Mal wieder Fähnchen
Linke, Akademiker, Sensible und andere Spaßbremsen mögen die deutsche Trikolore am Fenster und am Auto nicht so recht. Das sagte ich ja anderswo schon. Jetzt aber, nach dem Sieg gegen die armen arroganten Gauchos wird`s nun doch zu bunt! Die Sache nimmt ja wirklich nationale Bedeutung an. Der Begriff "Stellvertreterkrieg" aus den Zeiten des Kalten Krieges bekommt eine ganz neue Bedeutung. Ein Volk einig Vaterland. Taumel, Rausch, Identifikation! 1Live sendet den ganzen Tag "Iss das geil"- Geschrei und "Ich liebe Deutschland". Keine einzige kritische Stimme. Kein Nachfragen, Innehalten: Warum zeigt sich die Freude über ein gewonnenes Fußballspiel im Schwenken nationaler Symbole? An Fußball scheinen die Millionen "Rudelgucker" (das Wort schafft es demnächst wahrscheinlich in den Duden) jedenfalls nicht interessiert zu sein, denn keiner soll mir erzählen, dass man außer Stimmung etwas mitbekommt auf der Leinwand im Pulk mit 300.000. Mir ist das unheimlich, ehrlich! Es weckt Erinnerungen an andere aber doch ähnliche Kontexte und Impulse. Das Fernsehen lebt ja von der Begeisterung aber es sollte vielleicht auch mal dezent darauf aufmerksam machen, dass der DFB-Boss keinen Deutschland-, sondern einen DFB- Schal trägt.
jagothello am 04. Juli 10
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Wuselige Gesellen
Während der gemeine deutsche Kicker hofiert wird wie die Kanzlerin, ihm Bedeutung, Einfluss und Privilegien gewährt werden, wie sie Könige nicht genießen, ist in der deutschen TV- Berichterstattung der asiatische Sportsmann, natürlich- was auch sonst?- "wuselig"; der Brasilianer ein "Geselle", der Nordkoreaner endlich mal an den "Fleischtöpfen", der Argentinier ein "unsportlicher Gaucho"- alle irgendwie defizitär. Messi: Sieht aus wie ein Junge, der mit dem Mofa zur Schule fährt! Wie bitte? Ja, und Lahm? Sieht der erwachsener aus? Podolski pöbelt in Köln Polizisten an ("Wisst ihr eigentlich, wer ich bin?"). Kann sich da einer die ganze dritte Strophe der Nationalhymne merken? Wie wäre es also einmal mit ein wenig Distanz, ein wenig Kritik gerade auch im Hinblick darauf, dass die Herren extremen Vorbildcharakter haben.
Und während "ernstzunehmende" Mannschaften wie Frankreich, Italien oder Deutschland sich auf eigene Rechnung ruhmreich präsentieren oder auch blamieren, fiebert der ganze afrikanische Kontinent nun mit einem Land, mit Ghana. Als habe es die ethnischen Konflikte und regionalen Kriege nie gegeben, die an Afrika seit Menschengedenken zerren wie ein Erdbeben. Oder jubelt Bela Rethy mal für ein italienisches Tor, weil es doch ein europäisches ist? Ich hab`s noch nicht gehört.
jagothello am 02. Juli 10
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Jungs stecken durch - Mädels wollen nicht groß werden
Volvo verkauft keine Autos mehr, dafür "cars". TV-Sender unterhalten nicht, sondern "entertainen". Topmodels, Sängerinnen und Tänzer treten nicht mehr auf, sie "performen". Die Begriffsdesigner schrecken tatsächlich auch vor der Vergewaltigung englischer und deutscher Sprache mittels derlei Flektionen nicht zurück. Geschenkt! Anglizismen sind lästig aber ein anderes Thema. Sie werden ja auch aufgrund der häufig fatalen Wirkungen ("go in and find out" = "komm rein und hau wieder ab") mehr und mehr obsolet. Also dann doch irgendwie wieder akzeptabel! Die Welt ist nun mal kompliziert. Ich versuch`s mal so:
Interessant finde ich, dass tatsächlich schon eine neue Form der Marketingsprache z.B. in die Promote- und Event-Performance der deutschen Fußballberichterstattung Einzug hält. Ich nenne sie: Neukontextualisierung. Das smarte, gefällige Parlieren- das Edel- Feuilletonistische gewissermaßen hält Einzug in die Schwadroniersalons des Business- im TV und natürlich in den Tageszeitungen. Soccer goes intellect- gewissermaßen. Im Kölner Stadtanzeiger z.B. gibt es regelrechte Kunstformen der differenzierenden Reflexion zum dies & das des Betriebs. Der Dialog mit sich selbst ist solch eine Form. Neukontextualisiert wird da gleich eine ganze Rhetorik-Kultur.
