministerpräsidenten- Kungelrunde, auf dass auch proporzmäßig immer alles hübsch weltanschaulich zugehe in eurer virtuellen Seifenoper- Welt. Und wer, wenn nicht der autonomieraubende Staat, sichert eigentlich eure Existenz?
Aber auch Staatsfernsehen, und sei es noch so systemrelevant, dürfte nach meinem Geschmack ein wenig geistvoller zu Werke gehen. Nach der China-Schelte aber stattdessen: Euer Versuch über Griechenland. In Griechenland wird ja demnächst gewählt und was sich dort anbahnt, spottet jeden Anstands, verhöhnt auf das Niederträchtigste das demokratisch-ethisch korrekte, europäische Kernland, die Geber, Deutschland! Statt nämlich wie gewohnt eine der korrupten Familiencliquen zu wählen, die das Land an den Rand des radikalen ökonomischen und ethischen Absturzes geführt haben, die sich aber pro forma wenigstens demokratisch nennen und die dafür stehen, auch künftig ihr Hartz XII, oder wie die Stütze heißt, für deutsche Rüstungsgüter zu verbraten, schwebt dem gebeutelten Oliven- Prekariat eine rechte oder gar, oh weh oh weh, linke Alternative vor. Und dem nun endgültig sei ein sprachlicher Gestus vor, der in erprobter Klassenkämpfer-Manier menschenverachtende Nazis, die den Hass gegen Andersgläubige, Andersaussehende, Anderssprechende in den Mittelpunkt ihrer Weltanschauung stellen, moralisch-politisch gleichsetzt mit Menschen, die die Positionen der Grünen zu sozialen, ökonomischen und ökologischen Fragen für zu lasch halten; sich exponiertere und gründlichere Lösungen vorstellen. Gutmensch goes Nazi; mit solch einer relativistischen Widerling- Haltung reüssiert die journalistische TV- Elite des Landes.
Und dann: 5 Minuten Wetter samt 4.32- Uhr- Prognose für Untergerresbach im Westschwarzwald; nachtumnebelt- wirr eine Frage noch: Wie wird eigentlich morgen das Wetter?
Was wissen Sie schon? Also, eigentlich bin ich es, die die Fragen stellt...Ist eine Berufskrankheit. Ach, Sie sind krank? Es sind solche völlig sinnfreien, gestelzten Tatort- Dialoge (in diesem Falle zwischen Ermittlern und Zeugin i.e. Täterin!), die alleine schon geeignet sind, mich schier verzweifeln zu lassen über die Abgründe, vor denen ich stehe, wenn ich ein wenig Zerstreuung mir erhoffe von dem deutschen Dienstleistungsfernsehapparat. Ich ertrage es nicht mehr. Ich ertrage es einfach nicht, dieses öde-dröge Beamten-Konzept-Fernsehfilmchen-Surrogat eines anderswo und jedenfalls ehemals großen, herrlichen Genres: des Krimis. Was kann der alles sein und was war er auch schon alles: schwarz, atemraubend, grausam, dramatisch, futuristisch, filmisch: visionär! Doch der Tatort: Das ist Brei, ein einziger fader Brei. Massenkompatibel zwischen Lindenstraße und Jauch. Nichts, das die mit DEGETO-Software formatierten Hirne der Generation Ü6 in irgendeiner Weise fordern könnte, also jetzt... im ästhetischen Sinne.
Und wie sollte es auch anders sein? Es beginnt mit der elenden 90-Minuten-Taktung. Die Welt wird defragmentiert und fragmentiert- aber immer innerhalb exakt 90 Minuten und zwar ganz unabhängig davon, ob eine Geschichte schon vorher oder noch nicht zuende erzählt ist. Zumeist handelt es sich aber auch gar nicht um eine Geschichte im engeren Sinn, sondern viel eher um ein abgefilmtes Textkonzept. Film-formale Wüste, auf der das Flaggschiff so vor sich hin dümpelt.
