Meta-Blog
Warum eigentlich einen Blog? Lese ich Blogs? Liest jemand diesen Blog? Konkurrenzblogger Stubenzweig, der einen ausgesprochen lesenswerten und ambitionierten Blog führt, meint unter Hinweis auf Peter Bichsel, dass Geschichten nicht unbedingt gelesen, sondern erzählt werden müssen. Das trifft es, glaube ich, ganz gut. Dem Schreiben über und von etwas haftet Reinigung an von all dem Frust, dem Unrat, der unsere Seele belastet. Das ist vielleicht auch der Grund dafür, dass doch viele Blogs immer so ein wenig sauertöpfisch daherkommen. Eine pessimistische, therapiebedürftige Gemeinde, zu der ich da zähle. So weit so gut.
Doch warum öffentlich? Es gab Zeiten, da hat man Tagebuch geschrieben und selbiges gut versteckt, vielleicht sogar weggeschlossen. Heute gehen Tausende mit ihren Tagebüchern, die persönlichste literarische Gattung überhaupt, ins Netz. Doch ist das ja nur ein scheinbarer Widerspruch, denn die allermeisten Blogger, auch ich gehöre dazu, schützen ihre wahre Identität. Sie schimmert hier und dort ein wenig durch doch so richtig fassbar wird sie nicht.
Der Blogger unterscheidet sich also durchaus von dem Facebooker, dessen Tun ohne Preisgabe seiner wahren Identität (jedenfalls deren Oberfläche: Name, Wohnort, soziale Vernetzung) sinnlos bliebe. Vielleicht kennzeichnet das zumindest uns Blogger am deutlichsten: Der Wunsch, bei größtmöglicher Anonymität, wahrgenommen, gehört zu werden. Mitzuteilen, ohne zu bereuen!
Na gut, ich ordne es ein unter Ironie. Wenn dabei auch ein wenig tiefe Ernsthaftigkeit durchklingt. Aber die dürfte ohnehin grundsätzlich Anlaß zum witzelnden Wegplaudern sein. So gerät man unversehens zum Gemeindemitglied. Oder Mythos.
Bichsel – er dürfte sich dabei vermutlich eher auf die alte, die verbale Form des Erzählens berufen, mit der sehr viel frühere Großmütter und -väter Ursuppen köchelten. Was andere später daraus gemacht haben, indem sie es so lange redigiert haben, bis daraus Geschichte entstanden ist, steht dann auf «einem anderen Blatt»: Mythologien. So odyssiert es sich dahin auf der Sehnsucht nach Heimat im Abenteuer, werden idealistische junge Männer zu Heilsverkündern von Ideologien umfunktioniert, färbt Desdemona sich bei ihrem Geliebten ein oder um (Zadek: Matthes, Wildgruber), gerät ein Jago zum Thello. Das einst mündliche Tagebuch gerät zur beschriebenen Vorlage, in der beliebig in der Realität herumradiert werden darf. Doch was wäre daran verwerflich? Auch Othellos Autor hat seine Identität zu verbergen gewußt. Und wird wahrgenommen wie kaum ein anderer. Anonymität belebt Phantasien. Es gibt nichts zu bereuen.