Gerold Becker
Über den Tod hinaus langt der Spott, die ätzende Abrechnung, die wütende Replik auf den Gestrauchelten. Sicher: da gibt es die Verwerflichkeit der Tat, das Monströse des tiefen Abgrunds. Es gibt aber auch den niedrigen Beweggrund des Chronisten, denn wenig nur hassen (oder lieben) wir mehr als den allzu klaffenden Widerspruch zwischen moralischer Attitüde und ungezügelter, hedonistischer Triebhaftigkeit. Den Fall des Lichtengels: der ist es, den wir sehen wollen. Wir? Ja, so sind wir Deutschen! So bin ich!
Gerold Becker, kürzlich verstorbener, ehemaliger Leiter des durchaus elitären, jedenfalls höchst erfolgreichen pädagogischen Reformprojekts "Odenwaldschule" und Missbraucher vieler der ihm anvertrauten Kinder, ließ sich zum Nutzen kooperativer Lernformen im Unterricht anno 1992 so vernehmen:
"Es gibt (...) bestimmte, elementare Erfahrungen, die ein Mensch gemacht haben muß, um als Sechsjähriger oder als Sechzehnjähriger für wirkliches, das heißt verstehendes und die Person veränderndes Lernen in einem schulischen Kontext überhaupt offen zu sein."
Angesichts der schweren Vorwürfe gegen Becker und seiner Eingeständnisse im o.b. Sinne liest sich das natürlich in ganz anderem Lichte, als es zunächst aufgefasst wurde. Auf "bestimmte, elementare Erfahrungen" jedenfalls hätten die Opfer Beckers, vornehmlich Jungen, sicherlich gerne verzichtet.
Soweit das Apercuhafte. Darüber hinaus stellt sich natürlich die Frage, was eigentlich übrig bleibt vom pädagogisch- intellektuellem Vermächtnis Beckers angesichts der ethischen (Selbst-) Demontage. Die Pädagogik ist ja in den Augen vieler sowieso eine verdächtige, reichlich vage Disziplin, deren normativen Setzungen einigermaßen willkürlich daherzukommen scheinen. Wie sollen die aber nun noch Bestand haben können, wenn schon ihre Setzer sich als derart unzuverlässig und angreifbar zeigen? Gerold Becker hat auch seinem Metier, seiner "Fakultät" schweren Schaden zugefügt.
jagothello am 30. Juli 10
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