Die SWR-WDR-BR-HR-RB-Gender-Tante sorgt für die rechte Frauenquote am Set und im fiktionalen Kommissariat. Und natürlich dafür, dass den Kerlen der Marsch geblasen wird- also wahlweise dem gedankenlosen Macho-Kollegen, den prügelnden Täter-Vätern oder dem arroganten Schnösel-Staatsanwalt (der A-14+ Beamte immer gerne mit Föhnfrisur im Jaguar und vor Schlosskulisse). Frauen jedenfalls immer weitaus stärker, immer bedeutend besser motiviert, immer, also buchstäblich immer: im Recht! Auch, wenn sie morden. Oder besser: Gerade dann!
Der SPD-nahe Senderchef höchstselbst achtet auf die sozialkritische Dimension. Kein Täter ohne Außenantrieb. Schlecht ist, was uns schlecht macht. Ganz so, wie es gelehrt wurde in den kritischen Seminaren der 60er und 70er Jahre Phil.-Fakultäten. Also irgendwie: Sozialpsychologisch. Hurrelmann, Tillmann, Erikson- so in der Art. Und dies Elend wird dann mit dem gesamten Konsens-Inventar dokumentiert (Kernkompetenz des Behördenfernsehens!): Mürrische Gesichter, enge Wohnzimmer, qualmende Kindermütter, Beton, unterhemdbewehrte Schmerbäuche, schlechte Zähne, brennende Ölfässer im Elendsquartier downtown Cologne und und und.
Dem romantischen Regisseur und seinem ehrgeizigen Kameramann verdankt der geneigte Gelangweilte die minutenlangen Visagen-Großaufnahmen. Doch was soll da zu sehen sein? Was könnte da interessieren? Da ist ja nichts. Als Charakterschauspieler brauchst du vor allem eines: Charakter! Postel, Batic, Schenk und wie sie alle heißen haben aber bestenfalls Textkenntnis.
Und dann natürlich: Beziehungen! Das ewig enge Geflecht emotionaler und sozialer Bindung, welches offenbar so dringend allgegenwärtiger, klärender Aufarbeitung bedarf. Auf diesem Felde zeigen sich die Figuren authentisch, sensibel, glaubwürdig. Hier werden die Noten der Kritikerindustrie vergeben. Beziehungen und Figuren, Figuren und Beziehungen! Wehe, da wagt es mal einer, etwas passieren zu lassen. Dann kommt der WDR- Werk... ähhh Jugendschutz und verbannt das ganze Ding auf 0.30 Uhr.
Polizeipärchen-Mätzchen gehören ja seit Felmy- selig zur Routine, doch zum guten Tone nun auch und immer mehr: Befindlichkeit. Um sie geht es so recht eigentlich in diesen Episoden-Studien: die mitleidende Betroffenheit des Personals. In ihr bricht und zeigt sich das Elend der abgefilmten Welt. Die Steigerung ist die persönliche Betroffenheit: Da wird geschrien, gezetert, umarmt, gesoffen, geheult und geliebt (die Zeugin! das Opfer! den Täter!) - der Kommissar und Frau Kollegin lassen so richtig die Sau rausl Man ist ja Mensch und die private Konkurrenz im Nacken hat´s ein für allemal vorgemacht: Baby, ich will Gänsehaut, ehrlich!
Prokofjew und die Sex Pistole haben die Musik auf ihren ekstatischen Höhepunkt geführt. Mozart auf den der Schönheit. Gedichtet werden muss nach Shakespeare, Goethe und Eichendorff (und Ringelnatz!) nicht mehr. Freud und nun auch sein Enkel sind tot, tiefere Abstraktionen als die des Sam Francis stehen nicht zu erwarten. Die Kulturkritiken- und geschichten sind geschrieben, die ideologischen und materiellen Schlachten geschlagen, jeglicher ökonomische Zyklus durchlebt. Messis Barcelona wird auf ewig unerreicht bleiben, besseren Wein als den Roten aus Montepulciano wird niemand mehr keltern, eine schönere Stadt als Paris niemand mehr bauen, großartigere Romane als die zeitgenössischen Helden der amerikanischen Literaturszene niemand mehr schreiben.
