Die schönste Musik der Welt
Die schönste Musik der Welt: das sind die sechs Cello-Suiten von Johann Sebastian Bach. Behauptet jedenfalls der Berliner Cellist Alban Gerhardt im Interview mit "tip Berlin" und zwar, geschickt, geschickt, just vor seinem Konzert im "Radialsystem" zu Berlin. Die "Bibel des Cello-Spiels" seien diese höchst abstrakten Stücke. Das mag sicherlich so sein- der Cello-Virtuose verweist auf die enorme technische Komplexität dieser Musik. Ich spiele weder Cello noch irgendein anderes Instrument- leider. Ich versinke aber beim Besuch in der Bach`schen Welt regelmäßig in vielfältige Betrachtungen und, durchaus, in einen Zustand entspannter Zufriedenheit. Da ist der Kunst und den Künstlern gedankt. Das muss man ja so erstmal herstellen!
Bemerkenswert an dem Gespräch mit Alban Gerhardt ist aber etwas ganz anderes. Er ist nämlich der felsenfesten Überzeugung, dass man doch bitteschön über die Musik "nicht schreiben kann, weil Musik da anfängt, wo Sprache aufhört. Wenn man das, was man bei Musik empfindet, in Worte fasst, verliert es (sic) schon sehr viel." Vielleicht hatte Alban Gerhardt einfach keine große Lust, die immer selben Phrasen über seine Passion zum besten zu geben, vielleicht steckt aber doch mehr dahinter. Mich hat das jedenfalls an einige Stunden Lektüre erinnert, die mir kürzlich, einigen Links des Blogs von Jean Stubenzweig folgend, höchst anregend die Zeit vertrieben. Was nicht so alles theoretisiert wird zur Musik!
Erinnert wurde ich aber auch an unseren guten, alten Markus Schwering, Kulturredakteur des Kölner-Stadt-Anzeigers seit langen Jahren, der ebda. mehrmals wöchentlich Rezensionen, Kritiken und Gedanken seine Besuche in den örtlichen Musentempeln betreffend platziert. Ein klitzekleines Beispiel zu einer Chopin-Einspielung Rafal Blechacz`:
. . . [er trifft] den archimedischen Punkt, jene Mitte, die keine noch so raffinierte Brillanz "einfach so" erreicht. Man höre sich nur den Einstieg in den langsamen Satz des zweiten Konzerts an: Das ist lyrisch intensiv, hat großen Atem -- und jenes Equilibrium von schlanker, ritterlicher Eleganz und Melancholie, die Chopins geistiges Zentrum ausmacht. Es stellt sich der Eindruck einer zweiten Natürlichkeit und Herzlichkeit ein --hell, frisch, beschwingt in den Ecksätzen --, die nicht aufgeputzt oder forciert zergrübelt und auch nicht durch übermäßiges Pedal in die titanische Ecke befördert wird. Und wie Blechacz in der Coda des f-Moll-Konzerts den Terzruf des Horns aufnimmt und konsequent durchführt -- das zeigt, wie viel Gestaltungsenergie er jenseits des reinen Spiels mobilisiert.
Ob (andernorts) das Schreiben und Sprechen über die Musik Sinn macht: Ich weiß es nicht sicher. Derart dadaistische Geschwätzigkeit aber möchte ich in meiner Tageszeitung nicht mehr missen. Ist ja gewissermaßen auch eine Kunstform. Und was die schönste Musik nun wirklich ist, kann man ja jeden Tag auf`s Neue entdecken.
Es mag daran liegen, daß mich der Stadtanzeiger noch nie so recht gerissen hat. Deshalb mußte ich doch gleich mal nachschauen, was für einen wunderbaren Lyriker die große Köln-Postille da hat. Und dann lese ich:
Hass des Musikkritikers auf Musik
«Mein Hass gilt ja nicht Musik generell, sondern vor allem sämtlichen Spielarten von Popmusik. Und das kann ich auch begründen: mit dem Hinweis auf die „Unterkomplexität“ (um es einmal nett zu sagen) dieser Geräuschbelästigung, der jeder durchschnittliche Bach oder Strawinsky turmhoch überlegen ist. Und sage mir keiner, ich kennte eben keine Popmusik. Schließlich muss ich sie immerzu hören - im Taxi, im Restaurant, in der Arztpraxis, es gibt ja gar kein Entrinnen.» Dem kann ich mich nicht entziehen.
Aber er hat ja Abschied genommen aus der eigenen Welt Doch einen Trost bietet er: «Niemals geht man so ganz. Wer etwas vermisst, hält sich vielleicht an meine Musik- und Literaturkritiken?» – Haben am Ende Sie den «obenohne»-Kommentar geschrieben?
Recht auf schlechte Laune – genau, das entspannt so. Ein Punkt meiner umfassenden Recherche-Tätigkeit sei Ihnen noch präsentiert, weil's wirklich allzu schön ist: «
Mein Artikel zielte weniger auf die Aussagen Herrn Luisis, der ja Bedenkenswertes zum Thema UA und Wiederaufführung äußerte, als auf eine Berichterstattung, die nicht anders als tendenziös zu bezeichnen ist. Ein Phänomen, das man immer häufiger beobachten kann: von Hirnforschern, die die Verarbeitung von Zwölftonmusik nicht messen können und es der Musik in die Schuhe schieben oder klavierspielenden Bundestagsabgeordneten, die ihr Radio in Momenten ausschalten, wenn sie sich ermuntert fühlen sollten, es einzuschalten.»
ja, das scheinen mir Zitate zu sein aus Schwerings Kolummnen, seinerzeit überschrieben mit "Schwerings Welt" (wenn ich mich recht erinnere), die er 1 oder 2 Jahre lang den lieben Gott und die schnöde Welt betreffend immer gleich auf Seite 2 des KStA setzen ließ. Einmal die Woche. Die waren auch schon immer sehr, sehr prätentiös, wofür es auch immer hübsch auf die Mütze gab, bis sie dann eben eingestellt wurden. Deshalb ja der Trost an die Fans: "Wer etwas vermisst..." Ganz bezeichnend auch, dass seine Kritiken via Internet (Google) kaum zu recherchieren sind. Man denkt wohl, die könnten nicht funktionieren in solch banaler Umgebung.