Vor dem Elefantengehege
Mütter in Köln, die Transferzahlungen, sprich Hartz IV, beziehen, haben Anspruch auf eine neue Babyausstattung. Insbesondere ein neuer Kinderwagen schlägt zu Buche, schnell mit 1000,-€. Sie werden nicht gezwungen, bei Ebay gebrauchte, preisgünstige Ware anzuschaffen; die Klientel soll schließlich, so die zuständige Dezernentin Klein, nicht "stigmatisiert" werden.
Die institutionelle Betreuung der lieben Kleinen bleibt selbstverständlich ebenfalls Kostenposten der öffentlichen Hand, so dass etwa der Ganztagesplatz in der KiTa gesichert wird. Soziale Teilhabe und vielfältige Bildungserlebnisse sind ja wichtig. Museums- Schwimmbad- oder Zoobesuche machen viel Spaß, zumal sie für "Köln-Pass"- Inhaber ausgesprochen günstig sind.
Die Eltern einer durchschnittlichen Arbeitnehmerfamilie mit 1,5 Einkommen, sagen wir mal: Er Studienrat in Vollbeschäftigung, sie Assistenzärztin im Halbtag, und zwei Kinderchen, können oder werden sich bei den hohen Lebenshaltungskosten in der Großstadt nun weder einen nagelneuen Kinderwagen noch Zoobesuche für 50,-€ leisten. Ganztagesplätze im Kindergarten schon gar nicht, denn die verschlingen bei Steuerklasse V rasch einmal 25% ihres (also jenes der Mutter) Nettoeinkommens. Da quält sich die müde Doktorin nach dem Nachtdienst und 4 Stunden Schlaf lieber verschlafen aus den Federn, um die kleinen Racker schon mittags abzuholen. Das ist dann nicht so teuer und irgendwas kochen: Das geht auch noch.
Vielleicht einmal begibt sich unsere Musterfamilie samstags nach Krefeld in den Tierpark, der die Familienkasse nur mit 25,-€ belastet und gondelt dann dort die lieben Kleinen mit einem älteren Modell (wahrscheinlich bei Ebay ersteigert für 285,-€ von Hartz IV-Beziehern, deren Fittis aus dem "Gröbsten raus" sind) am Elefantengehege vorbei.
Und so geben dann doch wieder alle ihre soziale Identität preis- Dezernentin hin, Dezernentin her; stigmatisieren sich hinter dem edlen Teutonia-Kombi am Mittwoch nach 5 im Zoo oder im Spaßbad als Empfänger der berühmten "Sätze", während der beitragszahlende Otto-Normalverbraucher zu erkennen ist am K-Kennzeichen vor dem Park in der Diaspora, seinem altmodischen Kinderwagen sowie den tiefen, schwarzen Ringen unter den Augen.
Alles bleibt also letztlich schön im Gleichgewicht und darauf kommt´s doch wohl an!
kann ich gut verstehen; immer wieder höre und lese ich davon. Aber möglicherweise klingt hier doch ein bißchen zu sehr das freidemokratische Arbeit muß sich wieder lohnen mit. Das birgt eine nicht zu unterschätzende Gefahr: die des Mißverständnisses. Deshalb sollte vielleicht begleitend dabeistehen: Senkt endlich die Kosten für Normalverdiener. Nein, falsch. Es muß lauten: Erhöht endlich die Löhne und Gehälter für diejenigen, die sich diese schlichten einstigen sozialen Errungenschaften auch leisten können wollen müssen dürfen.
Mein lieber jagothello, Sie scheinen mir da etwas zu nachlässig gewesen zu sein. Offensichtlich haben Sie nicht alle Seiten durchleuchtet. Vorab sei aber gesagt, dass ich mich mit dem Lebensraum Köln bestimmt nicht so gut auskenne wie Sie, aber das ist nicht unbedingt nötig, Sie können mich ja schließlich eines Besseren belehren, falls ich falsch liege.
Zuerst haben Sie als „normale Arbeiterfamilie“ einen Studienrat mit Assistenzärztin bezeichnet. Was ist dann für Sie eine Familie, in der der Mann als Fachkraft für irgendeinen beliebigen Bereich arbeitet und die Frau sich allein um das Erziehen der Kinder kümmert oder selbst „nur“ Reinigungskraft ist? Natürlich wird dadurch Ihr gesamtes Konzept, mit dem Sie sich auseinandergesetzt haben über den Haufen geworden, aber das vernachlässige ich an dieser Stelle (sonst hätte ich nichts mehr zu kritisieren ;-)).
