April 2012 |
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Der Plot des preisberegneten Blumenberg von Sibylle Lewitscharoff geht durchaus: Ein Löwe taucht aus dem Nichts im Arbeitszimmer des Philosophen auf und bindet jegliche Aufmerksamkeit, existentiell: die Blumenbergs und die des Lesers. Doch schon nach wenigen Seiten ermüdet auch der wohlwollende Leser, ermattet von tödlich dröger Prosa: Der Löwe ist zu mir gekommen, weil ich der letzte Philosoph bin, der ihn zu würdigen versteht, dachte Blumenberg. Deutsch-verkopfte Konzeptschreibe in Reinkultur ist das! Da wird gewürdigt, verstanden, gedacht und so geht das seitenlang weiter. Bekenntnishaft schrauben sich allerorten schwächste Verben teutonisch-protestantischer Innerlichkeit durcheinander anstatt es krachen zu lassen und der Situation Leben abzugewinnen. Gestelztes Perfekt, egozentrische Selbstverliebtheit, umständliche Verschachtelung, Texttext. Ein Roman wie ein Tatort vom Bodensee. Satzzeichen?
Satzzeichen fehlen. Natürlich, stelle ich fest. Natürlich fehlen die Satzzeichen, denn die Moderne modernisiert nun mal und das Gefällige, Konventionelle fällt da der Kastration anheim mit einer Radikalität, mit der sonst nur ARD-Politmagazine beschnitten werden.
Derart matt klänge das alles sicherlich auch, wenn ich es zu schreiben gehabt hätte und deshalb lasse ich das mit dem Schreiben auch künftig. Ich führe stattdessen hier meine verdrehten, garantiert preislosen Selbstgespräche, wenn auch so halbwegs öffentlich. Frau Lewitscharoff aber hat wohl kein Internet.
Seit jeher empfinde ich es als kapriziös, peinlich, geradezu indiskret von Lieblingsbüchern zu sprechen. Ganz offensichtlich ist dieser Affekt dem spießigen Vergnügen an der pubertären Kategorisierung von Empfindungen geschuldet. Wenn ich nachdenke oder spreche über wichtige Bücher fällt das Resümee daher immer relativierend aus: In den letzten Monaten hat mich Rafael Yglesias Glückliche Ehe berührt, Oskar Roehlers Herkunft aufgewühlt, Siddhartha Mukherjees Der König aller Krankheiten fasziniert (eine recht morbide Auswahl, wie mir da auffällt!) - aber ein Lieblingsbuch? Da wiegele ich ab: Mal so, dann so- heute jenes und morgen dieses. Wer liest einen Roman schon zweimal?! Das wäre vielleicht ein Kriterium. Henry Miller seine Books in my life (selbst ein Buch übrigens, dem ich weit vor der Amazon/Internet- Ära bis nach London gefolgt bin!) ja angeblich gar einige dutzend Male... vor allem seine Dostojewskis.
Immer aber fällt mir in solchen Zusammenhängen (und die gibt es ja) T.C.Boyle´s Drop City ein; einem wahrhaften Naturereignis, einem fulminanten Anti- Lewitscharoff, das sich zum Blumenberg verhält wie der Bodensee-Tatort zum Paten oder der FC Köln zu Bayern München: Sicher, es gibt da eine innere Verwandtschaft. Man tut dasselbe, irgendwie. Aber dann doch wieder etwas ganz, ganz anderes.
Drop City; das ist glänzend geschriebenes Pathos. All die Verkorkstheit, der Glaube, die Hoffnung, die Verzweiflung in einer Metapher- in einem Satz: Er war unterwegs nach Hause, er stand auf den Schlittenkufen und atmete ganz ruhig, ein Mann im warmen Pelz, vor sich ein Hundegespann, in einer rauen, wilden Gegend, und er war unterwegs nach Hause zu seiner Frau. Danach kann nichts mehr kommen und daher kommt danach... nichts mehr! Take breath, baby!
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