Rafael Yglesias: Glückliche Ehe
Ein Buch wie ein Keulenschlag, ein Wechselbad der Gefühle, in welches der außerordentlich begabte Autor mich Leser da tunkt. Sicher: Die Grausamkeit, mit der der Krebs die bedauernswerte Margaret jahrelang traktiert und schließlich verschlingt, löst Beklemmung aus und Mitleid(en). Der Begriff "authentisch" für eine literarische Figur und ihr äußeres wie inneres Erleben macht hier einmal Sinn; eine sonst ja absolut heikle Behauptung.
Verstärkt wird diese Beklemmung dann durch die Parallelerzählung, die ebenjene Schwerstkranke 30 Jahre früher im bankrotten New York als blühende, lockende Versprechung zeigt und zwar des ein wenig morbiden Ich-Erzählers Enrique. Von solchen Gegensätzen lebt das Buch.
30 Jahre Ehe passieren Revue, ohne Verklärung, auch nicht am Sterbebett. Wo war sie hin, diese verzweifelte, tätige Liebe, die Enrique 4 Jahre lang wachhält, um Sonden zu legen, Bettbezüge zu wechseln, Sterbebesuche am Bett seiner Frau zu organisieren, die Beerdigungspläne seiner Schwiegereltern abzuwehren, tägliche Hospizgespräche zu führen, sich als Laienmediziner auszubilden: kurz- um um seine Frau zu kämpfen- wo war sie also hin entschwunden, als er für einige Jahre eine Affäre mit Margarets bester Freundin begann? Eine Frage, die vor den neuen Notwendigkeiten verblasst, geradezu absurd-banal wird.
Umso bedrängender aber die verstörende Erkenntnis, dass es diese letzten 4 grauenerregenden Jahre zwischen Hoffen und Remission waren, die ihn als Menschen geformt haben, wie er sich selbst nun gerne im Spiegel sieht. Und auch die Ehe gewann eine vorher ganz ungeahnte Beziehungstiefe, die beide im wahrsten Sinne des Wortes mit vielem versöhnt. Der Tod als Chance. Das ist der Tenor dieses Buches.
jagothello am 02. Oktober 10
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