Intelligent? Nicht wirklich!
Intelligenz kann man messen. Oder besser: Man kann das messen, was man für Intelligenz hält. Oder noch besser: Intelligenz ist das Verhalten, das man messen kann. Mit dem Messen ist es aber so eine Sache. Man darf sich die Intelligenz ja nicht vorstellen als ein Fluidum, eine Flüssigkeit in einer 1-Liter-Flasche; bei mir zur Hälfte gefüllt, bei meiner Frau wohl etwas mehr usw. Was man misst ist lediglich eine Relation, ein Verhältnis. Und die einzig mögliche, durchaus unbefriedigende Auskunft, die man nach solch einer Messung bekommen kann, geht ungefähr so: Du hast einen Intelligenzquotienten von 100. Die eine Hälfte der gemessenen Population ist damit intelligenter als du. die andere weniger intelligent. Wenn ebendiese Population nur aus Nobelpreisträgern besteht, führt das zu lustigen Ergebnissen aber ich gebe zu, dass man das mit statistischen Werkzeugen in den Griff bekommt.
Übertragen aber auf die Behauptung Sarrazins, Intelligenz sei zu 80% genetisch festegelegt (und nicht etwa zu 78% oder 84) bedeutet das: 80% eines jeglichen Verhaltens, zu dem Intelligenz benötigt wird (Schuhe binden, Gleichungen lösen, tanzen usw.usf.), wären korrelliert mit Erbinformationen. Dies müsste natürlich erst einmal experimentell nachgewiesen werden, indem einer Gruppe von Versuchskaninchen 20% jener Umweltanreize vorenthalten würden, die entsprechend der Gegenthese, derzufolge Intelligenz im Sozialisationsprozess entwickelt wird, geeignet sind, intelligenzfördernd zu wirken. Dazu gehören Kindergartenbesuch, Schule, vorlesen usw. Wenn diese Versuchsgruppe nach diesem durch und durch unethischen Programm einen IQ aufwiese, der eben exakt um jene 20% geringer wäre als der der Vergleichsgruppe ohne Bildungsentzug, wäre der Beweis geführt. Sicher unethisch solch ein setting, jedoch: Genau dies passiert! Der Unterschicht, auf deren selbstverständlich niedrigeren IQ sich Leute wie Sarrazin beziehen, werden tagtäglich und schon seit Jahren ebendiese 20% bildungs- und intelligenzfördernden Maßnahmen versagt und zwar von kleinauf. Wenn der IQ im Vergleich zur Oberschicht sogar noch geringer liegt, ist das nichts weniger als der Beleg dafür, dass Bildungschancen und Bildungsangebote für die Ober- und Unterschicht in einem noch krasseren Missverhältnis stehen.
Ein schönes Beispiel dafür, wie man Fakten tendenziös in einem vorab schon feststehenden, diabolischen Sinne (mis)deuten kann.
jagothello am 18. September 10
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