Religionen wurden erfunden, verworfen, erneuert. Buße wurde geleistet, Rache genommen, gespalten, versöhnt und neu begonnen. Selbst der technische Fortschritt erreichte seinen Scheitelpunkt und zwar spätestens in dem Jahr, in dem nahezu jeder kreditfähige Bürger der westlichen Hemisphäre mit Rechenkraft in der Hosentasche herumläuft, die die der Raumfahrttechnologie der 70er Jahre bei weitem übertrifft, also in 2011. Presse, Rechtsprechung, Floristik, Psychotherapie, Logistik, Film, Verwaltung, Architektur, Didaktik, Design: Überall wurde der Zenit mehr oder weniger deutlich überschritten und wer den Funktionsgraphen einer Parabel zu untersuchen versteht, weiß, dass der Keim des Untergangs in ihm stets schon vorgezeichnet ist. Die Abwärtsbewegung setzt sich in Gang mit kalter Folgerichtigkeit, denn Stillstand ist in der Mathematik nicht vorgesehen! Die 0, soviel zur Erinnerung, ist nichts als ein Buchungstrick, eine Erfindung arabischer Kaufleute. Das Nichts gibt es nicht!
Untergang steht also an. Über kurz oder lang. Und der wird stets begleitet von spät- Westerwellscher Dekadenz. Man werfe nur einmal einen Blick auf die AIDA, ins Dschungelcamp, das Entwicklungshilfeministerium, ins Bellevue oder in die ARD.
PS Eigentlich wollte ich etwas ganz anderes schreiben aber dann... es hängt ja doch alles irgendwie zusammen! Ich trug mich jedenfalls seit Stunden herum mit den Plänen für eine kleine Meditation über die Frage, was George Clooney in The american eigentlich so treibt, nachdem er durch allerlei Geflirre und Gefummle die atemberaubend attraktive Gespielin vollständig entflammt hat, dann aber plötzlich abtaucht unter die Decke, er also gar nicht mehr zu sehen ist? Dafür aber in Großaufnahme das Gesicht der Partnerin, welches nun mehr und mehr Artikulationen höchster Entrückung und Verzückung (geschlossene Augen, halb geöffneter Mund, wildes Umherwerfen der prachtvollen Mähne, spitze Schreie) zeigt. Ich wollte einmal darüber nachdenken, welche männlichen Instinkte da eigentlich bedient werden, wenn die Professionelle auf ihr Honorar verzichtet in der Dankbarkeit, es nach dem täglich-öden Gerammle nun endlich einmal so richtig besorgt bekommen zu haben. Vielleicht hätte ich gar etwas zuwege gebracht über das solcherart transportierte Frauenbild. Das wäre natürlich alles viel interessanter geworden als dieses ewige kulturpessimistische Gejammere. Ich bin mir darüber völlig im Klaren und gelobe Besserung. Die Frage aber nach dem Tun des Galans, die will ich wenigstens noch kurz beantworten: Er leckt Füßchen, was sonst?
Eine dramatisch anrührende Filmszene ist die Schlusseinstellung von Woody Allens Manhattan. Nach monatelangen, endlos-fruchtlosen Debatten, dialektischen Scharmützeln mit pseudo-intellektuellen Lebenssinnsucherinnen, lesbischen Ex-Ehefrauen, sexuellen Frustrationen (Also, mein erster Mann war wie ein Stier im Bett...), zynischen Arbeitgebern und egozentrischen Freunden, sucht Isaac, tief erschöpft und deprimiert, Trost bei der 18-jährigen Verflossenen Trixi (gespielt von der großartigen Muriel Hemingway, nominiert, leider nicht ausgezeichnet, für den Oscar); dem einzigen Menschen im Riesenmoloch, der willens und fähig ist, zu lieben- jedenfalls ihn.
Sie wurde schlecht von ihm behandelt, als sich attraktiveres anzubahnen schien doch ist ihre Treue scheinbar grenzenlos. Leider aber ist sie auf dem Sprung nach London, wo sie sechs Monate (auf seine Empfehlung hin) studieren möchte. Isaac hat Angst, sie könne verändert heimkehren und möglicherweise anderweitig verliebt. Du musst ein wenig Vertrauen in die Menschen haben, entgegnet sie sanft. Isaac endlich hört einmal auf zu plappern und lächelt zärtlich; befreit und entwaffnet von solch schlichter, großmütiger Liebe. Abspann.
Layout by ichichich.