Dass das Wohnen in einer Großstadt sehr kostspielig sein kann, bestreite ich nicht, dabei hängt es aber durchaus von der Wohnungsart ab. Die Familie könnte immer noch ihr Haus abbezahlen oder eine große Wohnung beziehen, davon abgesehen haben Sie bei dem Eintrittspreis für den Zoo sehr großzügig gerundet, denn ich bezweifle, dass Pubertierende noch unbedingt diesen besuchen möchten. Bei den weiteren Kostenpunkten gehen unsere Meinungen aber nun endgültig auseinander, da ich nicht verstehe, wieso Sie nur das Gehalt der Mutter anführen. Der Mann verdient, nach meinen Recherchen, alleine in den ersten Jahren mindestens 3.100 €, plus Kindergeld, deswegen würde ich es als durchaus durchführbar erachten, wenn die Assistenzärztin etwas von ihrem Gehalt opfert, wobei ich ein Verfechter der traditionellen Erziehung bin, KiTas kann ich nur in speziellen Fällen etwas Gutes abgewinnen. Dass deswegen eine zusätzliche Belastung für die Erziehenden entsteht, kann durchaus der Fall sein.
Was mich aber den ganzen Text über stutzig gemacht hat: Sie glorifizieren geradzu das Leben eines Hartz IV-Empfängers in Köln, weil Sie nur die Boni aufzählen, die die Stadt zur Verfügung stellt. Haben Sie schon einmal versucht, mit, berichtigen Sie mich, wenn ich falsch liege, maximal 400 € im Monat zu leben? Abzüglich Wohnung, Strom, Wasser, Heizkosten, Schulgeld (wobei für diese auch noch Bücher, Hefte, etc. finanziert werden müssen), Kleidung (auch Kinder) und Nahrung. Und jetzt haben es die Eltern nicht verdient, Ermäßigungen in der Schule, in Museen, in Schwimmbädern, usw. zu bekommen, um den Kindern ein abwechslungsreicheres Leben zu bieten? Natürlich haben Sie das so nicht gesagt, aber es gibt Ihrer Meinung nach nur zwei Lösungen: Entweder „nehmt ihr ihnen das alles wieder weg“ oder „wir bekommen das Gleiche“, da es ja sonst ungerecht sei.
Ich hoffe, dass Ihnen meine Kritikpunkte weiterhelfen, in welcher Hinsicht auch immer.
Bis dahin verbleibe ich wartend auf den nächsten Eintrag,
servibilis
Politik & Verwaltung in Köln machen sich lächerlich, wo es eben geht- zuletzt bei dem gescheiterten Versuch, 5 cm Schnee von den Straßen wegzuräumen. Eine Stadt, die gerne in der 1. Liga spielen würde aber von Provinzbürokraten verwaltet wird (von "regieren" möchte ich gar nicht sprechen). Darauf zielt mein Beitrag in erster Linie. Die Regelungen um den Kinderwagen gehören in diese Reihe von administrativen Fehlleistungen. Wenn Hartz IV- Empfänger die Bestimmungen machen könnten, würden sie, so meine These, den ganzen Krempel (Sachleistungen!) zum Teufel schicken, sich bei Ebay einen Kinderwagen leihen oder für 200,-€ kaufen (sich "stigmatisieren" lassen) und die dann überschüssigen 800,-€ für WICHTIGE Dinge verwenden. Die Vorschriften sind einfach Mumpitz.
Ein Aufrechnen von "Lebensqualität" kann nicht funktionieren. Sie geben ja selbst zu: Das mache ich nicht. Aus guten Gründen. Ich weise aber schon darauf hin, dass das aufwändig erwirtschaftete Einkommen auch von gut ausgebildeten Doppelverdienern nach Abzug von Steuern, Versicherungen, kommunalen Abgaben und Gebühren (hier wirklich enorm hoch), Miete, Strom, Heizung und und und schnell schon für Fixkosten weitgehend aufgebraucht ist. Und zu diesen Fixkosten zählen eben auch Alimentierungen jeglicher Art. Man stelle sich mal vor: Ab einem Jahresbrutto von etwa 48.000,-€ wird man taxiert wie ein Einkommensmillionär und zahlt im Kindergarten den absoluten Höchstsatz. In "reichen" Kommunen wie Düsseldorf oder Kronberg zahlen sie für solche öffentlichen Dienstleistungen wenig oder gar nichts- egal, wie viel Geld verdient wird. Das ist schlichtweg skandalös.
