Januar 2012 |
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Albrecht Müller ist ein Sozialdemokrat reinen Wassers. Als idealistischer kleine- und unterdrückte-Leute-Freund und leidenschaftlicher Kämpfer für die gerechte Willy-Brandt- Sache wendet er sich mit Grausen ab von der Mainstream-Agenda der Gernegroße und Kanzleramts-Zaun-Rüttler. Sympathisch ist mir das. Da steht jemand fest und aufrecht wie der berühmte Fels und kann nicht anders. Mit all den Machttechnokraten und Talkshow-Schönrednern will er nichts zu tun haben und hätten sie auch noch so sehr Enkelstatus. Enkel nämlich ist er selbst, sogar einstmals beratender. Auf seinen NachDenkSeiten liefert er heute mit Unterstützung eines kleinen, erlauchten Teams tagesaktuelle Analysen zu den Schändlichkeiten der Zeit (Wulff-Krisen-Gewinnler). Die werden ab und an zusammengefasst in Printform und über besagte Seite vertrieben. So finanziert sich zumindest im Ansatz der aufwändige Redakteursbetrieb.
Tiefe Verwurzelung im Glauben treibt aber nicht nur im Kosmos von Steinzeit-Islamisten und Fundamental-Katholiken seltsame Blüten. Nicht jede Wahrheit schließlich ist ewig und Ideen von der Beschaffenheit der Welt schon gar nicht. Die Griechisch- Goethesche Tyche als ein Wandelndes, das mit und um uns wandelt und so die Menschen und ihre Umgebung fortbildet- das fehlt jenen Dogmatikern ganz und auch die ehrwürdige deutsche Eiche, denken wir uns sie für diesmal sozialdemokratisch, leidet ganz fürchterlich unter ihrer unumstößlichen Unbeweglichkeit, auch wenn sie sich selbstgefällig selbst gefällt.
Tyche beobachtet heutzutage natürlich kein Mensch mehr. Man sagt vielleicht eher unpragmatisch, weil das Griechische ja ganz aus der Mode gekommen ist (und das Goethesche sowieso), meint aber letztenendes dasselbe.
Und dann: Ideen haben! Reizend, doch was sind Ideen anderes als unfertige, ungeprüfte Eingebungen? An denen hat es der Sozialdemokratie in Deutschland nie gemangelt. Sie weiß in Gestalt ihrer wechselnden Gesundbeter und Bescheidsager stets, was sein sollte und müsste- um alles weitere kümmert sich dann ein Riesenheer subalterner, weniger phantasiebegabter Verwaltungsbeamte (oder der Koalitionspartner). Also um solch prosaische Angelegenheiten wie Finanzierungen oder die verwaltungstechnische Implementation eines Vorhabens in eigens dafür geschaffenen Gremien. Kurz: Eine lebensfremde Realitätsverkürzung findet da immer wieder statt auf dem schmalen Grat zwischen Ideologie und Idealismus, die beinahe zur Atomisierung einer einstmals so mächtigen gesellschaftlichen Strömung geführt hätte. Und auch für eine solch irrationale Verleugnung dessen, was ist, steht Albrecht Müller hier und da; leider. Ein Beispiel:
Im FAZ- Streitgespräch mit dem (sicherlich kälteren) Volkswirt, Mathematiker und Demographen Herwig Birg leugnet Müller schlankweg den statistisch- rechnerisch belegten, eklatanten Schrumpfungsprozess der deutschen Bevölkerung bzw. wesentliche Implikationen. Die aktuelle Geburtenrate von 1,4 wird bis spätestens 2050 zu dramatischen Verteilungskämpfen führen und vor allem dazu, dass das Umlageverfahren der sozialen Sicherungssysteme implodiert. Keine statistisch-technischen Details an dieser Stelle, doch das weit gefürchtete demographische Momentum sorgt mit der Gewissheit des kurzfristig erfolgenden Rücktritts des Bundespräsidenten dafür, dass auch bei einem Anstieg der Rate auf 2,0 pro Frau die autochthone Bevölkerung weiterhin stark schrumpfen wird, bevor sich dieser Vorgang abbremsen und umkehren kann. Politische Gegensteuerung (und die gibt es wie die USA und Frankreich vormachen) käme, würde sie morgen verkündet und eingeführt, weit nach 12.00 Uhr.
Hinzu kommt, dass Frauen aus der Mittel- und Oberschicht weitaus weniger Kinder bekommen, als sozialtransferabhängige Frauen, was die Bildungsproblematik aller Voraussicht nach weiter verschärfen wird und zwar mit apokalyptischen Auswirkungen, wenn die Projektionen nur halbwegs stimmen, die Sarrazin ins Felde führt.
Und Albrecht Müller? Wittert Verschwörung hinter dem kalt-abstrakten Zahlenwerk und sinnt auf die älteste aller politisch- intellektuellen Untugenden: die Umdeutung! Und zwar eine im Zeichen des eigenen, hart umkämpften Weltbildes!
Richtig ist ja auch, dass die private Versicherungswirtschaft mit all ihr Raffelhüschens, Riesters und Maschmeyers profitiert von einem sich abzeichnenden, beispiellosen Zusammenbruch der staatlich organisierten Umlage- und zwar in einem gigantischen Ausmaße. Dass aber ein Ansteigen des durchschnittlichen Lebensalters auf über 60 bei weniger zu verteilender Arbeit günstig sein soll, dass der Altenlast eine Jugendlast gegenzurechnen sei und dass mehr Alleinstehende auf die Dauer volkswirtschaftlich neutraler zu finanzieren sind, ist wohl einzig und alleine dem Dogma geschuldet, dass das Versorgungsparadies eine sozialdemokratisch gestaltbare kleine Welt in der großen Welt ist. Eine Welt, die stehen bleibt; die sich nicht mit und um uns wandelt.
Layout by ichichich.