Jungs stecken durch - Mädels wollen nicht groß werden
Volvo verkauft keine Autos mehr, dafür "cars". TV-Sender unterhalten nicht, sondern "entertainen". Topmodels, Sängerinnen und Tänzer treten nicht mehr auf, sie "performen". Die Begriffsdesigner schrecken tatsächlich auch vor der Vergewaltigung englischer und deutscher Sprache mittels derlei Flektionen nicht zurück. Geschenkt! Anglizismen sind lästig aber ein anderes Thema. Sie werden ja auch aufgrund der häufig fatalen Wirkungen ("go in and find out" = "komm rein und hau wieder ab") mehr und mehr obsolet. Also dann doch irgendwie wieder akzeptabel! Die Welt ist nun mal kompliziert. Ich versuch`s mal so:
Interessant finde ich, dass tatsächlich schon eine neue Form der Marketingsprache z.B. in die Promote- und Event-Performance der deutschen Fußballberichterstattung Einzug hält. Ich nenne sie: Neukontextualisierung. Das smarte, gefällige Parlieren- das Edel- Feuilletonistische gewissermaßen hält Einzug in die Schwadroniersalons des Business- im TV und natürlich in den Tageszeitungen. Soccer goes intellect- gewissermaßen. Im Kölner Stadtanzeiger z.B. gibt es regelrechte Kunstformen der differenzierenden Reflexion zum dies & das des Betriebs. Der Dialog mit sich selbst ist solch eine Form. Neukontextualisiert wird da gleich eine ganze Rhetorik-Kultur.
Dazu passt natürlich, dass selbst Oliver Kahn sich entspannt hat. Er plaudert mittlerweile ganz easy, wo er noch vor 2 Jahren in die Kamera fauchte. Und dazu passt auch, dass die Phrasendreschmaschinen Netzer & Delling ihre Klischees nun nicht mehr öffentlich machen dürfen, jedenfalls nicht in der ARD.
Neukontextualisiert werden aber auch Begriffe. Trainer Klopp, der Erfinder des unsäglichens "Durchsteckens", kennt keine altbackenen "Spieler" mehr oder meinetwegen "Männer" und "Fußballer"; nein, es sind "Jungs" deren Treiben er kommentiert. "Jungs", die Bälle "durchstecken". Fußballer, die einen Pass in den Strafraum spielen? Das war nun gestern. Heute sind es "Jungs". Dass diese "Jungs" oft über 30 sind und derlei Infantilisierung einer Beleidigung gleichkommt, stört die produzierende Fernsehindustrie nicht und die werbetreibende schon gar nicht; denn es geht ja genau um das: Verjüngung! Identifikation! Identifikation! Verjüngung! Zielgruppe! Schlüsselbegriffe eines jeden Marketings und in diesem (Neu-)Kontext ist mittlerweile jede Sportberichterstattung zu begreifen. Dass es in meinem engsten Kreis regelmäßige "Mädelabende" gibt, zu denen sich kluge, erwachsene Frauen treffen, verschlimmert das Leid beträchtlich.
jagothello am 26. Juni 10
|
Permalink
|
0 Kommentare
|
kommentieren
Ballack verzichtet: 26.06.2010
Wegen der 20.000 Fans im Stadion, die eine so tolle Atmosphäre verbreiten, verzichtet Ballack auf viel Kohle und geht nicht zu AOL, auch nicht zu VW nach Wolfsburg, sondern wird strategischer Boss bei Bayer im malerischen Leverkusen. Und das, obwohl er in Wolfsburg vor 40.000 und in Hamburg vor 55. 000 spielen könnte! Wahrscheinlich sind es 20.000, die gerade recht sind nach den Massenaufläufen in München und London die Jahre zuvor. Um einen schönen Posten und ein klitzekleines Salär in der Post-Kickerzeit geht es jedenfalls dabei natürlich gar nicht. Ach ja: Bayer bezahlt die 15 Milliönchen für den sensiblen, verletzungsanfälligen ewigen Vizemeister (insofern passt er ja ganz gut nach LEV) selbstredend nicht "aus dem laufenden Etat", sondern investiert in die "Imagemarke" Ballack. Jetzt schlucken bestimmt wieder ein paar hunderttausend Kopfschmerzgeplagte mehr Aspirin und das Geld muss nicht für solch langweiligen Kram wie Investition, Bildung oder neue Arbeitsplätze ausgegeben werden.
jagothello am 26. Juni 10
|
Permalink
|
0 Kommentare
|
kommentieren