Aschesack vs. Nylonfahne
Zeigt man in Frankreich die Trikolore, in England seine Banner, die Freundin ihre spanische Fahne: Mich stört`s nicht. Ehrlich gesagt rührt es mich sogar, dieses naive Bekenntnis zur Volksgemeinschaft, zu einer abstrakten Idee nationaler Identität. Hisst der Deutsche nun schwarz-rot-gold im Fenster, am Auto oder auf der Wange, rührt`s mich nicht. Vielmehr ist mir das seltsam unangenehm und ich kann einen lieben langen Tag mich in der Frage verlieren: Was ist denn nun eigentlich die kommunikative Botschaft des Nachbarn Ruck, wenn er 10 Tage vor WM-Start den Lappen aus dem Keller fischt und mit großer Geste genau vis a vis zu meinem Badezimmer platziert. Was will er mir sagen? Jede Antwort, die mir da so in den Sinn kommt, ist mir einigermaßen unsympathisch, zumal die wahrscheinlichste, die da lautet: Er teilt mir mit, dass nach nun 65 Jahren nationaler Bescheidenheit und Understatement nach dem Motto: "Wir Deutschen sind schon klasse, aber wir haben gelernt, dass man das nicht so zeigt" die Zeit reif ist, es gut sein zu lassen und den Aschesack eben einzutauschen gegen das dreifarbige Nylontuch. Die Fahne also als ultima ratio der abgeschlossenen Vergangenheitsbewältigung. Ein Gedanke, der so gar nichts zu tun hat mit nationaler Kultur, Identität, Nationalität. Ob es uns passt oder nicht: Unsere nationalen Symbole sind und bleiben heikel; ihr Gebrauch verlangt nach Sensibilität. Und davon ist die derzeitige deutsche Bier- und Fußballseligkeit meilenweit entfernt.
jagothello am 09. Juni 10
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