Aus dem Urlaub, aus dem Gesinnungsprekariat
Gerade dümpel ich im Urlaub. Mal wieder in der Soester Börde, wo die Landschaft eben ist, mal aber auch leicht gehügelt, immer bebäumt, grün und... still. Die Felder zeugen von reger Landwirtschaft, die dezent im Hintergrund bleibt und sich nicht aufdrängt wie z.B. im Kölner Norden die ha um ha Monokulturen in der öden Form der Zuckerrübenpflanzungen.
Hier sieht es eher aus wie in der Provence. Die Platanenbepflanzung in den Dörfern fehlt, zugegeben. Alleen gibt es aber auch hier und für Pappeln und jahrzehntealte Kastanien reicht es allemal. Und auch sonst: Grillen, flirrende Luft, goldgelbe Weizenfelder, kleine Bäche, eine lebhafte Fauna.
Inmitten dieser Idylle, unweit des Dreierdorfes HuHeiBü (Hultrop, Heintrop, Bünninghausen) liegt ein Vogel- und Naturschutzgebiet, darin steht ein veritabler Vogel-Ausguckturm. Man kommt heran über einen kleinen Wirtschaftsweg, steigt 70 Stufen hoch und gelangt auf eine 6 qm kleine Plattform, von der aus sich der Blick über die Ebene erstreckt. Die zahlreichen Tümpel werden umstanden und umflogen von allerelei Geviech, dessen Namen ich kaum kenne (mal abgesehen vom "Reh"). Bin schließlich kein Zoologe, Ornithologe schon gar nicht. Die turmeigenen Bildtafeln helfen auch nicht wirklich, denn wie soll ich auf Dutzend-Meter-Distanz entscheiden, ob das Gefieder nun... Und so weiter, und so weiter. Also: Ich komme natürlich wegen der Atmosphäre, der Ruhe und der Schönheit der Landschaft. Ja, sie ist schön! Mitmenschen hier selten, außer ich nehme jemanden mit.
Bemerkte nun also, als ich so da stand und guckte, dass ich in meiner stillen Betrachtung dieses hübschen Umfeldes selbst zum Objekt der Beobachtung wurde: Ein Hase (nein, KEIN Kaninchen!) verharrte im hohen Gras gleich unterhalb des Gebäudes und taxierte mich, fixierte mich. Es entstand Blickkontakt. Für einen kleinen Moment gab es den Anflug des Verstehens, der Übereinkunft zwischen Mensch und Tier. Du hier, ich hier- wir beide bemühen uns um eine Perspektive auf die Welt, in der wir uns nun mal bewegen. Um sie zu verstehen. Übrigens ist das, wenn ich meiner Selbstbeobachtung trauen darf, der tiefere Grund dafür, dass ich einen Blog gestartet habe. Hasen artikulieren sich wahrscheinlich anders. Mit Blicken, mit Mimik aber durchaus, wie ich nun also weiß.
Gelockt hatte mich hierhin aber auch die Rückkehr der Störche in diese Gefilde. Sie ist belegt und wenn ich endlich genügend html gelernt habe, werde ich einen kleinen Film verlinken, den der WDR extra aus diesem Anlass über die Region verfertigt hat.
Ich habe live keinen Storch gesehen, dachte aber, als der Hase sich dann irgendwann beruhigt und gelangweilt zu seiner Häsin verdrückt hatte, an das Urteil in Sachen Thor Steinar vs. Storch Heinar. Die Nazi-Klitsche hat ihren Prozess verloren und muss sich auch weiterhin die Verarsche der Störche Heinars gefallen lassen. Das macht doch Mut und zeigt, wie dem Gesinnungsgesindel beizukommen ist: Mit Witz und Entmystifizierung.
Thor Steinar: Das klingt so schön nach nordischer Gottheit, nach Weltkriegsromantik, nach Heldentum, nach Ruhm und Ehre, nach SS-Kult- nach all dem Driss eben, der einem Durchschnittsnazi so recht und heilig war und ist. Die begriffliche Konfrontation mit dem sympathischen, scheuen Federvieh scheint ihre Wirkung nicht zu verfehlen- sie liegt im kommerziellen Verlust, wo auch sonst. Oder wird sich die grimmig gebende Dumpfbacke auch weiterhin mit einem Label schmücken wollen, das Assoziationen zu einem ulkigen, spindeldürren Tolpatsch aufzwingt? Storch Heinar und Familie Hase: Meine Helden der Woche!