An Urlaub, hohe Eintrittsgelder und dergleichen (die Pubertät verbilligt keineswegs die Lebenshaltung, auch wenn es da weniger in den Zoo geht!) ist jedenfalls kaum zu denken. Dass Lehrer und Ärztin überhaupt erst ins Erwerbsleben einsteigen, wenn sie 30 sind- geschenkt. Es kommt halt auch auf die Perspektive an.
Bei dem ersten Punkt kann ich Ihnen nur zustimmen, dann übergehen Sie allerdings meinen Einwurf, die Situation aus einer anderen Ansicht aus zu erschließen und verfallen wieder in Ihren Wir-verdienen-zu-wenig-Ton. Verständlich, weil Sie nun zugeben, dass Ihr Eintrag eben nur auf diese Ungerechtigkeit ausgerichtet ist und ich so gesehen nur einen Randpunkt aufgegriffen habe.
Ich will Ihren Aussagen über das letztendliche Nettoeinkommen Glauben schenken, wenn wirklich derartig krasse Gegensätze vorherrschen, liegt es in der politischen Verantwortung eines jeden Bürgers mit ausreichendem Gerechtigkeitssinn, etwas zu verändern.
Inwiefern ich Ihre abschließende Aussage beurteilen soll, fällt mir schwer, da Sie wieder einmal königliche Rundungen ansetzen. Wir reden nicht von Langzeitstudenten, zudem ist bei Ihrer typischen „Arbeiterfamilie“, ich würde sie in diesem Fall als „Akademikerfamilie“ bezeichnen, von den Eltern meist Bildung und Einkommen gegeben, um so schnell wie möglich ins Berufsleben einsteigen zu können, nebenbei bemerkt gibt es während und neben der Studienzeit zahlreiche Möglichkeiten, Geld zu verdienen.
Die Perspektive ist, wie Sie schon sagen, äußerst wichtig, nur schade, dass Sie anscheinend mit meiner nichts anfangen können.
servibilis
das stimmt nicht. Ich kann mit Ihrer Perspektive etwas anfangen. Ich wende mich dagegen, "Verdiener" gegen "Nicht-Verdiener" auszuspielen. Wer Hartz IV oder andere Transferleistungen (mal abgesehen von der Rente) bekommt, könnte sich sicherlich 1000 schönere Alternativen vorstellen- da bin ich mir sicher; es kann gar nicht anders sein. Von Berufs wegen habe ich viel mit Menschen zu tun, denen es materiell nicht so gut geht; insofern meine ich, das wenigstens im Ansatz einschätzen zu können. Die Öffentlichkeit aber, zu der ich auch die städtischen Behörden zähle, nehmen, wenigstens in "meiner" Stadt, kaum die Interessen und Nöte von Familien wahr, die ein durchschnittliches Gehalt beziehen, welches in der westfälischen Provinz ja weitaus mehr wert ist als eben in der Großstadt. Da heißt es immer: Die sind belastbar. Da ist genug. Stimmt aber oft gar nicht. Es gibt viel Unzufriedenheit in diesen Kreisen aufgrund erheblicher Belastungen.
Von "Langzeitstudenten" spreche ich auch nicht, wenn Sie aber nach dem Zivildienst und Wartezeit auf einen Studienplatz sowie inkl. Examenszeit 14 Semester Regelstudienzeit zu absolvieren haben plus zweijährigem Referendariat, geht schon mal Zeit ins Land. Und wenn dann auch noch nebenher gejobbt werden muss, verzögert das weiter. 30, 32 wird man da ganz schnell... Zu meckern gibt es da nichts- richtig. Aber die Problematik besteht nun einmal. Und: Ärgern Sie sich nicht über meine Larmoyanz bei Zahlenspielen- der Beitrag war durchaus satirisch gemeint. Danke Ihnen für die Hinweise!