Dazu passt natürlich, dass selbst Oliver Kahn sich entspannt hat. Er plaudert mittlerweile ganz easy, wo er noch vor 2 Jahren in die Kamera fauchte. Und dazu passt auch, dass die Phrasendreschmaschinen Netzer & Delling ihre Klischees nun nicht mehr öffentlich machen dürfen, jedenfalls nicht in der ARD.
Neukontextualisiert werden aber auch Begriffe. Trainer Klopp, der Erfinder des unsäglichens "Durchsteckens", kennt keine altbackenen "Spieler" mehr oder meinetwegen "Männer" und "Fußballer"; nein, es sind "Jungs" deren Treiben er kommentiert. "Jungs", die Bälle "durchstecken". Fußballer, die einen Pass in den Strafraum spielen? Das war nun gestern. Heute sind es "Jungs". Dass diese "Jungs" oft über 30 sind und derlei Infantilisierung einer Beleidigung gleichkommt, stört die produzierende Fernsehindustrie nicht und die werbetreibende schon gar nicht; denn es geht ja genau um das: Verjüngung! Identifikation! Identifikation! Verjüngung! Zielgruppe! Schlüsselbegriffe eines jeden Marketings und in diesem (Neu-)Kontext ist mittlerweile jede Sportberichterstattung zu begreifen. Dass es in meinem engsten Kreis regelmäßige "Mädelabende" gibt, zu denen sich kluge, erwachsene Frauen treffen, verschlimmert das Leid beträchtlich.
jagothello am 26. Juni 10
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Orakel
Wer profitiert eigentlich davon, wenn im Vorrundenspiel so "um die 30. Minute" ein Franzose vom Platz gestellt wird? Irgendjemand wird es wohl sein.
jagothello am 22. Juni 10
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Gewalt auf dem Kickerfeld
Die Schiris verpfeifen ja viel, zücken immer gleich gelb. Ich denke mir: Das ist eine Anweisung von ganz oben, also von der sponsorenden Industrie. Die wollen keine schmerzverzerrten Gesichter und gemeine Treterei vor ihren Werbebannern. Die wollen kultivierte, gewaltfreie Spiele. Sonst bezahlen sie nicht. Hoffentlich setzen sie auch noch durch, dass die Spieler nicht mehr dauernd auf das Spielfeld spucken, sobald sie in Großaufnahme im Bild sind. Oder dass die Halbgötter in kurzen Hosen künftig nicht wie ungehobelte Schuljungs an der Weltpresse vorbeischleichen- Kaugummi kauend und mit dicken Kopfhörern bewehrt.
jagothello am 20. Juni 10
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Tu(t) mich mal die Vuvuzela
Wer trötet denn da? Die Afrikaner? Sind es nicht mehr die Touristen, die das irgendwie für authentisch halten? Es ist doch auch die WM der 1,5 Millarden Fernsehzuschauer. Und die sind genervt und finden`s schade, dass keine Stimmung rüberkommt. Spätestens ab Achtelfinale sollte es ein Ende haben mit der Großwildsimulation.
jagothello am 14. Juni 10
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Aschesack vs. Nylonfahne
Zeigt man in Frankreich die Trikolore, in England seine Banner, die Freundin ihre spanische Fahne: Mich stört`s nicht. Ehrlich gesagt rührt es mich sogar, dieses naive Bekenntnis zur Volksgemeinschaft, zu einer abstrakten Idee nationaler Identität. Hisst der Deutsche nun schwarz-rot-gold im Fenster, am Auto oder auf der Wange, rührt`s mich nicht. Vielmehr ist mir das seltsam unangenehm und ich kann einen lieben langen Tag mich in der Frage verlieren: Was ist denn nun eigentlich die kommunikative Botschaft des Nachbarn Ruck, wenn er 10 Tage vor WM-Start den Lappen aus dem Keller fischt und mit großer Geste genau vis a vis zu meinem Badezimmer platziert. Was will er mir sagen? Jede Antwort, die mir da so in den Sinn kommt, ist mir einigermaßen unsympathisch, zumal die wahrscheinlichste, die da lautet: Er teilt mir mit, dass nach nun 65 Jahren nationaler Bescheidenheit und Understatement nach dem Motto: "Wir Deutschen sind schon klasse, aber wir haben gelernt, dass man das nicht so zeigt" die Zeit reif ist, es gut sein zu lassen und den Aschesack eben einzutauschen gegen das dreifarbige Nylontuch. Die Fahne also als ultima ratio der abgeschlossenen Vergangenheitsbewältigung. Ein Gedanke, der so gar nichts zu tun hat mit nationaler Kultur, Identität, Nationalität. Ob es uns passt oder nicht: Unsere nationalen Symbole sind und bleiben heikel; ihr Gebrauch verlangt nach Sensibilität. Und davon ist die derzeitige deutsche Bier- und Fußballseligkeit meilenweit entfernt.
jagothello am 09. Juni 10
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