September 2012 |
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Wer Mollusken in die Google-Bildersuche eingibt, wird recht weit oben mit einem Konterfei Albert Einsteins überrascht. Der Zusammenhang zwischen Ikonographie und Forschergeist zu geometrisch fein entwickelten Muschelgebilden ist gar nicht so weit hergeholt, denn ihrer körperlichen Struktur zugrunde liegen Äonen physikalischer Metamorphose sowie evolutionäre Anpassung. Von der geistigen Struktur weiß man noch nicht so viel, allein: Es wird sie schon geben. Doch so hübsch und faszinierend solch eine Muschel, zumal in ihrem heimischen Milieu, dem Strand, auch anzuschauen ist: Die Schönheit ist entschlüsselt, mathematisch-modellhaft beschrieben. Und damit dem homo faber untertan, reproduzierbar wie die Maxwellschen Gleichungen in der Gestalt eines Ipads. Zumindest theoretisch, denn Form und Antlitz eines solchen seeischen Gebildes müssen aktuell noch, soweit ich weiß, für sich selbst sprechen; doch wer weiß- vielleicht schon bald werden Ingenieure, Architekten oder Techniker aufmerksam auf diese allerliebst geformte, natürliche Designressource zwecks Transfer und Inspiration.
So wie das Feuilleton. Unter dem Label Die Dinge des Sommers spürt eine große, sich auch sonst ganz allgemeinen Fragen widmende Frankfurter Zeitung dort diversen Freiluft-Kuriositäten nach; der Morphologie des Cabriowesens zum Beispiel, dem Duschen (!) oder der sozio-ökologischen Milieunische Strand: Ein Sozialraum, in dem es neo-, prä- post- oder sonst wie liberales Gewinnstreben nicht gebe, genauso wenig wie soziale Schranken, kein Schimpfen und Geifern, keine Panik, kein unten oder ein oben- bloß ein ethnisches Nebeneinander aller und jedermanns, vereint im reinen, verträglichen Vergnügen am kindlichen Badeerlebnis.
Nun, die FAZ macht wohl Urlaub in Brest, oder in Zeeland, oder in Santa Monica. Sicherlich nicht aber an der Westküste Italiens, Riviera genannt; denn hier ist`s ein Hauen und Stechen. Verschwimmen Sie sich, lassen Sie sich auf´s Meer abtreiben, von einem Wespenschwarm halbtot stechen, oder besser, tun Sie es nicht! Der allgegenwärtige, stets mit dem Smartphone am Puls der Zeit fühlende Salvataggio wird Ihr Hilfeflehen im besten Falle delegieren (an wen auch immer). Breiten Sie aber Ihr Liegetuch an einem der wegen der beispiellosen Wirtschaftskrise, die Italien im Krakengriff hält, zu Tausenden freien Liegestühle aus (wohl weißlich mit dem 50er schon wedelnd) oder wagen es gar, sich vor die erste Reihe in die keinesfalls eigentümerfreie Brandung zu setzen: Er ist am Start, fortissimo! Flätzte er nicht grad noch 500 Meter entfernt auf dem im Sand lagernden Tretboot? Im eifrigen Parlissimo mit Salvataggio vom Abschnitt nebenan? Frivol-grinsend die Aussicht auf Bäuche, Brüste und Hintern genießend? Nun, jetzt steht er hier. Über Ihnen. Bar jeder Fremdsprachenkenntnisse (und auch sonst wahrscheinlich wenig belastet) das kapitalistische Gesetz des Investorenpöbels einfordernd und durchsetzend, denn dazu reicht es allemal. Und übrigens, das Buddeln im Sand mit Kinderschaufel ist verboten. Das Mitführen von Hunden auch. Die Duschen kosten, natürlich. Und ja, 4325 m weiter oben, hinter dem Pinienwäldchen, doch noch etwas vor den Industriekränen, ziemlich genau dort, wo der Club Regina seine Abwässer entsorgt (selbstverständlich gefiltert), gibt es einen freien, kommunalen Strandabschnitt.
Sonst aber: Ein Gewinn, diese kleine saisonale Rubrik. Die Molluske als Metapher Europas- und man macht was draus: Schönheit, ebenmäßig gezirkelter Nutzen, Konsens. Doch die europäischen Bildner vernachlässigen in ihrer gierigen Hast die wichtigste Werde-Dimension einer natürlichen Muschelbehausung: Die Zeit. Die Dinge brauchen Zeit.
Layout by ichichich.