G8 mal wieder
G8 in NRW hat mit dubiosen Wirtschaftszirkeln auf hohen Gipfeln bekanntlich nichts zu tun. Es geht um weitaus wichtigeres: die Frage nämlich, ob die Schüler nach 8 Jahren Gymnasialzeit Abitur machen oder nach 9. Die CDU hatte G8 eingeführt und pries diesen namenlosen Humbug als Bildungsrevolution hin zu süddeutschen (natürlich besseren) Verhältnissen. Dabei vergaß man leider, auch die Lehrpläne qualitativ anzupassen, das heißt, die Jugendlichen haben nun 8 Jahre für dieselben Lehrplanziele Zeit, wie früher nach 9 Jahren. Rüttgers hat das dann die Wahl gekostet; nun ja. Es klang jedenfalls erstmal ganz gut: Ein Schuljahr, die 11, wird ganz weggestrichen. Wer braucht schon Orientierungsphasen? Ganz nebenbei gab es für die Gymnasien einen kleinen, respektablen Imagegewinn gegenüber der lästigen G9-Konkurrenz aus den Gesamtschulen. Die neuen Lehrpläne sehen nämlich sehr schmuck aus: Was Gesamtschulen bestenfalls nach 10 Jahren gelingen kann, soll für die Eliteschüler schon nach 8,5 oder 9 Jahren Standard sein. Geflissentlich verschweigt man, dass das nur auf Kosten etlicher Unterrichtsreihen geht, die für das Verständnis späteren Stoffs eigentlich unabdingbar sind. Wir wissen ja: "Ökonomisierung" heißt in Deutschland eigentlich immer "Selbstverantwortung" respektive: "Sieh zu, wie du klar kommst!" Ein kleines Beispiel aus der Mathematik: Am Gymnasium unserer Wahl werden die 9.-Klässler ohne jede Vorerfahrung in algebraisch anspruchsvolle Reihen zu quadratischen Gleichungen und Funktionen geschickt. Solche Abenteuer enden in Unlust und Frust. Die früher obligatorischen Vorabreihen "Terme" nämlich: gestorben. Geometrie kommt so gut wie gar nicht mehr vor.
"Friss oder stirb", also. Es "sterben" viele, denn jugendliches Lernen hat nun mal mit Vermittlung zu tun. An diesen Zuständen ändert auch nichts, dass das Sitzenbleiben aus guten Gründen in NRW per Gesetz quasi abgeschafft ist.
Das alles weiß auch die SPD und gewann mit dem Versprechen die Wahl, G8 wieder zu kassieren. Das gelingt zunächst mal nicht- es fehlt die nötige Mehrheit im Landtag. Findig, findig nun: Per Schulversuch erlaubt man jetzt 10% aller Gymnasien, zu G9 zurückzukehren und Erfahrungen etwa mit parallelen G8-Lösungen zu sammeln. Die Opposition wittert natürlich und zurecht die Abschaffung von G8 durch die Hintertür. Kontinuität aber immerhin in einem: Zwanghafte Politiker und Bürokraten profilieren sich mit ideologischen Überzeugungen, ärgern ihre weltanschauliche Konkurrenz auf Kosten derer, die die tägliche Mühle treten.
jagothello am 29. September 10
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