Orakel
Wer profitiert eigentlich davon, wenn im Vorrundenspiel so "um die 30. Minute" ein Franzose vom Platz gestellt wird? Irgendjemand wird es wohl sein.
jagothello am 22. Juni 10
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Tulpen in Amsterdam
gestern wie im Traum in Amsterdam. Südländisches Flair, viel Wasser, Boote, lässige Menschen. So undeutsch! Cafetische gleich am Grachtenwasser, garantiert nicht genehmigungsfähige Gefahrenstellen durch Stolperfallen vor dem Ufer, enge Gassen, eine quasi mittelalterlich anmutende Architekturlandschaft. Die sprichwörtlichen Radfahrer en masse verleihen dem Treiben etwas Dörfliches, etwas sehr Langsames. Wer die Altstadt in Nordwest-Richtung immer entlang der Prinsengracht durchstreift, kommt an schönen Antiquitätengeschäften vorbei, an kleinen Bistros, Galerien und immer wieder malerischen Brücken. An der Westerkerk-Kirche gibts die besten Pommes spezial mit Frikandel der Stadt (sagt ein Kollege, der es wissen kann). Die richtige Stärkung, bevor man sich in die Schlange vor dem Anne-Frank-Haus einreiht. Ein beunruhigender, melancholischer Ort (nicht die schlechteste Stimmung für Amsterdam). Der schwimmende Blumenmarkt und ein Espresso an der Leidsegracht beruhigen die Nerven.
jagothello am 22. Juni 10
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Nachdenken über Christa W.
Der SPIEGEL interviewt Christa Wolf (Ausgabe 24, S. 134ff). Zwei Fragen bewegen die RedakteurInnen ganz besonders. Zum einen, warum Wolf sich so vage äußert zur Bösartigkeit des untergegangenen DDR- und Stasi-Systems? Sympathisierte sie etwa mehr, als sie zugibt? So scheint es ja auch ihre Stasi- "Täterakte" nahe zu legen. Zum anderen: Warum emigrierte Christa Wolf nicht, wenn sie doch, wie sie vorgibt, so enttäuscht war?
Christa Wolf war und ist eine exponierte Autorin. Wie sollte sie sich wohl äußern, wenn nicht im Rahmen ihrer Prosa? Und das tat sie! Äußerst dezidiert sogar und kein bisschen vage. Auch wenn, was wohl klar sei, die "Autorin nicht identisch mit der (Ich-) Erzählerin ist", lässt es ihre Kassandra jedenfalls an Deutlichkeit nicht fehlen. Sie muss mit ansehen, wie ihre engsten privaten Bindungen zerfallen. Der geliebte Vater verstößt die Lieblingstochter wegen einer abstrakten Idee vom Staatswesen, eingeflüstert vom Stasi-Aliud Eumelos.
Überhaupt: Das Troja Kassandras zerfällt, bevor es auch von außen zerstört wird, von innen. So wie die Bewohner Trojas an den Mythos der schönen Helena glauben und daran, dass ihr "Raub" Kriegsgrund ist (und sich in diesem Zuge von einem spirituellen, friedlichen Agrarvolk zu einem brutalisierten Kriegsheer wandeln), verschrieb sich ja auch die DDR so mancher fixen Idee.
Kassandra geht dann schließlich auch nicht ins Exil, obwohl sie die Möglichkeit hätte, der Verschleppung nach Griechenland und dem sicheren Tod zu entfliehen und eine ganz neue Welt mit dem geliebten Aineas aufzubauen. Sie weiß aber, dass sie nicht ausweichen kann, nicht fliehen- jedenfalls nicht vor den Gesichten, der Zerrissenheit, der Angst, der Scham- ihrer ganz persönlichen Hölle. Nein, das Exil ist keine Lösung. Vor sich selbst kann niemand fliehen, auch nicht ins gelobte Land.
Ich denke, wer Christa Wolfs Beweggründe, ihr Verhältnis zu ihrem Heimatstaat begreifen möchte, muss den Umweg über ihre Bücher gehen.
Übrigens: Im selben SPIEGEL gibt es in ganz anderem Zusammenhang einen Leserbrief, in dem dringend angeraten wird, das heimische Westeuropa nicht stets als modellgebenden Exilort für die ganze Welt zu verkaufen. Das könnte wahrscheinlich auch Christa Wolf sofort unterschreiben.