Taliban am Telefon
Es klingelte, ich hob ab und meldete mich, doch nahm man das an dem anderen Leitungsende gar nicht zur Kenntnis. Stattdessen fand ich mich unverrichteter Dinge wieder als passiver Teilnehmer eines außergewöhnlich seltsamen Dialogs. Offenbar lag da irgendeine technische Störung vor. Namen wurden nur undeutlich genannt, doch verdächtigte ich rasch K. und P., da miteinander konspirativ zu schwatzen. Gebannt wie eine Katze auf der Pirsch lauschte ich, was denn sonst. Auszüge:
K.: Ja bitte? Es spricht der Nachfolger auf dem Stuhl des Heiligen Maternus, geborener Legat, 95. Metropolit der Kirchenprovinz Köln, Dr. der Theo...
P.: Ist ja schoa guat- Jo, bist du´s? Warum denn so förmlich, hä? Ich bins. Ubi bene ibi colonia, wenn du verstehst. hihihi. Der Bene! Iss a sichere Leitung.
K.: Sicher. Sicher. Die Ohren des Herrn sind überall. Nichts bleibt IHM verborgen. Gepriesen sei die heilige römische ...
P.: Hör mal- ich versuch´s auf Hochdeutsch. Kölsch können wir ja beide nicht, hihi. Wir müssen in einer ernsten Sache reden. Am besten, du kommst gleich her.
K.: Die Autorität der heiligen Kirche, vertreten durch den Stellvertreter Gottes auf Erden, zu ehren und zu achten- das ist vornehmste Pflicht meines Amtes.
P.: Mittwoch also? Wir haben wirklich einiges zu besprechen.
K.: Das passt gar nicht. Ich habe zu referieren vor dem Laiengremium der jüdischen Gemeinde Köln-Mitte zur unrechtgemäß erhobenen Forderung zur Rückgabe fiktiver Thora-Rollen. Danach Vortrag vor dem Pfarrgemeinderat Bonn; man murrt dort dies und das. Ich hätte einen Priester berufen, der ungeeignet sei. Ich werde nicht wanken. Und sei die Versuchung... ähhm, na ja. Anschließend Disziplinarausschuss des Generalvikariats: Eine Oberstudienrätin des erzbischöflichen Liebfrauengymnasiums Lindenthal verweigerte böswillig die Aschenkreuzzeichnung auf der Stirn. Am Donnerstag bin ich vorgemerkt als Hauptredner ...
P.: Verschone mich mit deinem Terminplan! Du hast deinen Laden nicht im Griff. Ich meine: abtrünnige Priester, Protestler, Päderasten, Schwule- das gab´s immer schon. Aber warum tummeln sich all diese Leute aus deinem Sprengel nun im Internet?
K.: Eine lebenslustige, mitteilsame Herde, zu der die Weisheit und Gnade deines Vorgängers im Amte des Nachfolgers Petri mich da empfohlen hat.
P.: Etwas mehr Toleranz... Menschenliebe, mein Gott nochmal. Warum gebärdest du dich wie ein Berserker? Du erschreckst die Leute mit deiner , ja, äh, mit deiner totalitären Dogmatik. Jesus sagt: "Mein Haus soll ein Haus zum beten sein. Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht."
K.: Mit dem allergrößten Respekt, werte Excellenz: "ein Haus des Gebets.", das waren die Worte des eingeborenen Gottessohns.
P.: Genug. Deine Politik der Peitsche ist gescheitert!
K.: Spes nostra firma.
Da musste ich nachschlagen gehen. Als ich den Hörer wieder aufnahm, vernahm ich nur noch monotones Piepsen. Hoffentlich bin ich nicht aufgeflogen. Da sind nämlich finstere Mächte am Werk, deren Spielball ich nicht werden mag.
jagothello am 20. April 11
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